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Heidelberger Volksblatt (69) — 1934 (Nr. 1-76)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 13. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43180#0010
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Neues aus alterWe^

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wurde der Reichswehroffizier v. Winkler,
der über di^ Weihnachtsfeiertag« zu Besuch bei
seinen Eltern weilte, von der polnischen Poli-
zei verhaftet.
Nach einer Notiz in einem unbedeutenden
Tarnowitzer Blatt sei als Grund der Verhaf-
tung Spionage anzusehen.

DopprlnM- am Heiligen Abend
Mutter und Tante erdrosselt «nd beraubt

Englisches MrkthrsslUMUg
verunglülkt
Zehn Todesopfer.
Brüssel, 30. Dez. Ein schweres Flugzeug-
unglück ereignete sich heute mittag auf der Flug-
strecke Köln—Brüssel—London. Ein Verkehrs-
flugzeug der englischen Imperial Airways stieß
bei Ruysselede in der Nähe von Brügge
gegen einen Antennenmast und geriet in
Brand,
Zehn Insassen, acht Passagiere und zwei
Mann der Besatzung sind verbrannt.
Das Flugzeug, das heut« mittag von Köln
nach London aufgestiegen war, hatte nach einer
Zwischenlandung den Brüsseler Flughafen um
12.30 Uhr verlassen. Bei seinem Weiterflug
stieß es gegen einen der Türme der Funkstation
Ruysselede in der Nähe von Brügge, die haupt-
sächlich den Dienst Belgien—Kongo versieht.
Der Zusammenprall war so stark, daß das Flug-
zeug brennendzurErde stürzte. Sämt-
liche acht Passagiere sowie der Flugzeugführer
Jttens und der Bordfunker Lack konnten nur
als verkohlte Leichen geborgen werden.
Der Turm der Runofunkstation, der 285
Meter hoch ist, war erleuchtet. Aber man
nimmt an, daß der Nebel so dick war, daß
der Flugzeugführer den Turm erst im Augen-
blick des Zusammenstoßes sah. Augenzeugen eil-
ten sofort an die Unglücksstelle, um den Passa-
gieren zu Hilfe zu kommen. Aber das Flugzeug
bildete eine Riesenfackel, wodurch die Bemüh-
ungen der Retter vergeblich gemacht wurden.
Dir verunglückten Passagiere des Flugzeuges
sämtlich Ausländer.
Köln, 30. Dez. Unter den bei Brügge ver-
unglückten Fluggästen befinden sich keine Deut-
sche. Nach den bisherigen Feststellungen sind hier
in Köln «in Fräulein Dismont und ein Mister
Doung, beide Engländer, sowie ein Herr Mes,
der Skandinavier ist, in das Flugzeug eingen-
stiegen. Von den in Brüssel eingestisgenen fünf
Paflagieren waren drei Engländer und einer
Pole.
Ein deutscher Staatsangehöriger hatte das
verunglückte Flugzeug in Köln bestiegen, aber
sein« Reise bereits in Brüssel wieder beendet.

Katastrophales urteil
über die französischen Staatsbahnen

Signalanlagen aus -em Jahre 1842!
Paris, 2. Jan. Der Generaldirektor der fran-
zösischen Staatsbahnen, Drautry, gab im
Hinblick auf das schwere Unglück bei Lagny einem
Vertreter des „Matin" eine längere Erklärung,
die ein eigentümliches Licht auf das französische
Eisenbahnwesen wirft. Dautry erklärte, man ser
in Frankreich sehr konservativ und hab« selten
den Mut, Bestehendes abzuschaffen, selbst wenn
man an dessen Stelle Neueres und Besseres setzen
könne. Die französische Eigenart sei, zu behal-
ten, was man'habe, man vervollständige es zwar,
ersetze es aber nicht. Die Oe-fsentlichkeit verstehe
sicherlich, daß die Eisenbahnen weit entfernt
leien über die Mittel zu verfügen, die den Be-
dürfnissen eines modernen Staates entsprächen.
Besonders arbeite die Staatsbahn heute
noch mit einem Signalsystem, das schon zu
Beginn der Eisenbahn bestanden habe.
Dieses System habe man zwar modernisiert,
ohne aber die Sicherheit zu errei-
chen, die man von einem modernen Verkehrs-
unternehmen erwarten müsse. Von den etwas
über 9000 Kilometer, die das Verkehrsnetz der
Staatsbahn umfasse, seien bis auf den heutigen
Ta g nur 120Kilometermitautoma-
tischen Lichtsignalen ausgerüstet.
Dagegen beständen bei 1900 Kilometer noch
die Handsignalanlagen aus den Jahren
1880 bis 1900. 7000 Kilometer seien gar

