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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 256 - No. 281 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#1132
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! hem, angeblich aus Eiferſucht, seiner Frau mittelſt

eines großen Messers einen tiefen Stich in den Hals.
Seine 14jährige Tochter, welche Zeugin dieses
î grausigen Aktes war, stürzte sich dazwiſchen und ent-
wand ihrem Vater das Meſſer. Der einem wüthen-
_ den Thiere gleichende Sponagel entriß jedoch ſeinem
Kind wieder das Mesſer mit solcher Gewalt, daß
er ihm zwei Finger vollständig abſchnitt und ver-
fette seiner ohnedies ſchon zum Tode verletten Frau
noch zwei weitere Stiche in die Bruſt, welche deren
ofortigen Tod bedingten. Nach dieser grausigen
_ That begab ſich der Gattenmörder in eine Wirth-
î chaft, trank ein Viertel Wein und trat dann den
Weg hierher an, um ſich freiwillig der Gendarmerie
zu ſtellen. Gestern Abend noch legte er vor dem
Herrn Unterſuchungsrichter, welcher aus Mannheim
wt. gust
t s „D.. ;

! Feuern rs dem Amtsbezirke. In Schlutten-
bach iſt das erſt vor sechs Jahren erbaute Haus
des Maurers Ferdinand Geiger gänzlich niederge-
brannt. Wenige Tage vorher will der Betroffene
_ Abends einen unbekannten Mann geseven haben, der
das JInnere ſseiner Scheuer auskundſchaftete und
rchleunigſt verſchwand, als er Geräuſch vernahm.
_ Der Betroffene in Schluttenbach iſt versichert, die
Leute in Bruchhauſen dagegen nicht.

_ * Ettlingen, 21. Nov. Gegen die Brandſtifter,
die in letter Zeit hier ihr Unwesen getrieben haben,
wird auch die thätige Mitwirkung des Publikums
gefordert; der Gemeinderath hat in der heutigen
Nummer des Amitsblattes eine Belohnung auf die
NÖ. CSE SEN EL
H tädtiſchen Waſſerleitung, ein in jeder Beziehung
wiaohlgelungener Bau, iſt mit seinen hübſch ausge-
führten Teraſſen am heutigen Tage vollſtändig fertig
geſtellt und damit unsere städtische Waſſerleitung in
der Ausdehnung, wie sie urſprünglich projektirt war,
ganz durchgeführt. Warmen Dant ſchuldet die Stadt
_ dem Schöpfer dieſes meiſterhaften Werkes, das der
_ Stadt zur Zierde und zum Segen gereichen wird.
Sobald günstige Witterung eintritt, wird gemäß dem
Beſchluß des Bürgerausſchuſses die Arbeit der Röhren-
legung auch in der Württemberger Vorstadt und in
_ der Rheinſtraße beginnen.

: * Neunkirchen, 19. Nov. Die hiesige, seit einem
Jahr unbeſett gewesene Pfarrstelle wird seit Montag
_ wieder durch Herrn Pfarrverwalter Friedr. Her-
_ mann verwaltet. Am gleichen Tage iſt der Unter-
lehrer Kern als Schulverwalter nach Hohenſtadt
HH bergesiedelt und dem Unterlehrer Perino der hiesige
_ Schuldienſt übertragen worden. Herr Kern hat ſich





_ wiähtrend seinem 2!,„jährigen Aufenthalte dahier viele
î Freunde erworben, welche dem Scheidenden ein gutes
_ Andenken bewahren werden.

_ * Von der Tauber, 20. Nov. Vor einigen
_ Tagen wurde in Weikersheim in einer Nacht in
drei Geſchäftshäuſern eingebrochen. Da die be-
_ treffenden Geſchäftsleute ihr Geld gut verwahrt
_ Hatten und der Dieb es wahrscheinlich auf die



_ Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, ganz ruhig und
ernſt und sah ihn mit ſcheirbarer Verwunderung an.
_ „Ah, um Verzeihung, wenn ich bei Ihnen, mein
_ Fräulein, vorausſettte, daß Sie sich meiner erinnern
würden. Anders iſt es mit mir ~ Kurt von Eß-
_ lingen hat die kleine Schwarz-Else nicht vergessen.“
_ Sie zuckte einen Moment zuſammen und ihre
_ Wangen verdunkelten sich. Eine flüchtige Wolke
_ beſschattete ihre hohe Stirn, aber dann sah sie den
_ Baron wieder mit einem gleichgültigen Ausdruck an.
_ Hôy,)iy-ch habe Sie gleichfalls nicht vergeſſen, Herr
_ HVaron und erkannte Sie ſogleich wieder“, antwortete
ie ruhig. „Kinder haben für manche Dinge ein
î gutes Gedächtniß.“

Sie machte eine graziöſe Verbeugung und wandte

ich zum Gehen. Kurt biß sich auf die Unterlippe,
ss fler t zr nicht gesonnen, sie so leichten Kaufes
_ freizugeben.

