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Rotes Kreuz <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Soldatenbüchlein: als Weihnachtsgabe — 1918

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Ehrmann, Eugen: Zur Erinnerung an unsern Großherzog Friedrich I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.30973#0068
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Doch ivenn er dann in stillen Stunden aus der Gegen-
ivart in seine Vergangenheit zurück dachte, wie groß ivar
auch der Wandel! Er, der 1849, auf der Lafette sitzend,
aus der Landeshauptstadr flüchten inußte, hätte jetzt, ivie
iveiland Graf Eberhard, sein Haupt jedem Untertan in den
Schoß legen können. Aus einem Bataillon und einer Schwa-
dron treuer Soldaten begann er damals ein kleines badisches
Heer neu zu bilden; jetzt besichtigte er alljährlich drei Armee-
korps des Reichsheeres, welches sein Land vor den Fran-
zosen bewahrte. Da er als Jüngling nach Schleswig-Hol-
stein zog, sah er im Hamburger Hafen deutsche Kriegsschiffe;
sie wurden ein paar Jahre später versteigert, weil der Ver-
such eines Deutschen Reiches mißlungen war. Als Greis
konnte er mit seiner Gemahlin eines der Großkampfschiffe,
die „Zähringen", segnend in ferne Weltmeere entsenden,
wo der neue Einheitstaat seinen Überseehandel schützte. Er
hatte miterlebt, wie aus dem Deutschland der Dichter und
Denker das der Volksvertreter und Heerführer wurde; nun
sah er, wie Großhandel und Großgewerbe mächtig aufwuchsen,
und wie gegen diese Beherrscher der Gesellschaft die Masse
der Lohnarbeiter einen erbitterten Kampf um den Besitz der
Staatsmacht begann. Nur Tatsachen, Nutzen, harter Wille
galten und suchten sich im Zusammenschluß von Käufern und
Verkäufern durchzusetzen. Aber vielleicht merkte der alte
Fürst, wie sich die Zeit noch einmal zu wandeln begann,
wenn er sah, daß das feine Hausgerät seiner Jugend, der
Biedermeierzeit, wieder neuzeitgemäß wurde. Die neue
Jugend wanderte singend abseits der eiligen Eisenschienenwege,
und hinter dem durch viel verzweigte Arbeitsteilung zerriffenen
Leben suchte sie den Sinn des Ganzen zu schauen und
auf etwas Höheres zu deuten, und nahm nicht mehr
äußere Bewegungsgesetze der Natur als Richtmaß für die
Seele an.

Jndem er so der alte blieb, lebte er im Neuen und

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