mit Anlagen aus dem Jahre 1842 ausge-
rüstet!
Es gebe ferner ein sogenanntes Blocklicht-
system und die telegraphische Verbindung sei
mehr als mangelhaft. Die Frage der Stahl-
wagen sei ebenfalls noch nicht gelöst. Die
Staatsbahn verfüge über 700 Stahlwagen, da
aber zur Durchführung des Schnellzugverkehrs
1726 Wagen notwendig seien, sei man gezwun-
gen, 1000 Holzwagen zu fahren.
Man brauche von den Steuerzahlern keine
ungewöhnlichen Opfer verlangen. Von den
45 000 Kilometern des französischen Eisenbahn-
netzes könnten sofort 15 000 stilleglegt werden,
da es sich um Nebenlinien handle, die heute
durch den Automobilverkehr bedient würden.
Die vestlicken 30 000 Kilometer müßten dann
aber mit den modernsten Mitteln ausgerüstet
werden.
Verbesserung des Signalisierungssystems der
französischen Eisenbahnen.
Paris, 2. Jan. Der Minister für öffentliche
Arbeiten, Pagangn, hat mit den Direktoren
der verschiedenen französischen Eisenbahngesell-
schaften über die Eisenbahnkatastrophe von
Lagny verhandelt und von ihnen Vorschläge
zur Verbesserung des Signalisierungssystems auf
allen französischen Eisenbahnstvecken angefor-
dert.

Ein Todesurteil
Sühne für die Ermordung
des Polizeimeisters Perske
Hamburg, 1. Jan. Das hanseatisch« Sonder-
gericht fällte das Urteil gegen die kommunisti-
schen Mörder des Polizeimeisters Perske. Der
Haupttäter Lindau wurde wegen Mordes
zumTode und zu dauerndem Ehrverlust ver-
urteilt.
Di« Angeklagten Malachowski und W i r-
zer erhielten wegen Verabredung zum Mord
je vier Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehr-
verlust.

Dauerflug Mm Amerikanerinnen
von fast 238 Stunden
Miami (Florida), 1. Jan. Nach einem Dauer-
flug von 287 Stunden und 22 Minuten lande-
ten die beiden Fli«erinnen Frances Marsa -
l i s und Helen Richey auf dem hiesigen
Flugplatz.
Di« beiden Pilotinnen, die durch die Regen-
böen vollkommen erschöpft waren, haben mit
diesem Dauerflug den Rekord für den läng-
st en ununterbrochenen Frauenflug
an sich gerissen.

Stettin, 1. Fan. Am Donnerstag abend
wukde hier in einem Hause der Burscherstratze
ein grauenvoller Doppclmord ausgedeckt. Die
twrt wohnende 70 Jahre alte Witwe Auguste
Rothenburg und ihre 60jährige Schwester
Emilie Battiege wurden in ihren Betten
erdrosselt aufgefunden. Nach den bisherigen kri-
minalpolizeilichen Ermittlungen liegt unzwei-
deutig Raubmord vor. Die Tat geschah
bereits am Helligen Wend.
Als Täter kommt wahrscheinlich der 27jährige
Monteur Bernhard Rothenburg, der Sohn
der ermordeten Frau Rothenburg, in Frage.
Der Täter ist fluchtig.

Noch rin Opfer von Lagny
Eine vom Schicksal schwerbetroffene Familie
Paris, 1. Jan. Im Krankenhaus« von M-eaus
ist ein 35jähriger Eisenbahnange st eil-
te v seinen Verletzungen erlegen, die er bei der
Eisenbahnkalaftrophe von Lagny erlitten hatte.
Im Krankenhaus« liegt noch seine Frau,
der ein Arm amputiert werden mußte. Sein
14jähriger Sohn ist bei dem Unglück ums Le-
ben gekommen.

