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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 77 - 100 (1. April 1919 - 30. April 1919)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3202#0479
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'«.'ridLlbLVHiN.' Aeiiung an jcv«in Äiüchentng mittcic,s 12 Uhr. ?lm»icht» Verknli»»!-

gnttgcblnli. l>!,<,fl^.l.>ei sjiid i)ie Heidcldeeg-» Fonii'irüblätlcr, niihervem ainttichrr Müliinma»-
n iZ'inei. Dic )>eive!bcrg«r o«!t»ng kann durch cille Püstcinsiaiien, dnrch cie 1'genlnrcn n»i te-n
Laiide, die Lrägertnnrn und bc! der V!«schiif>»ftrllr seibst - Hanptslrcitz« 23 - monallich und
vlerleljährllch b-ftelli werden.
tzai-r'tschriftlki'-c: Knrl Ftscher in tzeldeiberg,

Drnch Verlag: Theobor 'Lerkcenbiisch. Heidelberger Aerlaci-:anslaltn. Druchere!, Heldelberg.

VeHAgS- Uild Anzeiqeitpreis. Die »Heidelberger ^eliimg" koslet bei jcder Do!lci»sl«u
mc-natlich 1,3'i M., vrerteijührliü) 4.08 M. ansschiirtzlich IuslcllgeLühr, dnrch die vlgeiiinie» oder
die Träoeriniien frei Haus monatltch 1,45 M. — Die sechsgespnt'eiic Petnzeu« od«r drr«n Nniiln
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Postschechbonlo tlarlsruhe Nr. 8»47. Fernsprecher: Nedalition )83, <öe>chäft»sielle 8«

lUnabhängige Tageszeitrmg)

Fsrlründignttgsblatk für Nordbaden und die anarenzenden Teile von Bayern, Hessen und Württemberg.

" Nr. 83^°°^ " .. ^^e^^a^en 8. ^p ^ 61. Iahrgang

Die Umwälzoug in München

Der kommende Vorfrrede

Baris. 7. Aprrl. (Neuier.) Sloyd GrorHS fMte
in ei«»em Antcrview, er schlietze fich Pichons Ansicht
an, düd div Präliminarfriedensvertrag su Ostern
sertig sein werde; Ende Avril oder An-
fan« Mai wiirden die Alliisrteir in ver Lage
sei«, die deutsche« Delegierten zur Unterreichnnng
des Friedrnsvertrages einruladen.

Üondon, 7. Avrrl. Die Friedonspräliminar:sn
Merden tndrstoder vierTageg sertig
vorliegtN. Mt dieser Lategorischen Evklärung tritt
der Lotrdvner „Observer" keute allen anoers lau-
tenden Meldungen entgegon. Und dcr dec „Obser-
ver" sich baster Ber'rebungen rur englWen Bertrv-
tung <ruf dex Frbedenskonserenz -erfreut, so dars
rv<.A nngenontinen werden, datz e-r diche Ltklärui-g
nicht aus den Mitgern gesogen bat. n-nsowe'ligk--,
als er sie in grotzen Lettern an beso.-.drrer Steue
verSffentltcht.

Die Deutschen „diirfen" verhandeln

Haag, 7. Avril. Jn Paris hdsst man Lis Ende
dieser Wochemit dsn FPtcden-chedtngungen
sertia ru sstn. Der Plan, den Deutschen kei-
sterlei Ber handlungen zu er.lauLen, isr
ausgegeLen. OLerst Houss erM.rte, man nrüsse
den Deutschen mtndestens edensovici
Spiel-raum Lei den FrtedensverbaiMungen
lassen, roie bei den Wa fsen-stillstandsverbansolung sn.

Die neue Räterepublik

in München. die mtt so viel EntLuüasnms uud
H.offnungsfreudtgLslt verkündet wovden ist. krankt
Lereits am ersten Tage thres Bestehens an jiwei
„Fchlern". Äls wichtigste politrschs Tatsache ist
die Feststelliu.ng vo,n Wert. dak die kommuni-
stische Partet es abgelehnt bat. M an
vcr Rätevevublik zu beteiligen. Die Ver-
handl-ungon ikber die Bssekung dor Volkstammts-
^rvtate gehen zwischen den Unabhängigen nnd den
Mehrheitssoztalksten hin und her. die nach wochen-
lang-er Gegnerickaft sich nun plöklich siir den Räte-
gedankerl entschieden Labe-n. Die Kommmnsten
lehn-en Veryandlungon ab. OL thre Erklänmg,
dai; die M.erepuLlik nur -ei,n Angstvrodukt sei.
viirklich sttchhaltig ist, -oder oü sick andere Gründe
dahinter verbergen. läkt sick i.m Augenbltck noch
Uicht fesüstellen. Bsharren sie auf ichrer Wetge-
«mmg. so würde der Beschluk der südbayerischenSo-
^ialdemokraten. sich n>ur an der NäterepuiLlik zu
Leteiliäsn. wonn ÜniaLhängige und Koinmuniiten
gleichfalls mit von der Partei sind. Linfällig wer-
vem. und die Näteregterung unter inneren Wider-
sprüchen leiden.

