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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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, 14 Mai

Aweites Blatt

44. JatzrMg. — 111.


" ^ täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. tn's Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ansschließlich Zustellgebühr.

dvr^s.^n pr eis: 20 Pfg. für die Ispalttge Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Gefchäfts- nnd Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
^Ebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

C, ^latz den Darnen.

unwirsch, ist aber nicht so schlimm gemeint,
mbr Londoner ztorrespondent schreibt:
ijtzj 1t o n d o n, 10. Mai.

^ Platz werden wir den Damen noch machen
!>vch' " s^nmmen die Herren der Schöpfnng. WaS soll
^ie "er ganzen Geschichte werden V sragt Fohn Bnll.
Und ^.^ustiere" von ehemals, die nur nnseren Herzen
drvcho,, "^u gefährlich wnrden, haben die Grenzen durch
Illitzt . ' ure ihnen die weise Einrichtnng der Natnr, unter
lveisen Gesetzgebern des stai-ken Geschlechts
Mtte. Wie Wilddiebe dringen sie jetzt in nnser
Uep, -^.lrr und nnsere Remisen ein. Llrankenwärterin-
^uscka!^si'tboten, Fabrikarbeiterinnen, Icähterinnen,
^Unen, Schenerfranen, nette Putzmacherinnen nnd
uverkänferinnen — das war schon recht nnd man
mitnehmen. Aber jetzt! Daß Gott erbarm!
§Md,,,^chhalter, sein Korrespondent, kein Kassierer, kein
h>id in ?^ilfe, kein Stenograph und Maschinenschreiber
Zkgm ^ondon, Manchester, Liverpool nnd den anderen
sii, P HandelAplätzen länger ihrer Stellnng sicher. Wie
oie ^A^Eesschwert schwebt die Entlassung nber ihnen,
lahr, stch aus die Stratze versetzt zu sinden, um
tzlgj, ^ kiner jungen Gans oder einer alten Schachtel

> dn^-"'ack)en. Selbst Reportern nnd Journalisten
och -siR sprechm wir nicht davon — es schmerzt. Platz
-isg^uinen! Warum? Schmach den Arbeitgebern! Weil
^lvnD, Damen! — fiir biüigeres Geld und wie einige
alig^?..Ue Leute behanpten, gleich gut arbeiten nnd dabei
^il sj l zuverlässiger, pünktlicher nnd sleitziger sind,
lch h uicht ranchen, trinken, wetten, Billard nnd Kar-
^liirr^^ usw., was bei untergeordneten Wesen ganz

) h.uh darnm als Tugend angerechnet zu werden
<ix ,Ki lächerlich ist. Platz dm Damen! Hat sich was!

sjch scho^ selbst Platz! Ueberall sind sie
hpd^ siuugm, vom Wirtshans bis ins Gotteshans. Man
siy>-ivhinterm Schanktisch in der Kneipe als holde
lliig ?chL nnd als Predigerinnm mit Schnurrbartan-
^"hgsj ' lüU' Heilsarmee. Der gute, alte Samnel
lvegPwn wiirde sich in seinem Grabe umdrehen,
bv es sehen könnte. Schien ihm doch ein
Hipj uilf der Kanzel eineni Hunde gleich, der anf den

> , ^ueiuen geht. „Die Fran schweige in der Kirche!"
öros, U" die zilrche hatte für den gelehrten Doktor, den
Ueg u Philosophen nnd Weltweisen (er starb als Jnng-
<er > ui diesem Znsammenhang einen weiten Begrifs.

.- ute sehm, was wir zn sehen bekommm! Ueberall
- /uannte „ewig Weibliche" — in allen Läden als
IA PU.'vrinnm, in allm Komptoirs, im Telegraphenamt,
^ivjl?llaint, in der Drnckerei als Setzerinnm, im Fri-