. beta gn V U rute . i . I
_ „warum wollen Sie nicht einige Minuten mit mir
_ von einer Zeit ſprechen, als wir noch sieben Jahre
jünger waren? Ich habe Sie ſogleich wiedererkannt.
Wiſſen Sie, woran ?“

_ Ihr gutes Herz gewann ſchon wieder die Ober-
hey; In dem Ton ſeiner klaren Stimme hatte ein
Vorwurf gelegen.

. Run? fragte fie.




_ „An Jhren Augen, sonst erinnerte nichts mehr
an Ut. t!;ſts Fry. Sie sind groß geworden.“
/ ' cugs s glaube es! Sieben Jahre ist eine lange
' Sie waren nicht immer hier ?“



f



Ladenkasse abgesehn hatte, mußte derselbe unver- t
tigte Ga: wieder abziehen. Untersuchung itt |

* Aus Baden, 22. Nov. Zwei Knaben geriethen
in Schwetzingen in Streit, wobei der jüngere
durch Hinfallen eine Verlegung des Rückgrates er-
litt, welcher derselbe noch’ am gleichen Abend erlag.
~ Am 20. d. M. brannte in Untermutſſchel bach,
A. Durlach, die Scheuer des Landwirths Meier
nieder. . Der Besitzer iſt nicht verſichert. Man ver-
muthet Brandstiftung. ~ J. K. H. die Großherzogin
hat der Haushaltungsſchule für Bauerntöchter in
Neckarbiſchofsheim, die im Jnduſtriesaal noch
fehlende vierte Nähmaſchine geſpendet. – In ver-
schiedenen Orten des Bezirks Schopfheim herrſcht
fühlbarer Wassermangel, hauptſächlich in den Orten
auf dem Dinkelberge. In Nordſchwaben z. B. muß
das Wasser von auswärts zugeführt werden. Auch
in der Stadt Schopfheim ſelbſt verabfolgt die städtische
Waſsſerleitung nur zu einigen bestimmten Stunden
Wasser, und sollen bei zunehmendem Mangel die-
Ur Gurt Huh S s
Bierbrauer, überhaupt kein Waſſer mehr aus der
ſtädtiſchen Leitung bekommen. + Graf Douglas hat
der Gemeinde Mönchhof , A. Stockach, in seinem
Schloſſe die nöthigen Räumlichkeiten zur Schule
und Lehrerwohnung, ebenſo einen Garten für den
Lehrer und die Räumlichkeiten sür's Rathhaus ſo
gut wie umſonst (20 Mark jährlich Miethzins) zur

erfügung gestellt. : In Reich en bach bei Lahr
feierte am Sonntag Hauptlehrer Hertwek sein 50-
jähriges Dienstjubiläum. ~ Die Kohlenbrennerei im
Amt Wolfach, welchefür die dortige Gegend frühez
eine einträgliche Nahrungsquelle war, kam in letter
Zeit in's Absterben. Seit Eröffnung der Gotthard-
bahn sind die Kohlen jedoch wieder begehrter und
dringt neues Leben in dieſen Zweig. Die Italiener
bedürfen der Holzkohlen für ihre kleinen Oefen. Die
Fracht bis Mailand wird sich für die Wagenladung
auf 200 Mark berechnen und dennoch werden die
Kohlen dort für billig befunden. – Am Sonntag

fand in Wyhlen, A. Lörrach, die Uebergabe der

neuen Waſſerleitung ſtatt. Der Tag wurde feierlich
begangen. – In Altbreisach ſoll ein Viehver-
ſicherungsverein in's Leben trteen. [

Bermiſchtes.
~ [Achtung vor d em „Neuen.“] Man
schreibt aus Nieder-Emmel: Der Sohn eines hie-
sigen Winzers ging vorgestern Mittag in den Keller,
um eine Flaſche Wein zu holen. Da er lange
ausblieb, ſah der Vater nach ihm, kam aber auch
nicht wieder. Die Hausfrau und ein Fremder
gingen hierauf in den Keller. Die Frau fiel ſo-
gleich ohnmächtig nieder, der Fremde taumelte noch
heraus und rief um Hilfe. Einige Nachbarn ge-
lang es mit vieler Müje, die Betäubten aus dem
Keller herauszubringen. Die beiden waren wie tot,
erſt nach längerem Aufenthalt in der friſchen Luft

kamen sie wieder zum Bewußtsein.