Dazu lo-imnt nach folgendes: Wie schon gestorii
Letont. Langt der Ve-stand und die Dauer vaa der
Halbung der Banern aL. Da hat man nun
schan aloich mit etnem Kompramik Legonnen. in-
dem nmn dec Bauernschaft Mgestanden hat. dasi
landwirtschafiltcher Besik von unter 1000 Tage-
werk von der Sozialisicrung unberührt Llsiben
wivd. Da ein Laper.sches Tagewerk 34,078 Ar
nm-faht. so wiirde es sich also Lei der Freilasfung
Um Betrlebsürösten bis zu 340 Hektar handeln.
Li-nd da tn Vayern die Betriebsgcösien sogar von
nur über 100 Hektar nur 0.1 v. H. der Gesamt-
Lelrrebsfläche des Landes ansmachen. s.o würde
dte genannte Grenz.siehung Ledouten dasi d e
Landwirbschaft der SoMlDer.ung überhaupt
licht anheimfalle. Wie das im kommuni-
trschen Nätestaat zu machen wäre. das ist frenlich
stn-e andere Frage.

Unstimmiükeiten -rmter den Männern der Re-
gi-rrung und Ko-mpromisse schon vor der Durchsüh-
rung des Programms stnd ei-we sLivache und
fchwankende E-rundlage. nnd wsnn sich auch e'm-
elne Avbeiterstädte dsx Räters-vuLlik angeschlos-
en h-ab-eil. das Land cvls solches macht
nicht m i t. Es ist zu begrüsien. dan die ge>sek-
liche bäyerische NegieriMg stck nack Nvvdbayern
Leigoben chat. wo sie üesichert wirken und a-üch der
Landtag tn Nuhe tagen kcvnn. Da die Recks-
regisruug auf Gruud der Bestimmung der Notver-
ifassung dte bayerischs Näteregievung nicht aner-
ikonnen kann. so nnrd dte Layerischr MiteTepnblik
auch wenn sie ein Vündnts mit Unnarn und Nusf-
land schliesie-n sollte in kurzer Zeit völlig iso-
liert dastehen. Ob sie lekten Endes -mtt Wat-
sengowalt bsseitigt werden musi. wovauf die An-
samiinlumgen bay-erischer Fretwilltgen-Berbände
Lereits hindeutet. mird sick in Välde erweisen.
Von ganzem Herzen haffen wir. dasi Vayern und
mrit ih.m o.uch dem Neichs das entsekltche Schau-
spiel eiues neuen Bilrgorkrieges -vsvart bleiben
rnöge. _

Der Nätckongreh. Auf dem Nätekongres;
svtrd die N e i ch s r e g i e r u u g durch dte drei zw
stiindigen Nessortminister Vauer. Wtssell und
Nobert Schmidt vertreten sein.

Ein Lebenszeichen der alten bayer. Negierun»

Nüruberg, 7. April. Em Erlad -des Ministervrä-
sidcnton H off m a n u hat solgend'M Mortlaut:

Die Negierung des Frcistaates Bayern ist nicht
zurückgetreten. Sie hat lhren Sik von München
verlegt. Die Negisru'lg ist und bleibt die
einzigeJnhabevin der hockstenGr-
walt in Bayern mid ijt alleur berechtigt. rechts-
wirksame Anordnungen zu erlajscn „nd BefeHle za
erteilen. Wcitere Beröffenllichuiigen werdrn
folgen.

NUrnberg. 7. Upxil.

Ministerpräsident Hoffman »t.

