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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Januar bis Juni)

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Nr. 126 - 148 (2. Juni 1919 - 30. Juni 1919)
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Uirabchäiigrgen noch Platz im KaLinett. Ob sie sich
srerlich mit Noske, dein Vielgehahten. zusainmren.
setzen worden, ist eine äitdere Friage. Jekensolls
wird die Dem-okratie am neuen Kallrinett nicht be-
terligt seln.

Doch das sind alles nn Augendlick mehv oder
inünd'er nMigs Konrbinatronen. Uns. dte wrr den
Fricldensvertrag aus politWen, wirtschaftliche-
und vor allem aus nationalon Gvünden ableHnen,
beveitet der Gang der Dingo tn Weimar dre

schmerzlichste Enttäuschung. Mir Sattcn

uns die Wirkung diessr FriedensLMngungoi,
auf dre Volksoertretung gans anders gcidacht —
abeo auch auff das Volk. We,m os richtig rst. d- .
die Neroen emcs deträchtlichenTei>los der Bcvölk-.-
rung zu verSraucht sind. um eine letzte Kvaftordbc
auszuHailten, und dab vor allem in den LedvoHt
Eebieten die Furcht und der Materialisnrus surze i
den Nationalstolz überrouchert bcrben. dann sind die
D-ut chen <ben nicht nur niilitärisch völli« bestegt,
sondcrn auchmoralisch aus einem Tiefstand
angckonlmen. datz sie kein besseres Schicksal
verdrenen, als die hnrtc Faust deo gvcmisamen
Feindc ihnen arrferlegt: dM.n wcrden wir evst wie^
der eine moralische WiedergebUDt erle-
ben nrüssen she die nationale kommsn kann.

Was tut Crzberger?

Erzberger. der im Jn- und Auslande meist ge-
uanntss deutsche Politikcr, Leschäftigt wieder in
stärkstem Mahe die Ochfeatlichksit. Er hat dieBev-
mutuug auf sich -gelenkt, dab ex bei den FriMens-
verchcrndlungsn nich-t ganz den bishev dex Osffenr- ^
lichkeit gegenüber bekundeton Standountt d-er Re-
sieoung tsi-lt, datz ep im entschvidend-on Mornent
eigene Wege gcchen <viid und dafür Heröits
feine Worchercitungen tvifst. Jft es möglich, feln
Gechoimnis zu lüften? Es mutz auffallen, daß Evz-
Lerger mv der lctzton Zeit wermiioden hat. ssinen
Standvunft zur Friedensfrage mit solchev Klarchsit
aussusvrechsn, wie das chish r die a n d.e r n Re chs-
mvnistsr getan hachen. Schrideinann. Derndurg,
Gothein u. a. m. haben mit ihreb Person in
den letzten Wocheiv immcr wleder d e Mleünung,
vertreten: wenn die Entente nicht ganz wosentlch'
Aenderungen Lewilligt, unterreichnen wir ncht.
Von ErKbergev liegt eime solche Aeuherung nicht
vor. Das sagt schon sehr vie'l.

Anbereoseits hat die Regierung Lis in die ley-
ten Tage hinern nicht versäumt, zu erkräwn, daH
„das Kachinett" einmütig sei. „TaS Kadinett"
— das häiA also, Her-r Erzchergex getzt mit den W.
vigen Mniftern einig? Die Oeft-'ntl chikett muh
obrimal d-aräiber untervichtet wevden'. dah Erzchcrgct
in allen Firagen der auswärtigcn Politck der fLi-
vende Mann des Berlinev Kachinetts ist. Kenne?
der Verhältniisse drücken immer wieder ichr ErPaiv
nen davücher a«us, wie grc-h dve versönlicho Sng-
scftionskoaft dieses Mannes rst. Er ist doch ganz
beftimmt keins geiistige Gröhe, wedc? uchervase-nd
durch Glanz der Gedanken noch dex Sprachs. Asb^r
er ift unigebeuer fleihig, ungccheuer goschickt, hat
seine Erfahrungen in der Bechandlung von Men-
schen mid Konfvrensen. Seine starke Wirkuns trcu
fchon zutaye, als er noch blohex ReichstagsaLge-
ordnetev und Mitglied des Hcvuvtausschusses w^
Dre VsvhandLungcn des Hauotausschusses gingen
ichren ruchigen, me st interessölosen Gang, so lange
Er-Lerger nicht anwesend war. Kaum hatte er d-en
Brroatungssaal betreten. so änderte sich die Mtmo-
svhäre. Die Haltung des Zentrums bekam ein ent-
Wossenes, enevgisches Gesicht und von ichm cms
wmdo die Stimmung des ganson Aus'chusses ge
wandekt. . .

