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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 51 - No. 76 (1. März - 30. März)
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Baker bei Trinkitat gegen El Teb vorrücken

Holle, beſteht aus 738 Huſaren, 126 berittene In-
H anteriſten, 126 Artilleriſten mit 6 ſiebenpfündigen,
10 Berg- und 4 Centim. Krupp-Kanonen, 62 Ma-
rine-Soldaten mit 2 neunpfündigen, 3 Gattling-
und 3 Gardiner-Kanonen, 2817 Mann Jnfanterie
. #"400 Ingenieuren und 200 Verſchiedenn -

_ zuſammen 4400 Mann und 206 Officieren. Außer-

dem gehen mit: 60g Kameele zum Transport, 550

Mauleſel und 100 Kameele für den Ambulanzdienst,

waährend die Kameelbatterie 80 Kameele und 100
_ Mann braucht. Der Feind wird auf 8000 bis
_ 9000 Mann bei El Teb und auf 4000 bis 5000

_ Mann bei Totar geſchätt.

Aus Nah und Lern.
* Karlsruhe, 3. März. Unser Großh. Hof



wird gegenwärtig von vielen Fürſtlichkeiten beſucht.
_ So weilt Großfürſt Michael von Rußland, der

Schwager unseres Großherzogs, welcher von Stutt-

gart kam und vom Großherzog und der Großher-
jzzogin auf's herzlichſte empfangen wurde, im Schloß,

auch wurde letzten Samſtag Prinz Victor Napoleon

_ VBongparte (Sohn von Jerome Napoleon), welcher
unter dem Namen Graf von Moncaliere gereiſt und
im Hotel „Germania“ abgestiegen war im Schloſſe
_ empfangen und zur Tafel gezogen.

§ Frankfurt, 3. März. Gegen den Kaufmann

Max Fulda, welcher vor einiger Zeit angeblich aus-

sftoubt und verwundet worden u eine
nterſuchung wegen Meineids und Betrugs einge-

: — leitet und sind bereits mehrere Zeugen in dieser
_ Sache vernommen worden.

* Koblenz, 3. März. Die Leiche des im Januar

vverſchwundenen Peolizeipräſidenten Geiger iſt am
_ Sanmtſtag bei Rheinbröhl im Rhein gefunden. Alle
_ VWerthſachen sind vorhanden. Es ſcheint ein Unglücks-
_ all vorzuliegen.

_ Köln, 27. Febr. Am Mittwoch waren es 100
_ Jahre, daß die furchtbarſte Ueberſchwemmung, welche
die Königin des Rheins je erlebt hat, ihren Anfang
_ nahm. Das Eis in Moſel und Rhein hatte sich

_ während des Winters, in welchem Froſt- und Tau-

+ perioden wechſelten, allmählich in furchtbarer Höhe

zuſammenſchoben. Am 27. Februar gerieth es vor

L Keaoln in Bewegung und begann mit der Zertrümme-
Hilce bo tie q tycsgi ‘tek 16.000
dVer größte Theil war obdachlos. Am 28. Februar
x«rreichte das Waſſer die ungeheure Höhe von 39
. Fuß 6 Zoll, 10 Fuß mehr als bei der Ueber-
_ chwemmung vom 29. November 1882. Menſchen-

leben gingen verhältnißmäßig wenig verloren, die

. meisten in Häuſern, welche zuſammenſstürzten, als
... bas Waßer fiel.

+ Aus Baden, 2. März. Der Strolch, welcher
vor einiger Zeit bei dem am Zeughausplatze in Mann-

_ heim wohnenden Metzggermeiſter Groß einen Einbruchs-
_ diebſtahl verübte und ſich bei seiner Verhaftung mittelst
_ ÿ#ines Meſſers zur Wehr sette, wurde von dem
_ Unnterſuchungsrichter als ein Deserteur erkannt, wes-

mit seinen Kugelakazien und ſchattigen Linden,
_ das hohe Giebelhaus, an dem der goldene Löwe
_ in erhabener Arbeit prunkte, waren ihr tet Zit i

ſo erfurchtgebietend erschienen wie heute.
betrachtete sie im Vorübergehen das saubere, neue
Eckhaus des Kaufmanns Schwarz mit den hellen
Fenſtern und den großen Spiegelſcheiben des