" als Barbiere, im Hospital als Aerzte, beim
Alie - -

. >E^r als Goldarbeiterinnen: sie sind Börsmmakler,
M? UUare, Buchbinder, Bildhaner, Architekten. Und
- 'Ur^Gebiet der Litteratnr. Es wimnielt von weib-
Äüipjs ".^edervieh"! Und dieses hat sogar die Unver-
^°i,,U)eit, den anserwählten Männern, Dichtern und
Mx michrisjjHllern den Rang streitig zu machen und,
^!e„ nngebildete Publikum behanptet, sogar abzu-
^ 'äu den Zeitungsspalten sind selbst Leitartikel
»i,i,l v Wrechm wir nicht davon: es schmerzt. Man
kch Welt nicht.mehr. Nnn gar die Musik! Sie ha-
sktzt j 'ckt länger am .Klavier genug. Nein. Sie müssen
Äv„ u uer „Kapelle" mitwirkm — nicht in der, die so
^^^^dem^erg^euchwt^vem^i^SternIeii^in^

Himinel anfgehm — nicht beten, nein, spielen, spielen.
in der Mnsik-K'apelle. Fn den Orchestern wiminelt es
von Danien, die da auf Geigm nnd Bratschen, Violon-
ccllos nnd Batzgeigm Herumfideln, vom Piccolo dnrch
alle Artm von Holz nnd Blech hindnrch bis zum Fagot,
Baßbombardon und der Posaune. Alles blasen, was sich
blasen lätzt, Paukm schlagen, trommeln, Pfeifen nnd an-
deres nnbestimniteS Geränsch machen. Jn den Bilder-
gallerien stammt die Hälfte der bemaltm Leinwand von
Malerinnen. Ueberall drängen sie sich ein, wo sie nicht
hingehören, und statt wie früher, Hübsch bescheiden da-
heim zn sitzen, zn kochen, nähen, waschm nnd zu wartm
bis nnd ob „Einer" komnit, nm sie znr Wiirde seiner
Fran zn erheben nnd sie in ihren neuen Berufskreis
einznsührm — wieder waschen, nähm, flicken, kochen,
Kinder warten —, treten sie in die Welt hinans nnd wol-
len nicht abwarten, bis der erlösmde Ritter komnit,
wollen nicht abwarten, ob sie sitzen bleiben, sondern stel-
len sich auf ihre eigenm Füße nnd machm sich unab-
hängig — anf unsere Kosten. Jn Waggonladnngm
kommm sie Morgen nm MorAen znr Eity, nm Plätze vor
Schreibpnltm einznnehnien, die von Rechtswegen den
Männern gebühren. Nicht weniger als 90 000 bis
100 000 City-Clerks sind weiblichen Geschlechts. Bei
dem halbm Tansend Zeitnngen, die erscheinen, sind
an hnndert Weibsbilder — Pardon, Tamen— Chef-
redaktenre, an tansend Reporter und Jonrnalistinnen
als ständig angestellte Redaktionsnntglieder nnd im gan-
zm Lande wmigstens 10 000 Schriftstöllerinnen —, die
politisieren, feiiilletonisierm, kritisierm nnd mindestens
drei Viertel der 20 000 Novellen, Erzählungm nnd Ro-
mane anf dem Gewissen haben, mst denen England ver-
sencht wird. Man berechnet, datz in der City täglich
200 000 Franenzim . . . . '— Pardon, Damen — iii
dm verschiedenen Geschäftszweigen nnd Bnreaus beschäs-
tagt sind. Was heitzt das anderes, als datz ebmso viele
Männer ans ihrer Stellung verdrängt und nm ihren
Broterwerb gebracht sind. Platz dm Damen! Wozn
sührt es? Datz von Jahr zn Jahr weniger Ehen geschlos-
sen werden, weil die Männer keinm Hansstand gründen
können. Das ist der einzige Vorteil, den sie daran?
ziehen — es giebt wmiger Unglückliche!

Deutfches Reich.

— Die „Germania" bemerkt, die Lieber-Legcnde könnte
aus einem Gkspräch entstanden sein, das Finanzminister
Miquel vor Jahren bei einem zufälligen Zusammcn-
treffen mit Lieber hatte. M'quel habe dabei bemerkt, cs
sei doch recht schade, daß die hervorragende Begabung
Liebers für staatsmännische Geschäfte nicht direkt dem
Reiche oder Staate nutzbar gemacht werden könnten da-
durch, daß er in ein höheres Reichs- oder Staatsamt
trete. Ob er vorkommenden Falls wohl dazu geneigt
wäre. Der Gewährsmaun der „Germania" läßt es dahin-
gestellt, ob die Bemerkungen des Ministers ernst gemeint.
oder ob es eine katzon äs xsrlsr oder e'n Klopfer auf
den Busch war. Jedenfalls sei es keine in höherem Auf
trag gemachte Eröffnung gewesen. Lieber habe geant-
wortet: Wenn schon, dann erschieue mir nur ein Amt
begehrcuswert, das des preußischen Finanzministers. Die
„Germania" erwäbnt noch, daß in der Widmung des

Kaisers auf dem Lieber im Jahre 1898 zugestellten Büde
des Kaisers die vaterländische Gesinnung Liebers besonkers
hervorgehobcn war.