Gsnau so i!st es he-utc im Kaibinett. Man muh
sich klar machen, dah die meilsten MnifM, die
heute dem Käbin-ett angehöreni, in vhrer fvrWeren
Praxis koine Gelegenhoit hatten, stch öinen grohcn
U^borblick über die Dinge zu verschaffen. Andsrs
Crzberger. Von AnLeginn des Krieges von der
Rckierung mit dev Leitung der deutschcn Ausla-d^
propaganda betraut. lsatte er sich eins Organifcvticm
geschaffen. dis ichre Fäden in die ganze Wslt htn-
aussandte. Erzberger reiste üLerall im Ausland'
bcruin und dicx grohe Horizont, innerchcftb dssse-n
er sich stellte, muhte natürlich sein Selbstgcäüchl stär-
ken und ichm eine politi-'che Pnaris aneignen, di>e
ilftn choute ein Ucibe-gowicht über alle andcren Mi-
nffter gvbt choncn solche Ausbildungsmöglichkoiten
sochlcn. Als Echef der MM^stiWandsLommission
hat sich EvzLergcx ebenfalls eine Organisation, se-
schcaffsn, von d-eren GrVhzügigkeit d'.o Wutzenstechen-
den öbonfalls keine AHnung baLen. Er verffü-i
LLer ein volitisches' Büro, über Lesondere Presse-
agenten und tausend andere für einen Mianni sc l-
nor Art nützliche Dinge.

Wie stecht nun ErzLevger zur Frledensfbage?' Er
meinl, man müsse küchl und realvolitich denken.
Mir könnten uns den Luxus einer feindlichm Be-
sietzuug des riheinischen Jndustrie- und KoihlengcL-^
tes nicht leijsten. Nach vierundswcrnzrg Tagen
wurde mfolge Kahlenmangöls kein oinz ger Z./g
mehr in Deutschland verkehrcn könne i. Und die
Hoffnung auf Rovolutionen inr französischen ui D
englischen Bsatzungsheer stehe cvuf schwach -n MH.-
Es bleilbe uns demnach nichts andercs übrig alv
ftn letzten AugenLlrck, wenn die Entcnte uns 'keinv
weitenon Milderungen gewähve, doch noch zu un-
terzeichnon, falls wir nicht das Dhaos in Deutz ch-
land herbe-iführen wollen. Von den übrigen Mk-
nistern unftrscheidet sich Erzborgers Standvunkt
NM rnsofern, als diese bis auf ganz wonige Auv-
nahmon nicht dbs Entschlossenheit gefun-
don h-aLen. sich ein Bild darüber zu machen, was

dmur kommt, wcnn wir abaelehnt haben,
wenn die Entente ichre Bilachtmiliel auwcndet und
dabei von tchrcn Völkern nicht gechindert wird. Die
übrigen Minister meinen, ihron endgültgen Enr-
schluh crft dcrnn fassen zu müssen, wcmn der unge-
hinderte feindliche Einmarsch wirklich evfolat. Evz-
Levgeo hat seinen Entschluh schon heuto gcfaht...
und wer bisher LeoLachten konnte, wie sich seine
Entjchbuhkraft durchsetzte, vermag schrver Lu Lezwei-'
fcln, dab or auch diesmal die schwankendcn Gcstal-
ten noch auf se-ine Seite ziechen wird. ErzLerger
ist, das saat ein Blick in die feindlich« Presse jedem
Tag, dbe Hoffnung des feindlichen iMslands — und
das Lesagt genug!