Nicht oh„e Gruud tst dis Nsgiei'UP.g nach Nord-
bayern gegangen. Wenn sich auch NürnLovgs Nach-
Larstadt Fürth der Näterepubliik ansssthlossen
hat. so hcrt doch die N<ol,vheitssozialdemokrat
Nürnbergs gerade crst mn Sonntag die Räterspu-
Lkik mit -evÄrückenLer M-ehrheit aLgelehnt. In einer
Besvrochung -der in NürnLsvg zu!sammengetretenen
Vertcauensleute der Nürnberg-r Gaokbetrieve
und dex soäiäldomakratilschen Vrrtraumsleute wurde
fern-e-r die Einführung dsr NäterepuLlit van 350
Ainvese'idrir grgen 3 Stmrmcn a ügelehnt.

Uebclsiedlrnrg der Rcgierung »rach Bamberg

Dse banerische Miiirsterpräsident Hoffmann
beMb sich mit den M.tgliedern der Rcg'revmrg, die
die Näterepublit aLlohnen, nach BamLerg Vn
der Msicht. von dort die Geschäfto we iter z u
führen und dorthin den Layer'sch m Landtag
SlnzuLerilfen. Zum Schvko dor Regierung und des
Landtags wurde das Freikorvs Evv, das Lrs
vor kurzem in Ohrdrnf sich Lefand. ttach Bamderg
dcrigiert. Man hofst, dad es gelingt. die Machi
dcr neuen Räteregi-erung auf Müuchen und Um-
gcbuivg zu beschränken. Die Negierung ln
Vamberg lritt an die regierungstreuen Truppen
Bayerns nrit dcr Ai-fiocderung heran, sich sum
Schu-Ke dcc Dsm-'.kiatie zux Ve.fägun.g zu stellen
und eine We.'bc'akticii groszcn Stils cmzuleiten.

Treue Truppen

Dic Verbreitung dor Ausru-i'»g der Mterspu--
btik in Bayern ist von einer Anzahl öctlichrr Ar-
Leiterräte mid von dn n o r dLa y e r i s ch e n
Garnisonen verweigert worden. Die
Soldatcilräte in c'incr Amabl no dLTyerMer Gar-
nisvnen Loibei' gestcrn bchchlossen, d e Einborufung
des baycr'vschen Landtags zu fcrdcrn und die Aus-
rufung dcr Rätcropublik im Vme'ch der nordbaye-,
rischcn Garuiisonen abzulehnen. Ioderrfalls
kann von einer Einrgung im bayrischen Vokk
fü.- die Näterepublik keinc Rede scin. Der Be-
wois liegt tt"ch tcrner d.irm. dch tcils rn Bayorii,
teilo auhevhglb Bayerns von Baoern Frerkorps ge-
b'ldet worden.

Neichsregierung und Bayerrr

Die StellungnaLine d r Reichcregrenmg M deu
Vorgängcn in Münchcn wmds in vcn SomntägsLe-
svvechungen der Negierung mit den ParteMhrern
dahin for.muliert, das; die N-e'chsregiermrg e'me
bayrische MteropuLltk innerhal-b des ReichsgeLietcs
niemals anerkennen wird. Dte unkmlltdl^
ibavs iFolgo fei dic vollständise w i r t s ch a f t lt che
Isolreru n g von Bayern.

Andcrcrscits LesLsichi'gt d'e Neichsrdgterung
keineswegs, sich in Bavern ernzu-
mischen. D'e Rechscegierung fteht mch wie
vor auf dcin Staildvuilkt, das, es^ch um eine in-
nere La-yerrsthe Angelegenheit handclt. die teine
N icheintervention zuläszl. UeLerdics wivd an zu-
stäi-diger Stclle angei oimneu, das; die Lage in
Bayern sch in turzcm wieder klären werde,
da die augcnblicklichc' Müichene-r Regieruns ke-ine
lange Lebensdauer baben dürfte, denn die ALohr-
heit Les Volkes vorurteile jede Diktatuv einer
Klasse. Auszerdem würven die Gegenmasinahnren
dc's Ministcrvräsidenten §rotfman.n bald wieder dte
Lage lläron.

Ginzelheiteir aus München

München. 7. 2Lpril. Die „Korr-espondeuz Hofs-
mann" mÄdet amtlich: Dec Zentralrat d«r Mte-
revuLltk Bayern beschlotz. dast die Arboiter- mtd
Bauernräte irach dcn betvafsenden Benifen
Lalvigst neu gebi lde t werden, da die Nenwäül
der Saldadenräte gleichzeitig erfolgt und im An-!
schlun davan uiwcrzüal'ch der Rätckongretz
ernberufen wird. Der Wahltermin und die WahL,
ordnung werdcn schleunigst veröffentlicht wevden.