— Fahrräder in den deutschen Kolonien.
Da es verschiedentlich vorgekommen ist, daß neu heraus-
kommende Beamte rc. des Schutzgebiets von Deutsch-Ost-
afrika die in ihrem Besitz befindlichen Fahrräder zu Haus
gelassen haben in dem Glauben, sie nicht vcrwenden zu
können, so hat der Gouverneur Graf v. Götzen gebeteu,
alle nen hinausgchcnden Gouverncments-Angestclltcn und
Schutztruppen-Angehörigen darauf aufmerksam zu machen,
daß es sich empfiehlt, Fahrräder nach Ostafrika mit-
zunehmen, da bei den guten Straßen und den veihältnismiißig
großen Entfcrnungen dcr Besitz eines Fahrrades grotze
Annehmlichkeiten und Vorteile bietet. Dasselbe gilt für
Togo, wo Fahrräder ebenfalls viel im Gcbrauch siiid.
Für Kamcrun ist die Möglichkeit d r Benutzurg nur eire
sehr beschränkte. Dasselbe dürfte für Südwestafrika urd
für die Südsee gelten.

Aus Stadt und Land.

ln Schöffcngerichissttzung vom 12. Mai. 1) Johann Bäuerle
von Heidelderg crhlelt wegen Körperverletznng 10 Mk. Geld-
strafe; 2) Joh. Gg. Leonh. Roetter von Sandhausen wcgen
Körperverletzung 15 Mt. Geldstrafc; 3) Heinrtch Fein von Kirch-
heim wegen Körperverletzung 2 Wochen GcfängniS; 4) Friedrich
Himmelmann von Gaiberg wegen Köiperverletzung 10 Mk. Gcld-
strafe; 5) Rosa Michaelt von Ziegelhausen wcgen DiebstahIS
einen Äeiweis; 6> Fiiedr. Gotki. Schlicksupp von Heidelberg
wegen HauSfrtedensbruchs 6 Tage Gefängnts und 3 Tage
Haft und Bernh. Wetzel von da wegen des gleichen Vergehens
7 Tage Gefängnis und 6 Mk. Geldstrafe; 7, Friedr. Hermann
Koch von Kirchheim erhielt wegen Körpeiwrletzung 40 Mark
Gellst afe; 8) Wilhelm Jungmann von Altenbach wigen Sech-
beschädigung 6 Mk. Geldstrafe; 9) Jakob Gottfried von Kirch-
heim wegen Körperverlitzung 20 Mk. Geldstrafe; 10) Friedrich
Gredel von Kirchheim wegen Körperverletzung 15 Mk. Geldstrafe;
1l) Ltna König von Heidelberg wegen Unterschlagung 14 Tage
GesängniS; 12) August Florschütz, in Untcrsuchungshaft hicr,
wegen Betrugs 4 Wochen Gefängnis.

Wiesloch, 13. Mai. (F r o st s ch a d c n.) Die kalte
Witteruiig der lehten Tagc hat grotzen Schadeii in den Wein-
bergen gebracht. Jn allen Lagen der hiesigcn Gcmarkniig sind
fast alle Augen an den Reben erfrorcn, so datz ein Ertrag auf
zwei Jahre hinaus nicht zu hoffen ist. — Der Landwirt August
Fördcrer wurde heutc Mittag von seinem Pferde so unglücklich
an den Kopf geschlagen, datz dcr Getroffene läugere Zeit be-
wutztlos war. An scinem Anfkommen zweifelt man, da cin
Schädclbruch vermutet wird.