Das „Kabinett Lassirer"

2kus Berlin erhalten wir nachstechends Zu-
hchrift d'ie angesichts des Rücktritts des Ka-
Line'tts Scheidemann von Lösonderer Be-
deuftrng ist: .. ^ ,

Die Palitisch - parlamentarischon Nachrichten,
das von den MchrcheftssozicMten offtziös
beeinfluhte Berliner K orres'pcmdenMnt crnchmen.
haben dieser Tage angodcutet. dah die Borberei-
tungen dor llnabchängisen Sozialdemokraten zur
Bilduna einer nouen Regierung. l>>auvtsächlich ,.im
Salon-eines bekannten Berliner Ver-
legers" getvoffen würden. Man darf von die-
sem Salon einmal ausfülirlich sprechen. Es ist die
Heimlstätte des politischen KLubs. dep der Berliner
Kunstbäiidler und Literaturverleger Paul Las-
firer begründet chat. Man kennt die Entwicklung
des betriebaiuen Mannes. Aus eiuer vermöseu-
den Verliner Familie stuiuiueud. Mirde er in den
Neunziger Iahren der kaufmännische Manager der
sezesftonistischen Malerei. was iüm nnd den Künst-
lern schr gut bekoinmen ist. Bei Krüögscyusbvuch
meldete er sich als Kriegsfreiwilliger — nicht ge-
rade m den Schützenaraben. soudern als Mitglie^
des Kaiserlichen Automobilklubs. nich-t o5)Ne vor-
her die vaterländische Koujunktur für die Grün-
dung einer Luxuszeitchrift ben'utzt zu haiben. die
Liöbermlann nnd >cmdere fübrende moderne Mei-
ster in den Dienst der Kbiegsbegieisteruug stellte.
Paul Eassirers persönliche Kviegsbegeifterung lieh
etwas nach. als aus dem Kaiferlichen AutonnMl-
korps die kriegsvermendungsfächigen Mitglicder in
Jnfanteriouniform gesteckt wurden. Gute Bszieihun-
gen lösten ichn aber von diefem Schicksal bald ab
und sandten,ibn für Zrvecke der berüchtigte-n deut-
schsn Knlturpro.paganda in diie Schwsist. Als im
Sommer 1918 das deut'che Kriegsvlück im Westen
sich wendete. entdeckte Paul Eassirer.sein paziftsti-
sches Herz und der millionenreiche Ka-pitolist
wurds Sozllvlist. Er nachm Fühlung mit den Iln-
oMängigen Softaldemokraten. indem er Verlags-
vsrträgo init dersn Füchrern über ichre künftdgen
PuibaiLationen abschloh.

'Niechtzeitig siedelte er Ende Oktober 1918 wie-
der nach Berlin über und am 4. -jllovembor w-urve
in seinem Hause im Tiergartenoiertel ein politi-
schsr Kluh gegründet. der als AktionsLoinitee der
Revolution wirken sollte. Der Kiub setzte sich durch
weg aus unabchängi.gen Sszialdemv-
kraten zusammen. Dr. Vreidscheid. Heim-
rich Ströbel. Herr Simon und der Eheft
rodakteur d«r „F-reiheit,"'Dr. H i l fferdtn g, wa-
ren die führeüden Häüpter. zu denen.sich d-.mn von
don DeiimkMten Herr v. Gerla'ch gösallte. Eine
kleiiie EnttäuischiMlg erlebte der Klub. als es damn
a'm 9- NovsiNber nicht geldn'g. seme Mtglieder
in die Reichsrcgievtmg. sondern nur in dia preu-
hische Negierung chineinznbringen^ wa Hres
Bleibens auch nicht lange war. So wurde er all-
mählich Mm Klub der Mi h vergnügten
und zu Ostern 1919 war Herr Cnssirer nahe Dar-
an. das Unternechmen aufzulösen. weil er sich nichts
Positioes dwoon versprnch.

