Heidelberg.
Von E. Ehrmann.
Und kommt aus lindem Süden
Der Frühling übers Land,
So webt er dir aus Blüten
Ein schimmernd Brautgewand.
Auch dies Jahr schimmert es, unbekümmert um Krieges-
schrecken, die, meint man, das Blut der Erde versteiuen
müßten. Doch auch der starre Blick des Verwuudeten, worin
sich das Unheimliche noch spiegelt, lebt auf, wenn er vom
akademischen Krankenhaus nach der neuen Brücke geht und
sich ihm breit das Tal von Heidelberg auftut. Gleich einer
Treppe steigt von Süd das Gebirge über den Gaisberg
zum Königstuhl; nördlich wogen die braunen Kuppen der
Bergstraße in immer höheren Wellen zum Heiligenberg,
stehen in gleich gewogener Masse und ähnlicher Gestalt denen
des anderu Ufers gegenüber, und schwingen sich in wiegen-
den Bogen nach innen zum Fluß hinab, wo sie vorne das
helle Band der alten Brücke aneinander schließt, und weich
und dunkel hinten der wagerechte Bergwald. Zu breit für
den Boden der Ebene hat sich der feine weißgraue Blüten-
teppich die Halden hinan geschoben; im braunen Walde
darüber leuchtet gelb und grün das junge Laub bis hin,
wo aus dem Gipfel die Tannen sich in Glanz und Bläue
des Himmels zu lösen scheinen.
Jm Rebenhang unterm Bismarckturm hat die starke
Sonne dieses späten Frühlings die rundum blühenden
Kirschenzweige, die Büschelsträuße der Birnen zu gleicher
Zeit geweckt mit rosa Pfirsichen und weißen Apfelblüten.
Gelb glüht Löwenzahn in fahlem Wiesengrün; auf der war-
men Weinbergmauer steht die Eidechse und lauscht dem leisen
Singen der Lüfte. Doch uns ist, als fühlten wir wieder
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Von E. Ehrmann.
Und kommt aus lindem Süden
Der Frühling übers Land,
So webt er dir aus Blüten
Ein schimmernd Brautgewand.
Auch dies Jahr schimmert es, unbekümmert um Krieges-
schrecken, die, meint man, das Blut der Erde versteiuen
müßten. Doch auch der starre Blick des Verwuudeten, worin
sich das Unheimliche noch spiegelt, lebt auf, wenn er vom
akademischen Krankenhaus nach der neuen Brücke geht und
sich ihm breit das Tal von Heidelberg auftut. Gleich einer
Treppe steigt von Süd das Gebirge über den Gaisberg
zum Königstuhl; nördlich wogen die braunen Kuppen der
Bergstraße in immer höheren Wellen zum Heiligenberg,
stehen in gleich gewogener Masse und ähnlicher Gestalt denen
des anderu Ufers gegenüber, und schwingen sich in wiegen-
den Bogen nach innen zum Fluß hinab, wo sie vorne das
helle Band der alten Brücke aneinander schließt, und weich
und dunkel hinten der wagerechte Bergwald. Zu breit für
den Boden der Ebene hat sich der feine weißgraue Blüten-
teppich die Halden hinan geschoben; im braunen Walde
darüber leuchtet gelb und grün das junge Laub bis hin,
wo aus dem Gipfel die Tannen sich in Glanz und Bläue
des Himmels zu lösen scheinen.
Jm Rebenhang unterm Bismarckturm hat die starke
Sonne dieses späten Frühlings die rundum blühenden
Kirschenzweige, die Büschelsträuße der Birnen zu gleicher
Zeit geweckt mit rosa Pfirsichen und weißen Apfelblüten.
Gelb glüht Löwenzahn in fahlem Wiesengrün; auf der war-
men Weinbergmauer steht die Eidechse und lauscht dem leisen
Singen der Lüfte. Doch uns ist, als fühlten wir wieder
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