_ Schaufenſters, in dem feine und grobe Stoffe
HJierlich geordnet lagen, da war für allerlei Bedürf-
_ nisſſe geſorgt. Der junge Besitzer stand in der
_ Thüre, er grüßte erröthend, und die Kalkulatorin

mußte ſich sagen, daß er in der That ein hübſcher

+ Menſch sei und nicht umſonſt sein Freiwilligenjahr

bei einem vornehmen Kavallerieregiment abge-
dient habe. Er hatte ſich die Haltung der Offiziere

vortrefflich anzueignen gewußt. Am Ende paßte
_ Vitktorine doch beſſer in dieſes Haus, als in den

alterthümlichen Löwen!
_ Aber paßte Viktorine überhaupt hinter Laden-
tiſch oder Schenktiſch?
Dieſe Frage fiel der Mutter plöglich bleiſchwer
aufs Herz, und ſie legte den Reſt des Weges auf
: ihrs Füßen, und zwar auf sehr müden Füßen

Am nächsten Morgen geschah, was die Mutter
erwartet hatte: Wilhelm erſchien, angethan im
dbeſten ſcharzen Anzug und hielt bei den Eltern
feierlich um die Hand ihrer Tochter an. Die über-
glückliche Mutter wollte Viktorine herbeirufen, aber
der Vater verwehrte es. „Was ihr beide mit-
einander zu bereden habt, beredet man am beſten
ohne Zeugen !“ sagte er zu dem Bewerber. „Uns
biſt du willkommen. Gehe nun, sieh zu, welche
Antwort dir Viktorine gibt !“ Und als die Thüre

halb er geſtern der hiesigen Militärbehörde zur
Aburtheilung übergeben wurde. Der gefährliche
Bursche iſt aber heute Nacht aus dem Militärarest
in der Infanteriekaſerne entwichen, indem er eine
Mauer des Gefängniſſes mittelſt einer eiſernen
Stange, welche an der Bettſtatt befeſtigt war, durch-
brach. Bis jetzt iſt noch keine Spur von diesem
Gauner vorhanden. + Bei einem Faſtnachts-
spiel in Eigeltingen zersſprang ein im Verlauf
desselben abgefeuertes altes Doppelgewehr, desſen
Sprengſtücke dem Schützen das obere Gelenk
des linken Daumenfingers abrissen, so daß der ganze
Finger abgenommen werden mußte. + In Ducht-
lingen, A. Engen, hat sich die 50-jährige geiſtesge-
störte Wittwe H. G. erhängt. + Das Wohn- und
Oekonomiegebäude des Sternenwirths Theodor Iſele
in Brenden, A. Bonndorf, iſt abgebrannt. ~ Der
11-jährige Sohn des Bäckers Joſ. Meier jun. in
Renchen iſt am 28. v. M. auf eigenthümliche Weise
um's Leben gekommen. Er wollte sich, nachdem er
auf dem Heuboden zu arbeiten gehabt hatte, am
sogen. Scheuernſeil herablaſſen, blieb unten an der
Schleife des Seiles mit dem Kinn hängen und hat
sich nach Aussage des Arztes das Genick abgerissen.

Bermiſchtes.

- Ueber den Kind smö rder Karl Faul-
haber in Königheim bringt ,die Tauber“
folgende Einzelheiten F. iſt 41 Jahre alt, seines
Berufs Wagner und Landwirth. Derselbe war ein
braver arbeitſamer Mann; da befiel ihn vor einigen
Jahren eine Krankheit, die als Knochenfraß am
Rückenwirbel erkannt wurde, weßhalb er längere
Zeit im Spital Tauberbiſchofsheim und Julius-
spital Würzburg untergebracht war, an welch let-
terem Orte ihm Knochentheile herausgeſägt wurden.
Da die Krankheit des Mannes unheilbar ist, konnte
er seinen Geſchäften nicht mehr recht nachkommen,
sein Handwerk hatte er ſchon längst aufgegeben und
betrieb nur noch ſeine kleine Landwirthſchaft. Mit
seiner Frau stand er stets im beſten Einvernehmen,
war seinen Kindern ein ſorgſamer Vater. Er ſcheint
nun die fixe Idee gehabt zu haben, seine Familie
nicht mehr ernähren zu können. Gestern am Tage
vor dem Morde, wollte er sein 4jähriges Knäblein
würgen, wovon ihn seine Frau abhielt. Heute, am
Morgen, wollte die Kuh des Faulhaber nicht freſſen,
dies, die Aussicht auf möglichen Verluſt derſelben,
scheint ihn sehr aufgeregt zu haben. Sein 2!/, Jahre
altes Mädchen, das ſich bei ihm befand, wurde