Seit einig-en Wochen hat sich die Hoffniung dsr
u-nakbhängigen Sozialdemokraten auf die ILeber-
nachme der Regftrnng wieder gehoben und Üer Klub
hat se-ine Mion in verstärktem Akas^- wieder cvuff-
ganoumren. Herr Castioer ist dazu geschriitten, für
dsn Klub einvs besondere Etage in der Belleviue-
stvahe zu mieten. die zurzcit auf das Luxuriöseffts
-eingerichtet wird und in doven Klubsesssln nun
Dsutschlands Zukunst endgültig m den Sattel ge-
setzt wevden soll. Auch zum Militär unterhält
man Deziechungen: der militärische Berater dcs
Klubs ist der Generalstabschauvtm'cmn Boelcke,
der Bruder des gefallenen KcMr-pffliegiers. Der
Klub hat offene Diskussi-onsabende. die vorzugs-
weiiffie von EntentejournaMsil besucht sind, di« sich
hi-er ülber die deutsche „Stiinmuns" orientieren,
und or hat gehöime Siüun-gen...

Das Bild dieser Klubsessel-So»zi!alisten. die sich
um e-inen der reichsten Berliner Kavitaftstien sHa-
ren. desssn Vermögen doch nach inarrWfchier Thdo-
rie rrichts anderes ist. als der .mnterschkagens
Mcchvwert" des Ertrages geisftger Arbeiier, mutz
setbsi für Arbeiterkreise etwas Grv-teskes haben.
Natursemäh haben auch die Leute. wie VreiLffchsid.
Ströbel u. a. m.. dio als Stevn cm Eaffirers Him-
mel erglänzen, bei den Arbeitermaffen nur gsvinge
Geltung. Mau weih dort ffshr genau. dah sie our
Soziiä'listen m'it Vügelfalten sind. Ideologen. Dis
Männer. die die Arbeiterschast in der Hand chaben,
sie sind selbst «us dem Arbeiterftande hervvrgeaan-
gen: Richard Müller, Däuni-ig und Gmil Bartch.
Sollte es wirklich einmal' zu einem Kabinett der
UncMLngigiM kommen, so ist es sÄhr wcchvschöin-
lich. dah Dasfirers Klub zunr zweiten Male
ein Klub der Mihvergnügten werden wird.

England wettet

Amsterdam» 19. Iuni. In englischen Konferenz-
kreisen wird 5:3 aewettet. dah Deutschland
den Friedensvertraa unterzeichnen
wird.

Eisenbahnerftreik

Weimar, 19. Zuni. Seit heute mittag strei-
ken die Cisenbahnarbeiter und ein Teit
der Angestellten als Protest gegen das Eingreifen
der Regierungstruppen in Erfurt.

Berlin. 20. Iuni. Wäbrend in Erfurt die
Wiederherstellung geregelter Verhältnisse nach dem
Emrückcn der Truvpen des Generals Märcker
glatt vor sich ging. traten in Jena, das
sich immer mehr zum Hauptsitz des Radikalismus
in Thüringen entwickelt. die Eisenbahner in den
Ausstand. Der Verkehr auf der Saalbahn,
d. h. der Verkebr Berlin-Müncheu über Probst-
zella ruht. Eme Abordnuna der Eisenbahner ver-
handelt in Weimar mit dem preuhischen Minlster-
präsidenten Hirsch und dem Eisenbahnminister
Oeser

Annehmen oder Ablel: un?

Von Rechtsanwalt V. Steiner*)

Die Frage scheint bereits endgiltig beant-
wortet zu sein. Jn tansenden von Versamm-
lungen haben hunderttausende deutscher Män-
ner und Frauen erklärt: Die Friedensbeding-
ungen find unannehmbar, unerfüllbar! Die
politischen Parteien sagen das Eleiche, die
einen bestimmter, die andern zagchafter, aber
scheinbar alle einig mit Ausnahme der Unab-
hängigen Sozialdemokraten. Und diese treten
für die Annahme auch nur ein, weil sie von der
Ablehnung keine besseren Bedingungen erhos-
fen, wohl aber von der Annahme die Beschleu-
nigung der Weltrevolution, die den ganzen
„imperialistischen" Vertrag hinfäqig machen
werde. Diese Begründung der Unabhängigen
erscheint mir genau so phantastisch, wie alle
bisherigen Hoffnungen auf Revolution in den
Ententeländern waren.

