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Rotes Kreuz <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Soldatenbüchlein: als Weihnachtsgabe — 1917

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Oncken, Hermann: Heidelberg als Hauptquartier der Kaiser Franz und Alexander im Weltkrieg vor hundert Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.30742#0060
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Franz I. von Oesterreich und Alexander I. von Rußland, in
dem Hauptquartier ihrer sich langsam sammelnden Heere ein.

Niemals hat ein Heidelberger Frühling ein bunteres und
bewegteres Leben gesehen, als in jenen Tagen: hier schien
für einige Wochen der Mittelpunkt der europäischen Entschei-
dungen sich zusammenzuschließen. Die ganze Kriegsgeschichte
des napoleonischen Zeitalters versammelte sich in den engen
Gassen und auf den waldigen Hügeln der Neckarstadt. Um
den österreichischen Feldmarschall Schwarzenberg, den die
Menschen von damals als den Retter Europas priesen, grup-
pierten sich die Erzherzöge Karl, der Held von Aspern, und
Johann, der russische Feldmarschall Barclap de Tollp, der
Gegner Napoleons von 1812, und der russische Generalstabs-
chef Graf von Toll, neben dem bayerischen General Fürsten
Wrede, einem Sohne der Stadt Heidelberg, der namhafte
Kriegstheoretiker Jomini, die beiden Kronprinzen von Würt-
temberg und Bayern; unter den hunderten von glänzenden
Namen begegnet man einem — es ist der Oesterreicher Ra-
detzkp —, der noch nach fast einem halben Jahrhundert
zur Höhe seines Ruhmes aufsteigen sollte. Auch die führen-
den Politiker kamen gelegentlich herüber, der russische Kanzler
Graf Nesselrode, Fürst Metternich und Freiherr vom Stein,
die Lords Stewart und Cathcart — die Heidelberger konnten
häufig kaum so rasch an die Fenster und vor die Türen
springen, wie die Wachen heraus riefen und die prächtigen
Wagen durch die Straßen rasselten.

Vor allem aber waren es die beiden Monarchen selber,
die am 5. Juni unter Kanonendonner und Glockengeläut
ihren Einzug in die Stadt hielten und eine unendliche Be-
geisterung erweckten. Für den österreichischen Monarchen,
für Franz „den Vater", „den der Höchste zum Retter erkor",
wie Helmine von Chezp in wortreichen Oden sang, hatte
diese Hingebung einen besonders warmen Klang: er galt den
Pfälzern doch noch als der Kaiser. Mochte er im Jahre

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