zuerſt mit der Axt niedergehauen, dann hieb er ihm
den vollkommen zertrümmerten Kopf mit der Art
ab. Hierauf holte er aus dem Zimmer nebenan
sein ſechsjähriges Knäbchen, ſchlug mit 8 Beilhieben
| dem Kinde förmlich den Kopf in den Hals hinein,
dann hieb er ihm ebenfalls den Hals ab. Sein im
Nebenzimmer krankliegendes 12jähriges Töchterchen
hörte, was vorging und forderte das im Zimmer
noch anwesende Ajährige Knäblein auf, ſchnell fort-
ttt r guru

sich hinter Wilhelms Hünengeſtalt geſchloſſen hatte,
sagte er zu seiner Frau: „sie nimmt ihn nicht!“
„So glaubſt du, daß sie Guſtav Schwarz gut
iſt ?“
„Das weiß ich nicht, aber ich fürchte, den nimmt
sie auch nicht.“

„Aber wen in aller Welt ſoll sie denn nehmen !“

Der Vater zuckte die Achſeln und begann leise
zu pfeifen, wie ſeine Art war, wenn ſein Gemüth
etwas bedrückte, was er nicht aussprechen wollte.
Er sollte nur zu sehr Recht behalten: nach wenigen
Augenblicken hörten sie Wilhelm eilig das Haus
verlaſſen, und Viktorine erklärte den Eltern gelaſſen
und fest, daß sie durchaus nicht die Absicht habe,
Löwenwirthin zu werden, daß sie ſich aus Wilhelm
nichts mache und unter keinen Bedingungen ſeine
Frau werden könne. Das war eine ſehr entſchiedene
Sprache für ein ſo junges Mädchen, aber Viktorine
war von klein auf zu ſehr gewöhnt, ihren eignen
Weg zu gehen, um fich nicht auch in dieſer wichtig-
sten Angelegenheit ganz ſelbstſtändig zu entscheiden.
Daß sie der eiferſuchtsvollen Frage des abgewiesſenen
Bewerbers gegenüber : ob ſie wirklich Guſtav Schwarz
vorziehe? mit kaltem Tone erwiedert hatte! „Guſtav
möge sich ſeine Frau nur hinter einem Ladentisch
hervorholen, da er sich auch dahin zu ſtellen gedenke,“
hielt sie nicht für nöthig, den Eltern mitzutheilen.

Am nächſten Morgen gab der Hausknecht aus
dem Löwen einen Brief seiner Herrin an die Kal-
kulatorin ab. Er enthielt die Mittheilung, daß ihr
Sohn ſich entſchloſſen habe, eine Reiſe zu Ver-
wandten in der Schweiz zu machen, er werde noch
heute abreiſen und voraussichtlich lange fortbleiben.



Das Honorar für die letten Stunden war beige-





M &. ;;; §

sein Glück. Als der Mörder das zweitemal das
Zimmer betrat, offenbar um das dritte Kind zu
holen, fand er es tticht. während das kranke, jam-
mernde Mädchen ihn bat : „Vater schlage mich nicht
todt!“ Da er den Nachbar kommen hörte, ſcheint
er den Muth, auch das Mädchen hinzuſchlachten,
verloren zu haben. Er ging zur Hausthüre, ſah den
herbeikommenden Nachbar und entfloh. Dreiviertel-
stunden später hatte er ſich bereits weinend und
juste üs großh. Amtsgerichte Tauberbiſchofs-
eim geſtellt.