-i- Wiesloch, 12. Mai. (S ch ü tz e n v e r e i n.) Der im
vorigeu Jahre hier gegiliudete Schützcuvereiu hat sich gleich als
recht lebensfähig gezeigt. Er bautc uoch im glcichen Jahre
aiis eiuer Aiihöhe in dcr Nähe dcs Stüdtcheus ein schvncs
Schützeuhäuschen, das die ganze Gegcnd beherrscht und das
gestern Nachmittag cingeweiht wurde. Ilm 3 Uhr bcwegte
sich die Schühengesellschaft, ea. 40 Mann stark, unter den
lllängen dcr Schützenkapelle dnrch die fahncngeschmücktc Haupt-
stratzc uach ihrem Heim, wo bald ein lebhaftes Treibeu sich
zcigte. Gegeu 7 Uhr abends zog der Verein anf dcn Ricseschen
Bicrkeller, daselbst wurde ein Abendesscn eingenommcn, woran
sich dann ein Tanzvergnügen reihte. Möge der jnnge Verein
wachfen, blühen und gedeihenl

Sdl. Mannbeim, 1g. Mai. (I n der Angelcgen-
hcit des s e i n c r z e i t i g e n Einsturzes der
L e i ch e n h a l l e), bei dem bckanntlich zwei Mcnschen getötet
wnrden, hat die Staatsanwaltschaft dcm Stadtrat miigeteilt,

Aus avschüsstger Bayn.

Roman von B. C o r o n y.
jk, (Fortsetzung.)

,^te^ündliches Mahl Wiwde aufgetragen. Der Wirt
stelli ^ Ftaschen des ältesten Weines aus dem Keller
^ sj^ blendend weih gedcckten, mit gcfüllten

s. gezierten Tisch.

j?Ae„ L"t nnd Regina nahmen sich in ihren hellen, ein-
,->d ^vmmerkleidern, elstere eine wcihe, letztere ein glü-
>ifj^ ^te gjgjb im Haar, entzückend aus, aber Konstanze
^ „Dj^.Mcher scheue, halb ängstliche Blick.
z- gerade so stolz und unfreundlich wie ihre Mutter-

>rfs^ Neht dxv Satan aus den Augen!" flüsterten sich die
fv > so - " und die kräftigen Bauernburschen zu- „Das ist
" li„;/^e, die niemand was zu Liebe thut und kein Geinlsi
q tzie^inen hat."

»d ^steb» ^u Herrschaften gegenüber hatte man die Scheibe
Ül, ^ welcher verschiedene Schützen aus grötzerer

bx- j>e„ L"llerer Entfermmg ihre Geschicklichkeit erprobten.
dx Pgt eines kahlen Baumes war ein hölzerner Adler

" seb,'- mehrere Schietzbuden erblickte man am Rand

^ber.-^^tzen Wiese.

sj,-bon Brachwitz amiisierte sich köstlich.

-t "as durcheinander wogt, kreischt und juüelti Da
jsNxZ-. ( doch einmal die noch urwüchsige Fröhlichkeit des

L iagte

„Jn Ostpreutzen, Wo ich zu Besuch bei

eZ^jn^ud, dem Rittergutsbesitzer bou Pilgram weilte.
"lisi^r ^Pch' datz die vornehmen jungen Leute, also die
8el,^acht^, Svhne des Landadels auch einmal so einen Tanz
fiiil^chke?'' betrachteten die Bauern als ihr alther

>w 'Rr F,,P(tes Recht. Jch war damals ein
Pi/plei.TBöier und drehte man

damals ein übermütiger
isi'reis» P'o>c>. uiw drchte manches nette, rotbäckige Ding
b Vein — und weitz der Himmel, wäre mir das

Nicht — ich thät's heute uoch."

„Ilud dürftest du aueh ohne Bedenkeu," crwidcrtc der Ober-

forster, „den» diesc Sitte herrscht hier ebcnfalls. Du wirst
sie mitmacheu müsscn, Herbert," waudte er sich an seinen Sohn.
„Man würde es dir sonst als Stolz auslcgen. Führc doch
eines der Mädchxn zum Tauz. Dami ist der alten Gewohu-
heit Genüge gethan."

„Ach, Papa, verschoue mich damit," waudte der juuge
Maun eiu. „Diese vierschrötigeu Dorfschöuen mit dcn erhitzten
Gesichtern uiid grobcn Häuden widern mich an."