ETW



„Nein, mein Vater hatte mich nach Halle ge-
bracht..

t ein Pensionat?)

„Nein, in eine sehr liebenswürdige Familie. Ich
war bei dem Geheimrath Zander.“

„Ah ! Fräulein Wanda hat einen Bekannten von
mir geheirathet und Fräulein Eliſe einen bejahrten
Obersſtlieutenant. Sie waren lange dort ?“

„Sechs Jahre.“ :

Sie plauderten unbefangen weiter. Die beider-
seitinen Beziehungen zu der Familie Zander hatten
gemeinſame Erinnerungen geweckt. Elſe hatte ganz
vergeſſen, daß sie sich vorgenommen, nicht ein Wort
mit dieſem abscheulichen Menſchen zu ſprechen. Er
begleitete sie bis an die Brücke, wo er sich von ihr
verabſchiedete, indem er die Hoffnung ausſprach, ſie
bald wiederzuſehen. :

Als Else das Wohnzimmer betrat, fand sie den
Vater ihrer wartend; neben ihm ſaß Herr Nor-
mann. Bei seinem Anblick stieg dem jungen Mäd-
chen das Blut siedend heiß in das Gesicht. Sie
erinnerte sich des Briefes, ihrer Vorſäte. Wenn
der Verwalter sie mit dem Baron gesehen hätter

Else war an dieſem Abend ſeltsam zerstreut, ſie
gab nur kurze Antwort und ſchützte Müdigkeit vor,
um ſich frühzeitig zur Ruhe zu begeben. Aber sie
vermochte nicht zu ſchlafen. Nachdem sie eine Weile
wachend dagelegen, stand sie wieder auf und kleidete
sich an. Sie hoffte, ſo eher müde zu werden.

Sie war unzufrieden mit ſich ſelbſt. Sie war
ja auch eine Müllerstochter, und was der vornehme
Herr, mit dem sie heute ſo unbefangen geplaudert,
von ihr dachte und wozu er ſie gut hielt, wußte sie