– Ueber einen Mord auf offener Straße, der
in dem nahe bei Wien gelegenen Hernals geschehen
iſt, wird aus Wien, 29. Februar geſchrieben: Im
Hauſe No. 105 der Stiftgaſſe in Hernals hat die
35-jährige Wäſcherin Marie Gregner eine aus
Zimmer und Cabinet bestehende Wohnung inne.
Dieſe Wohnung theilte die Frau mit ihrer 13-jäh-
§ ! Frs Nacis vat dau 74ztzr U1rss.
und der Wäſcherin beſtand ein Liebesverhältniß, das
aber in der letzten Zeit durch häufige Streitigkeiten
getrübt wurde, und die lärmenden Scenen und Auf-
tritte folgten sich in immer kürzeren Intervallen.
Pazderka iſt ein zu Gewaltthätigkeiten neigender
Menſch und die Wäſcherin zog ſich aus dieſem
Grunde so viel als möglich von ihm zurück. Geſtern
Abend, als Pazderka, der bei dem Drechslermeiſter
Stockner, Grillparzergaſſe No. 19, in Arbeit ſteht,
nach Hauſe kam, entſpann ſich ein lebhaft geführter
Wortwechſel zwiſchen den Beiden. Heute Morgen
um "/, 6 Uhr verließen Beide das Haus, die Wä-

. scherin, um sich nach Währing an die Arbeit zu be-

geben, der Drechsler, um seine Werkstätte aufzu-
ſuchen. Es war etwa halb 6 Uhr Morgens, als
der in der Mariengaſſe No. 8 wohnhafte Schuh-
machermeiſter Swoboda von der Straße her laute
Hilferufe vernahm; er eilte hinaus und fand an
der Ecke der Marien- und Roſenſteingasse eine mit
Blut überſtrömte Frau auf dem Boden liegen, in-
deß ein Mann sich im ſchnellſten Laufe in der
Richtung gegen die Dornbacher Felder entfernte. Die
Frau war bewußtlos, lebte aber noch. Sie wurde
in die Wachtſtube Roſenſteingaſſe No. 22 gebracht,
wo ihr Dr. Gluckſam die erste ärztliche Hilfe zu
Theil werden ließ. Die Frau kam für kurze Zeit
zu ſich, und als man sie fragte, wer ſie verwundet
habe, sagte sie: „der Johann“. Nach diesen Worten
ſtarb sie. Man wußte anfangs nicht, wer die Ver-
wundete war und ſchickte in alle Nachbarhäuſer
fragen, ob man nicht vielleicht die Unbekannte agnos-
ciren könne. Da kam die dreizehnjährige Tochter
der Wäſcherin herbei und dieſe erkannte in der
Todten ihre Mutter; der Thäter hatte ihr die Ver-
leßungen mit einem ſcharfgeſchliffenen Stemmeiſen
beigebracht. Pazderka hatte ſich unmittelbar nach

Verübung der That in die Werkſtätte begeben, ſich

dort etwas zu ſchaffen gemacht und sich dann mit

den Worten entfernt: Mich ſeht Ihr nicht mhrn.

Die ärztliche Untersuchung ergab, daß Marie Gregner
fünf Stichwunden hatte, und zwar zwei in der

Ä
fügt. Wenige Tage später schrieb der junge Kauf-
mann Schwarz seine Stunden ab, auch grüßte er
die Familie bei zufälligen Begegnungen jnicht mehr
so freundlich und sein Weg ſchien nicht mehr ſo
oft am Hauſe des Kalkulators vorüberzuführen.
Einige Wochen später war er mit der kleinen,
munteren Tochter des Ober-Steuer-Kontrolleurs
verlobt und führte seine Braut nach der für das
Städtlein empörend kurzen Brautzeit von drei Mo-
naten auch richtig heim.

Die Hochzeit war eine glänzende und was die
Stadt irgend von Honoratioren und guten Bürger-
familien aufzuweisen hatte, war geladen. Zierliche
Einladungskarten waren natürlich auch bei dem
Kalkulator abgegeben worden, aber es konnte kein
Gebrauch davon gemacht werden. Die glänzendste
Hochzeit der Stadt mußte ohne das ſchönſte Mädcha
derselben gefeiert werden, denn es war ſchwere
Sorge über die bisher ſo glückliche Kalkulator-
familie gekommen. Die flinke, heitere Mutter lag
krank, und Viktorine und der Vater saßen in bangen
Nächten kummervoll am Krankenbett, und sie zählte
die ſtockenden Pulsſchläge der Schwerathmenden,
während die Töne der Violinen und der lustige
Takt des Rheinländers aus dem unfernen Braut-
hauſe durch die geöffneten Fenster drangen.

Die Kranke siechte lange dahin, es war ein un-
definierbares Leiden, das sich mit keinem beftimm-
ten Namen benennen ließ und, wie der Arzt kopf-
schtittelnd meinte, gar keine eigentliche Krankheit
war.

(Fortsetzung folgt.)












 
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