„Jch sehe nichts Abstotzcndes an den frischen Naturkindcrn.
Wer das ganze Jahr harte Arbeit verrichtet, kann nicht fein
und zierlich wie einc Prinzessin sein, und die rauhe, schwielige
Hand ist mir unter Umständcn achtnngswürdiger, als eine
weihc, wohlgepflegte, die von Nichtsthiin und Faulheit er-
zählt. Du mutzt dcreinst mit dcn Landleuten leben und sollst
dich ihnen gegenüber nicht hochmiitig und iinfreundlich zeigen.
Das ist wenigstens meinc Ansicht, nnd ich wünsche, dah du
dich ihr fügst."

„Wcnn du es befichlst, Papa. Aber muh es gleich ge-
schchcn?" fragte Herbert mit gelangweiltem, blasiertcm Blick.
„Jch dächte, der Abeud wäre noch laug."

Ein junges ucuaiikommendcs Paar verneigte sich jetzt vor
der Tribüne.

„Donnerwetter, ist das Mädel hübsch!" rief Brachwitz.
„Die Augen funkeln ja wie schwarze Diamanten! Der
kräftige, hochaufgcschosscue Mensch ist wohl ihr Bruder oder
Bräutigam?"

„Nein, es !st ihr Maun," erwiderte der Oberförster. „Den
Vurschen hat mir meine nnvergctzliche Regina ins Haus ge-
bracht, als cr uoch ein kleiner halbverhimgerter Kerl
war. Jch nahm ihn damals ihr zu Liebe, die jedem helfcu
ivollte auf, uud machte einen tüchtigen Jäger aus ihm. Später
lief er der Gertrud Marburg nach, heiratete sie gegen mcinen
Willen und mußte, weil sie die Tochter eineS berüchtigtcn
Wilddiebes ist, den Jägerberiif an den Nagel hängen. Es
liegen noch andere Dinge vor, derentwegen ich seine Wähl

entschieden mitzbilligte. Doch davon reden wir licber jetzt
nichr. Der Mensch hat, alle wohlgcmeinten Warnungen
trotzig verschmähend,. seine Ziikmift leichtsimüg preisgegcbcn.
Wcr mit offenen Augen ins Perderben rennt, dcn kann man
lücht aufhaltcn. Jeder liegt, wie er sich bettet. Jch habc
mit Just Reiner nichts mehr zu thuu!"

„Sie mal aul Ja — Liebe und Thorhcit sind vou jeher
vcrschwistert gewesen und die hübsche schwarzäugige Hcxe hat
wohl das Zeng dazu, jcmand mn Sinn mid Verstand zn brin-
gen. Wie ein tropischer Vogel unter Spcrlingen nnd Gänsen
nimnit sie sich ans —"

„Das ickjon, aber —"

Der Oberförster verstummte plötzlich uud blicktc mit uii-
zufriedeuem Kopfschütelu seinem Sohnc nach, der an das
jmige Weib herantrat, es umfatzte und dann die üppige Gestalt
im Arm, dahin wirbclte. „Die — gerade die mutzte er sich
wähleu."

„Na, das ist ja eiuerlci. Er wollte deiucm Wunsche uach-
kommcn imd griff gleich uach der ersten besten Tänzerin —
eine schmnckerc wäre auch kaum zu finden gewesen."

Da hattc er Recht. Das dimkelrote Kleid schmicgtc sich
dcn jugendlichen, schwcllendeii Formen knapp an. Die
schwarzcn Zöpfe flogen, dic dunklen, fenrigen Angen imd
schwellenden rvten Lippcn leuchteten imd brannten cmS dem
schmalen, südlich angehauchten, leidenschaftlichen Gesicht. Wie
Gertrnd sich hin- und herbewegte, deu Kopf zurückwarf,
lächelte uud atemlos weiterraste, die Arme fest um Herbert
geschluugeu, glich sie eincr tanzenden Bacchantin.

(Fortsctzung folgt.)

— Moralpredigt. Vater. „Schäm' dich, Hans, jetzt bist
du fi'mfimdzwcmzig Jahre alt und hast noch kcincu Pfeniüg
vcrdientl .... Jn diesem Alter hatt' ich schon eine Frau
mit zwanzigtausend Thalerni"
 
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