ganz genau. Warum hatte sie ihn nicht kalt zurück-



gewiesen? Weshalb ſagte sie ihm nicht geradezu,

| um sich aus der Mühle Etwas für den Mittag zu






















. Lokales.
* Heidelberg, 24. Nov. (Weihnachten.) Die heran-
nahende Weihnachtszeit gibt unserer rührigen GeſchäftsÄ
welt alljährlich das Signal, mit beſonderem Auf. ebote
von Geſchmack und Eifer (zur Ehre fes sragts ihre
Waarenvorräthe zu prächtigen Ausſtellungen in den Laden
lokalen und sonstigen Räumlichkeiten, namentlich aber in
den Schaufenstern auszustellen und nicht selten aufzu-
stapeln. Es beginnt ein förmliches Wetteifern, das kauf}
luſtige Publikum, nachdem es mit der ſorgfältigen Sich
tung geäußerter Wünſche oder beabsichtigter Schenkungen
vermuthlich zum Abschluß gekommen und unter den tau-
sendfältig gebotenen Artikeln eine Wahl getroffen, zu ſich
heranzuziehen und mit dem Gewünſchlen zu versehen. Hell-
glänzend laden jetzt schon die prächtigen Schaufenſter all-
abendlich zur Besichtigung der hinter den großen Spiegel-
scheiben feinſäuberlich ausgebreiteten Schätze ein und gar
verlockend lugen hier alle nur denkbaren Sachen un
Sächelchen aus dem wesigen Allerlei hervor. Wohl kein
Verlangen braucht daher ungesſtillt zu bleiben, mag der
Wunſchzettel auch mit noch so großen ~ wir möchten fa
sagen —~ Raffinement zuſammengeſtellt sein; Niemand hat
hier nöthig, sein Augenmerk nach außerhalb zu richten,
mag er seine Anforderungen noch so hoch ſpannen. Unsere
Kauf- und Handwerksleute, welche Läden beſitzen ſind ent-
ſchieden nicht zurückgeblieben hinter ihren großſtädtiſchen
Concurrenten, nein sie haben sich redlich und eifrigſt be-
müht, allen Anforderungen der Neuzeit zu entsprechen, sei
es in der entſprechenden Aussſtaitung ihrer Verkaufslokale
oder sei es, und das iſt für den Conſumenten wohl das
Wichtigere, in dem Aufgebote moderner, preiswürdiger
und gediegener Waaren. Dies anzuerkennen durch fleißige
Benützung der einheimischen Quellen, durch möglichſt
ausschließliche Berückſichtigung der hiesigen Geschäftswelt,
sollte Pflicht des kaufenden Publikums und daran zu er-
innern, Zweck dieser Keilen sein. Wer jetzt schon ſich die
Mühe nimmt Abends die Ausstellungen zu besichtigen,
wird ſich leicht zum Kaufen beſtimmen lassen, denn er iſt
mit uns überzeugt, daß er Alles dort findet, was sein
deu u rs "s- Nov. (Schnee und Kälte.) Die
Temperatur isſt ſo raſch geſunken, daß das Thermometer
heute früh 6 Uhr 4 Grad Kälte zeigt. – Wir versäumen
nicht bei dieſer Gelegenheit daran zu erinnern, daß man
der hungernden Vögel, welche bald der bitterſten Noth
preisgegeben sind, gedenken möge. :
© Heidelberg, 24. Nov. (Referat des Hrn. Land-
tagsabgeordneten Krausmann.) Eine Einladung des einen :
der hieſigen Abgeordneten, Herrn Altoberbürgermeiſter K.
rief die Wähler nnd Freunde desſelben auf Freitag, den
21. Nov., Abends 8 Uhr in den Gartensaal der Harmonie
um einen Bericht über den letzten Landtag entgegen zu
nehmen. Dieser Einladung war eine gleiche vom national-
liberalen Ausſchuß beigefügt. Die Verſammlung war
ziemlich zahlreich beſucht. Der Herr Berichterstatter ent-
ledigte sich seiner Aufgabe in klarer und eingehender Weise
und bot den Anwesenden durch sein reichliches Material
über die Staatsfinanzverwaltung manches Interessante,
wofür er am Schlusse seines Vortrags auch verdienten
Beifall fand. Wenn man aber die Verſammlung über-
blickte, ſo mußte man die Wahrnehmung machen, daß ge-
rade von denjenigen Herren, welche sich dafür ausgeben,
das parlamentariſche Intereſſe hochzuhalten nur ganz
Wenige zu sehen waren, freilich handelte es sich bei dieſer
Gelegenheit nicht um politiſche Kämpfe, sondern um rein
materielle oder finanzielle Fragen, um welche diese Herren
sich wenig zu kümmern scheinen. Uns scheint es, die Ver-
sammlung wäre zahlreicher gewesen, wenn es bei der Ein-
ladung des Herrn Krausmann allein geblieben wäre. Hat
aber der nationalliberale Ausschuß einmal eingeladen, so
hâtten dessen Mitglieder, wenigstens der größere Theil des-
elben nicht durch Abwesenheit glänzen sollen. ;
+ Heidelberg, 24. Nov. (Alt- und Neustadt.) Auf
dem Gedenkstein des verſtorbenen Stadtdirektors v. Fiſhe.
auf den Anlagen heißt es, daß er durch seine Sinnigket.
und Beharrlichkeit diese herrliche Anlage geſchaffen habe.



daß sie ihn nicht wiederzuſehen wünſche ?

Else stand am Fenster und schaute in das vorüber-
flicßende Waser, in deſſen Wellen sich das Licht des
Vollmondes brach und dann endlich fühlte sie ſich
von dem murmelnden Geplätſcher eingeschläfert.
Eine halbe Stunde später verkündeten leise, regel-
mäßige Athemzüge, daß sie fest eingeschlafen war
und fe erwachte erſt, als das Sonnenlicht bereits
durch die dunklen Vorhänge brach. i

Am folgenden Tage, gegen Abend, begann es zu
regnen und regnete, faſt ohne Unterbrechung, vier-
zehn Tage lang. Während dieser Zeit hatte Elſe
die Mühle nicht verlaſſen, dafür aber eifrig den im
Sommer vernachläsſſigten Studien obgelegen. Sie
freute sich beinahe, daß das Wetter sie an Aus
gehen hinderte. .

So war es November geworden und sie hate



noch mit keinem Schritt die Mühle wieder verlaſne.

seit ihrer Begegnung mit dem Baron. Nicht ein- .
mal im Dorfe war sie geweſen. Dem Müller ve
es angenehmer, sein Kind in der Freiheit umher..
streifen zu sehen, als es im Hauſe bei angeſtrenger
Arbeit zu wiſſen. Aber sie wollte es nicht anderes..
Ihm war es sogar, als ob die Thätigkeit nicht be-
sonders günstig auf Elſe's Stimmung wirke, denn
seit einiger Zeit sah er sie im Gegensaß zu früher
bisweilen ernst und nachdenklich. .
Es war Sonntagmorgen. Else hatte eigentlenz
mit dem Vater in die Kirche gewollt. Es warn
aber noch einige Kinder aus dem Dorfe gekommen,

holen. .
(Fortseßung folgt.)
 
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