Ja, wenn dem Aufflackern des na-
tionalen Fühlens, das wir jetzt wieder
erleben, Kraft und Wille zum Durchhalten ent-
sprächen! Aber das Volk. das am 9. Novem-
ber 1918 zermürbt die Waffen wegwarf, is
feither nicht fester, nicht widerstandsfähiger,
nicht einiger geworden, sondern die Eegensätze
baben sich verschärft bis zum Viirgerkrieg, de.
Hunger hat uns weiter geschwächt, immer halt-
loser schwanken wir zwischen dumpfer Ver-
zmeiflung und hysterischer Ausgelassenheit hin
nnd her, unfähig oder unwillig zu zielbewuß-
ter Arbeit. Locker geworden sind die Bande,
die das Reich zusammenhalten; im besetzten
GeLiete durch kluge Wühlarbeit ünsere-
Feinde, im Innern infolge der Umschmeiche-
lung aller partikularistischen Instinkte durch
gewissenlose politische Führer.

Wie nun, wenn nach Ablehnung des Frie-
densvertrages die Feindtz die Hungerblockade
streng durchführen, unfere neutralen Nachbarn
an jeder Ausfuhr zu uns hindern, wenn sie das
Ruhrrevier besetzen und uns damit die Kohler
entziehen, ohne die kein Verkehr^ keine Eüter-
erzeugung möglich ist; wenn fie Süd-
deutschland besetzen, die wehrfähtgen
Männer zur Zwangsarbeit wegschleppen, die
nationalen Führer einkerkern oder in das un
besetzte Eebiet abschieben? Wenn sie dann den
besetzten Gebieten Freiheit, reichliche Verpfle-
gung, Rückgabe ihrer Eefangenen, leichte
Friedensbedingungen zusichern unter der einen
Voraussetzung, datz diese Eebiete sich
vom Reich lossagen, sich als selbständiye
Staaten unter politischer und wirtschaftlicher
Schutzherrschaft der Entente erklaren, wcrs
dann? Dann werden sich diese Eebiete vom
Reich loslösen, und werdeu sich unter das Ioch
beugen, froh, vom Druck der Besetzung und des
Huugers frei zu werden. Man halte mir nichr
die jetzige elementare Entrüstung entgegen.
Sic ist zweifellos echt, aLer sie mird uicht staud-
halteu, wenn eine geschickte Behandlung mit
der Peitsche und die Verlockung mit künftigem
Zuckerbrot ein paar Wochen oder höchstens Mo-
nate lang gewirkt hat. Darüber dürfen wir
vus nicht wieder Selbsttäuschungen hingeben.
Mir haben unsere frühere Illusionspolrtik
wahrlich zu teuer bezahlt, um jetzt roieder auf
Treibsand ein Haus bauen zu wollen.

Und wir wollen uns auch nicht einbilden,
wie es in industriellen Kreisen teilweise ge-
schieht, datz eine zeitweilige Zerreitzung der
Reichseinheit nicht so schlimm sei, wie die wirt-
schaftlicheu Folgen des Diktatfriedens, weil
uach der wirtschaftlichen Eesuuduug der aus-
einandergerissenen Reichsteile die Wiederver-
einigung von selbst kommen werde. Eenau
das EegenteU ist richtig: Die selbständigen
süd- und westdeutschen Staaten, die womöglich
im Zolloerband mit Frankreich stehen, jeden-
falls aber wirtschaftlich von den Ententevöl-
kern abhängig sein werden, werden je beffer es
ihnen geht, um so weniger wünschen, die Wie-
dervereinigung mit dem selbständig gebliebe-
nen Rumpfe des Reiches um den Preis ihrer
wirtschaftlichen Blüte zu erkaufen; zumal da
dieser Rumpf, abgeschnitten von den Erzeu-
gungsstätten der Steinkohle und des Eisens,
abgeschnitten von den Zentren unserer chemä-
schen Industrie, durchsetzt mit den schlimmsten
spartakistischen Infektionsherden (Berlin, Leip-
zig, Bremen, Vraunschmeig, Eotha) im wirt-
schaftlichen Wiederaufbau weit hinter den los-
gelösten Eebieten zurückbleiben, vielleicht auf
Iahre dcr Schauplatz bolschewisti-
fcher S e l b st z e r f l e i s ch ii n g sein wird.