D-ie Soldaten dcs 1. bayecischen Infamterleregi-
ments forderten, als erstes Regimcnt der so-
fort zu btldenden roten A r m ee zuni Schuke der
v r o letar ifch e n NevuLlik geführt su wer-
doii. Sie Lesthlosscn die Unrbenennvng der Mars-
feldkäserna in Kurt Eisner K-asern>e, sorderten dte
Aufhdbung allcr Offiziersvorrechte und sosorttge
Ein-stellung dev G-ohaltsrahlung au Offrziere, d'.e
Neursgelung des Mannschrstsver>sorgungsgcfekes
untcr GletHstellung mi de-n Offizier-en unid verlan--
-gen vonl Aili.lltärm'inister die Auflvcbung der De-
moLAnmchungso-dcr dahil'goheird, dan keino So-L
dateir Uvangsmcisc entlasscn werden. b.vor ausrer-
chenlrir AbLsitsgelegccheit gegclben sei.

Die „MÄrcheir-Nttgsburge.r 4lLcirdzeituns", dre
nrit saLlc-eichen wciben Flecken erfchrene'ir ist unv
damit Ven Bewcis li'tert. Vass die Prcsse wicder
untez- Vorseusur stcLt, will wissen, datz eln Ge-
feh über die Entcig n u u g von Vermögen
und Vermögenswerten in Veratuns odcr Lereits
scstgestellt sei. Dan-ch soll jedes Vermögen üLer
10 000 Mark festgcstcllt und dcvvon, geftaffelt ncuy
der Hohe, eine V.rinögciisabgaLe erhoben wcrdrn.
Der Rest wivd dem Inhaber vom Staat nlit 3 Lis
4 Prozent verzinst. Das Vermögen selbst gchärt
dern. Staate. Drs gleiche Blatt me-ldet aus A u g s-
b u rg, dah dort si Len an-esehcne Perfonen a»
'Geiseln in Schukhast geno-mmcn wurden.

Die St u d e n t c n s ch a f t der UniversttäL
München bat Sonntaa n.achmrttag ln einer Der-
sa'-n'lung des attgemeincn S-tudeiitenai'Sschussos
dcr Aniversität 'cschi'osten, dcn bisberigcn Se n>.. l
ols 6 n t ho b c!, zu erciärcn uad die VerwalimiN
uiw. ver Univcasiiit eincril Studentenrat cn
üb''rtragen, dem e'n FcchbeUat von Univcrsitäts-
v'.ofefsorcn Lochc-ci m ist. Die Studenlenausschckse
d r Tchniisthei': Hcä.'chule nnd Vc> HandolsLoch-
ch'.le in Mmchen sowi^ der Universitäten tn Er-
lai-gen und Wiii v urg siiid vom Zentralr.rt -geisti-
gec ArLeitvr crusgefordeit wo den, in glccher Weiie
vorzugehen.

Mitnchen. ^ April. In AUinchen inmmt
das öffentliche Leben einen vollkoin-
men unqestörten Gang. Nur dte
Strassenbahn hat vorläusig den Betrieb eingestellt.
Achüsehen von ciner grossen Versammlung, die
aus der Thercsienw'iese stattfand. wnren nur klei-
nere Gruppen auf den freien Pläken der Stadt zu
bemerken, die eifrig über die Vorgünge dcbattier-
ten. Znzwischen ist vom Zentralrat der ver-
schärfte VelnHerungszustand über AUiu-
chen verhängt worden. Nach 8 Ubr abends ist das
Letretcn der Strasse verboten. Aucki Demonstra-
tionen sind nicht gestattet. Die Zeitungen
sind nicht bescsst. sie stehen aber unter Zensur.
Der Vorsiljende des Zentralrates. Nickisch. erklärte.
dasj etne Beschränkung der Vressefrei-
heit n i ch t in der Abslcht des Zentralrates liege.
Dagegen sei dic Aornahme des sogenannten Nau'ii-
austausches iu d> > kiUchtung erwogen worden, dass
die burgerliche Prcsse auch zur Ausnachme von
Aufjässen, die durch dic Presseabteitung des
Zentralrates bcarbeitet werden. angehälten wer-
den wird. Was die

Lage in der Provinz

betrlsft., so wurden in Kempten und Lanoau
Vcschlüsse zugunsten der Räterepublik gefasst. Avch
wird bekannt, dass die Grcnschukabteilung des 3.
Batatttons in Traunstein bereits am Samstag die
Nätcrepublik aucgerufen hat. Ferner haben scch
Fürth, Negensburg und Würzburg »-
gefchlossen. Dic Haltung Nürnbergs ist noch
nicht entschiedcn.

