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Hedicke, Robert; Floris, Cornelis
Cornelis Floris und die Florisdekoration: Studien zur niederländischen und deutschen Kunst im XVI. Jahrhundert (Band 1): Text — Berlin: Bard, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.52536#0234
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212 TYPENENTWICKLUNG DER ZEIT
Als Unikum sei das Außentabernakel von Sablon#Brüssel (modern erneut, vermutlich
nach dem alten Zustand von Anfang XVI.; Ansichtspostkarte) hier kurz genannt.1
Der arabesken Richtung gehört nach unserer Kenntnis nur das Tabernakel als Auf#
satz des Altars von Hal (Ys 2 R 1, vgl. oben) an. Ob St. Peter in Gent (von Francois
van de Velde aus Gent, Zeitgenosse des Jean de Heere2) arabesk oder spätgotisch ge#
wesen, bleibe ungewiß.
In die Renaissanceentwicklung greift Floris in ähnlicher Weise ein, wie Dubroeucq
in die Lettnerentwicklung, und schafft im ersten Werk das künftige Renaissancemuster,
im zweiten Werk einen zweiten neuen Typus in seinem strengen Dekorationsstil. Leau
(1550—52 Ys 2 Tab. 1, Erster Teil Kap. IV) führt den sechseckigen Turm mit Gehäusefuß
in Renaissanceformen über. Der Turm — gleichsam als Kern# und Mantelturm gebildet —
wird in strengem Stockwerks# und Ordnungsbau nach der spätgotischen, die Höhe
stark übertreibenden Tendenz zu sieben bzw. neun Stockwerken erhöht. Im Dekor tritt
das Fruchtschnurornament neben anderen Bildungen beherrschend hervor. Zwischen
1552 und 1555 ist die Wandlung in der Komposition vom Turm zur Fassade bei Floris
zu bemerken. Sie vollzieht sich diesmal also nicht beim Übergang von der Gotik zur
Renaissance, sondern innerhalb der Renaissance. Suerbempde (1555—57, Abb. Marchal
324, Phot. Comm. R. Echange, Erster Teil Kap. IV) ist zwar auch als Turm von einem
Gehäuse (hier Sockelordnung) getragen, aber nicht sechsseitig mit fünf Schauseiten,
sondern mit einer Schauseite gebildet. Der Grund liegt hier darin, daß ein Wandtaber#
nakel zu schaffen war. Das Resultat ist eine dreistöckige Fassade. Daß der Mittelstock
— unrenaissancemäßig — am breitesten und höchsten geworden ist, das bedingte die
gotische Typusgewohnheit, das Sakramentsgeschoß zu betonen. Alle späteren erhaltenen
Arbeiten lehnen sich an den Turm# oder Fassadentypus des Floris an. Zwei kleine
Tabernakel des Floris fürTongerloo (1554) und Audenarde (1569), die verloren sind,
seien hier übergangen. In Antwerpen soll 1566 beim Bildersturm ein Renaissance#
tabemakel (Turm auf einer Säule) zerstört worden sein (Erster Teil Kap. IV). Ebenso
ist das Löwener Werk von Ste. Gertrude3 verloren, das vermutlich Leau nahe verwandt,
vielleicht eine Nachahmung war. Braisne#le#Comte (1577, Ys 2 R10, Zweiter Teil Kap. I)
bildet den Turm über dem Altar nach Leau, Aelst (Ende XVI., Ys 3 Tab 2, Erster Teil
Kap. IV) seine Doppelfassade frei nach Suerbempde—Leau. St. Jakob in Gent (1595,
nach Schoy S. 100) ist mir unbekannt. Nieuport (um 1600, Ys 2 Tab 4) hat einen ein#
fachen Turm auf Sockel in spätem Florisdekor von geringer Hand, Dixmude (datiert
1614, nach Reiseskizze) eine Doppelfassade nach Motiven von Aelst und Braisne er#
halten.__
1 Vgl. im allgemeinen: Hertkens, die mittelalterl. Sakramentshäuschen, Frankfurt a. M. 1908.
2 Vaernewyk, Spiegel der nederl. oudheyden, Fol. 119v nach Notes de Pinchart, Bibi. Roy.
3 Von Lambrecht van den Lelieboeme von Löwen, Kontrakt von 1564, nach Even in Bull. C. R.
Art XIV 68.
 
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