Nein, nicht auf dem wirtschaftlichen Erstar-
ken losgelöster bisheriger Reichsteile kann ein
starkes Reich neu errichtet, kann das deutsche
Vott zu innerer Ordnung wieder emporgeführt
werden. Nach aller gcschichtlicht?r Erfahrung
sind nationale Einigkeit, staatliche Ordnung,
sittlicher Hochstand die Grundlagen, auf denen
erst der feste Bau cines reichen wirtschaftlichen
Lebens errichtet werden kann. Erst die Er-
neuerung Preutzens von 1813—15 und der Zu-
sammenschlutz der deutschen Staaten zum deut-
schen Reich haben den wirtschaftlichcn Aus-
schwung des deutschen Volkes ermöglicht. Und

Der Verfaffer ist früberes Zentralvorstands-
mitglied der nationalliberalen Partei. Wft ge-
ben seinen Ausfübrunaen Raum. obwohl wir an-
derer Meinung sind. doch balten wir es fiir ange-
Lracht. aucb andere Anschauunaen zu Wort kom-
men zu lassen.

uuser Zusammcnbruch al-- Sinat, als MuLt
hat dcn unsercr Volkswirtschaft hcrbcigefübr»
nicht dieser jencn. ^ ^

Darum dürfen nicht die wlrtfchas.
lichen Fragen über Annahme oder Ablek'
nung des Friedensangebotcs entscheii! /
s o n d c r n d i e n a t i o n a l e n. ^
fcn wir den Fricdcn n i ch t a b l c . ^ .. s'

hierdurch dieEesahr herausbcsch coi^n
datz Süd- und Wcstdcutschland sich'vom Neikbö
loslösen. Allerdings müssen wir vor dcm lln
terschreiben in feierlichsicr Meise Eiusvruch cr
heben gegen den Bruch des i.ns gcgcl'cnen
Versprechens, datz die 11 Punkte Wiisons Mm
und Grenze unserer Ersatzpslicht bildcn svll'm
müssen wir unzmeideutig erklärcn. datz wftH'
Erfüllung der Friedensbedinguiigcn sür n-,
inöglich halten.

Dann aber müffen wir mannhast trc-.-
g e n, was wir uns selbst aufgebürdci
haben, aufgebürdet durch Ueberschätzuno muic-
riellen Wohlergehens, durch schlechte politi-ft.
Führung. durch mangelndes Natioiialocsiil'
und vor allem durch den Naterlandsvcrro! rr!,
9. November. Und wenn es uns dann schft-,!
geht, wenn wir darben müssen, wie ncich dcm
30jährigen Krieg, wenn unsere Lebensjiihruno
dürftig, unsere Derdienstmöglichkeit gcrinq seiu
wird, wenn uns für jede Ueppigkeit die Mittci
fehlen werden, wenn jede Stunde der hartcn
Arbeit dienen mutz und wenn wir dann tu
Armut und Sorge Trost und Erbauung nicht
im Kino und Tanzsaal, sondern in der Bibel
und bei unseren grotzen Dichtern und Denkern
suchen werden, dann werden wir das Funda-
ment der Eottesfurcht, der Nächstenliebe und
der Pflichttreue schaffen, auf dem wir ein ge-
sünderes, besseres und stärkeres Deutschland
werden aufbauen können.

* Der Streik in Frankreich

flcmt cüb. Der Streik -der Bergarbeiter des Nordens
rst bereits beendet. Der Streik der Gruben dcs
Lorröbezirks und des Süidens bcrt nur in gerin -
gem llmfang eingosetzt. Es ifft ansunehmen,
datz die Dinge cvuch in diesen Gcbieten eine günstige
Wendung nehmen. Dex StreiL der Metallarbeiter
wird jcdenffalls bald ;u einem günstigen Abschlus
tommen. — Alles eiskalte Wasserfftrcchlen auf dte
Hoffnu>ugen der Weltreivolutionäre!