* Die Lebe'.'smrttelversorguuq. Visher sivd
aus Hamburg It3 deutsche Schiffe nrit
gesaiut 1020 000 Tonnen ausgelaufen.

Die schrverste Tragödie
dieses Krieges

Von Oberst Ba»ter

OLrrsi Bauer war im Grossrn Harw:-
quarLier die rechte Hand Lnde>.'-
dorsfs. Wie wenig anderr tft er beru-
fc,r, i« die noch dunklen ZufammLnlsiinge
unseres Kriegsschffksals hllreinzuleuchteu.
Er hat damit üegsmren vurch die Veröf-
feutlichrmg einer SemerkensVerten Bro-
schüre „Ksnnten wir den Krieg vermei«
den, gewinnen, abbrechen?", die
eüen im Verlag von August Scherl er»
scheint. Ihr ist de, folgenÄe Abfchnttt
entnominen:

Der Krieg war nach alter Schlieffenscher
Jdee so gedacht, daß im Westen schnell mit mög-
lichster Stärke eine Entscheidung gesucht we>r
den sollte, während wir uns im Osten zunächst
hinhaltend verhielten, um nach Freiwerden der
Kräfte im Westen uns auch dorthin zuM Ent-
scheidungsschlage zu wenden. Der Eedanke
Schiieffens war groß und sein Eelingen trotz
der Kühnheit wahrscheinlich, da die Ausbil-
dung des Heeres und die Erziehung der Füh-
rer und des Eeneralstabes planmäßig auf ihn
— auf die rücksichtslose Offensive im Westen —
eingestellt worden waren. Datz er scheiterte,
lag jedenfalls nicht in einer falschen Schlußfol-
gerung, sondern im wesentlichen an dret
Faktoren.

Erstens führte nicht mehr Schlieffen, sondern
Moltke. Der war aber ein nerven-
schwacher und fchwer leidender
Mann. Ludendorff war, obgleich da-
mals schon als ein Mann ersten Ranges be-
kannt, ausgeschaltet. Weil er anscheinend dem
Militärkabinett nicht genehm war, hatte er
den nebensächlichen Posten eines Armee-Ober-
quartier meisters erhalten.

Solange es nun glatt, ia ungeahnt schnell
vorwärts ging. d. h. der Schliefsensche Gedanle
ablief, hatte Moltkes Zustand scheinbar keinen
schädlichen Einfluß auf die Opcrationen. Jm
Augenblick, wo es au der Ourcq bzw. Marne zu
einem Rückschlag kam, offenbarte sich seine U n-
fähigkeit. Moltke fiel und mit ihm leider
auch Steiu, der qerade begounen hatte, die
Leituug iu seiue Häude zu nehmen. Der Nach-
folger Falkenhnyn. ein äußerst fähiger
Kopf mit guten Nerven, stand vor einer im
Augenblick unübersehbaren Aufgabe. Er konnto
uicht im eigentlichen Sinne die Armeen füh-
ren, sondern war stnrk von der Auffassung der
Lage bet den etnzelnen Armeen abhüngig. Die
Armeen hatten aber den lseberblick nicht und
konnten ihn anch nicht haben.

Der zweite Faktor war dle fals ch e
Kr ä f t e v e r te i l u n g. Unser rechter Hee-
resflügel hing in der Luft uud war zu schwach.
Hier rüchte sich die unzureichende letzte Heeres-
vermehrung, über die daher cinige Worte ein-
geschoben werden müssen.

Die Heeresvorlage voll 1913 — von
Ludendorff entworfen — sah ur-
sprünglich erheblich mehr neue Truppen (etwa
drei Armeekorps) vor. Der damalige Kriegs-
minister „einigte" sich auf das niedrige Pro-
gramm aus Furcht vor dem Reichstag. Tat-
sächlich haben uns diese Armeekorps zu Beginn
des Krieges ungeheuer gefehlt. Dem rechreu
Heeresflügel folgend, hätten ste die Marne-
Katastrvphe vcrhindert. wcnn sie zur rechten
Zeit und an der rechtcn Stelle eingesetzt wor-
 
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