Eine slowakische Räterepublik

Bndapest, 18. Juni. (Wolff.) Das Korrespon-
depMro meldet aus Eoerjes: Hier wurde d!o
slowakrsche RäterepuLlik aiusgerufen.
Bei dem ungariffchen Rätekougreß traf eiTiL Regrü-
tzungsdeVe'che der nsue-n RäterepuLl k eln. Dte
heutige Sitzung des ungarischen Sowjetkongr''ffe-
wunde vom Präsidenten Bokany untex WrmMeni;
Veifall mit emer Begrützung der sloavakcschsn Räte-
repuAiE eröfffnet.

Falkenhayn und Hötzendors

Eeneval von Falkenhayn. der frühere deuftche
EeneralstcvLsckM. schreibt der B Z.: „Ich ver-
spüre keinerlei Neiguttg. am allerwenigstzen iir die-
fen schicksalsschweren Tagen. mich mit se'cheii
Männern in Halbmaske ausein'anderMetzen. die
mir aus deni Krieg nur zu gut Lekannt ffnd Viel
mehr ziehe ich es vor. der ernften Gesch'chtsfor-
schung die Entscheidung zu überlaffen. Die erfor-
derliche' llisterbage wird ffe überröich in deni G e-
neralstabsarchiv antreffen. und auch in mer-
ner M gelegener Zeit bekannt zu gebenden Be -
gründung. Den wichtigeren Cnllchlieffungen
der OLersten Heeresleitung in den ersten Leiden
Kriegsjahren werden ffe n'icht fchlen.

von Falkenhayn.

Deutsches Reich

Ein vereitelker Putsch in Weinmr

Weimar, 19: Iuni. Vor dem M/eimarc'r ScM,
in 'dem die Reichsregierunig unt' rgebracht wo'.den
ift, kam es gestern nacht gcgen 2 llhr ZU einem Nei-
nen Putsch. 200 Arrestanten des Militärge-
fängnisses. waren Msgcbrochen. und ein kler-
ner Trupp von etwa 50 Unter Führung e'm s Feld-
webels Schwarz begcrL sich sum Schkotz, eutwaffs-
nete dort die Wache sowie einige cmdere Posten
und verrffuchten einsudringen.. Durch d:e Ge'fft.sge.
geüwart cin^s Wachvostens wurdc'n sofort d:e -ro e
gcschlossen und Hilfe horLcigebolt. Von den Put-
fchisten wurde Leröits der grötzere Tell vc-iLafft t.
Die R'vHe ist völlig wiedcrhergestellt.

^ Deutschland und Zaprm. Vom 19. Iuni an >st
die Sperre üLöv Deutschland von javunrsäftr
Seite aufgchoben. Die javaui chc'n LchMc'
haLen die Berechtiguns, die deutschen Häsen aröii'

^ -i- Slngrisfe anf Kapitänleutnant Vtücke. Kapi-
täilleutnmrt Mllcke. dek 5>eld dcr A'ieb-a. Mb
am Mittwoch nachmittag bei eiiwni Dortraae-m
Schumanntheater oon nichocren Personen a n s
griffen, ffo dast er den Vortrag abbreckun mE-
Beim Verlaffen des Tbeaters wurde er erneui
gegrifffen uird stark misiLandelt. Er :nurdc ni
Pokfteipräsidium gobracht, wo er sich vorlausig
Schutzhaft befindet.__

* Der sünft.e Nachtrag zum StaatsvorttnschlaS
für 1918—19. In der Karlsniher Zeitumg lv'ft
amtlich Lekannt gegeben: Dem Vernehmea -
wird der fünfte Nacbtrag zum Staatsvoran M.as
für 1918—1910 geaen Ende sie'er Lllnchc dem -a ' / .
t'age vorgelegt wevden. lodast der Landtag ts
nem WiederMsMnmenlreten a.n die,es Ni--
in die Beratung darüber eintreten ta»,i. -
Nachtrag wird ziemlich nmfansreich sein v'w u^ '
auch die Ansorderungen sür d:e AusgleiupM
der Bcamtcn uud Lehrer und die Erhohuiiu
Teuerungsbezüge der Beamtc'ihinterbliebeiien
Nuhegehal 1 scmpfä11ger enthalten

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