Itzjähriges Mädchen ermordet
Meißen, 1. Jan. In der Nähe des Verbin-
dungsweges zwischen der Carola- und Berg-
straße wurde am Freitag mittag die 16 Jahve
alte Lotte Merkel tot aufgefunden. Das
Mädchen war am Stadttheater als Volontärin
tätig.
Nach den bisherigen Feststellungen ist Lott«
Merkel einem Verbrechen zum Opfer gefal-
len.
Deutscher Reichswehroffizier in Polnisch-
Oberschlesien verhaftet.
Tarnowitz, 1. Jan. Im nahen Neudeck

Günstige Nachricht vom Motorschiff
,Mlfriede Münder".
Kopenhagen, 1. Jan. Von dem deutschen
Motorschiff „Wilfriede Klünder", Las auf der
Fahrt von Bremen nach Kertemünde auf Fü-
nen überfällig gemeldet worden war, ist die
Nachricht eingetrosfen, daß das Fahrzeug
wohl erhalten auf dem Wege nach seinem
Bestimmungsort ist.
Pariser Bankskandal — Verhaftung von zwei
Direktoren.
Paris, 1. Jan. Die beiden Direktoren der
Bangue Parisienne Bourse, einer Aktiengesell-
schaft mit anderthalb Millionen Stammkapital,
wurden wegen Vertrauensmiß-
brauchs und Unterschlagungen ver-
haftet. Das Unternehmen, das sich in 'der
Hauptsache mit Börsentermingeschäftcn befaßte,
unterhielt sieben Filialen in der Provinz.
Die beiden Direktoren heißen Bercreuysfe und
Venezim Kreimine; Kreimine ist aus Baku ge-
bürtig.
Vergiftete Flüsse in Frankreich.
Paris, 1. Januar. Die beiden Flüsse LyS
und Bourre in Novdfrankreich wurden von
unbekannten Tätern vergiftet. Am Freitag sah
man Tausende von Fischen tot auf
der Oberfläche des Wassers schwimmen. Die Po-
lizeilichen Untersuchungen sind bisher ergebnis-
los verlaufen.
Flucht aus dem Gefängnis.
Montgomery (Ala., USA.), 1. Jan. Hier ge-
lang es 26 Gefangenen, ihre Wärter zu ent-
waffnen und zu fliehen. Bei dem Handgemenge
zwischen den meuternden Gefangenen und dem
Gefängnispersonal wurde «in Wärter ge-
tötet und einer schwer verletzt.
Die Schiffsglocke der „Emden"
wiedergssunde».
Sidney, 1. Jan. Die Schiffsglocke des deut-
schen Kreuzers „Emden", die im vergange-
nen April zum zweiten Male aus dem australi-
schen Kriegsmuseum gestohlen worden war, ist
setzt in einem Hafen bei Melbourne aufgefun-
den worden.
Vorher hatte man behauptet, daß di« Schiffs-
glocke nach Deutschland geschmuggelt worden sei.

In Augsburg soll das Inner« der Do-
mes restauriert werden. Der Dom wird
deshalb auf ein halbes Jahr geschlossen wer-
den.
Weil sie das Verhältnis lösen wollte, hat ein
Erwerbsloser in Köln seine Geliebte er.
schossen und Selbstmord begangen.
*
Die von der holländischen Jagdgesellschaft in
den Gemarkungen Wöllstein, Budenheim, Gims-
heim und Gau-Bickelheim abgehaltene Treib-
jagden konnten als Gesamtergebnis 2 5 00
Hasen verzeichnen.

Wann erfand...?
Was im neuen Jahre sich jährt und jubiliert
Bon Dr. Winfried Bauer
Glauben Sie es sei 1934 erst hundert Jahr«
her, 'daß es durch di« Anwendung eines Schiff-
chens gelang, die Doppelstich -Nähmaschine
herzuftellen? 1834 baute Hunt das erste Modell,
wonach dann der Amerikaner Elias Howe 1845
den später gängig gewordenen Typ schuf. Noch
erstaunter wirb man sein zu hören, daß bas
Fahrrad mit Tretkurbeln noch jünger cst;
es wird 1934 erst achtzig Jahre alt. Philipp
Moritz Fischer erfand es 1854 zu Schweinfurt,
allerdings brachte er damals di« Treter zu-
nächst an dem Vorderrad« an. Wie schnell wir
leben und wie sehr verändert wir uns haben,
sehen wir mit Erstaunen, ja vielleicht mit
Schrecken angesichts jener alten Nähmaschinen-
und Fahrrad-Modelle, wie ich sie neulich in der
Dürkopp-Abteilung des Museums zu Bielefeld
fand: sie muten uns mit ihrer mass-enschweren
Stärke an wie die vorsintflutlichen Riesenmol-
che.
Wie überraschend alt erscheint uns auch schon
der Akkumulator; er wurde vor 75 Jahren
durch den französischen Physiker Gaston Plant«
— er wird am 22. April 1934 gerade 100 Jahr«
alt — erfunden, nachdem 25 Ähr« zuvor also
vor nun hundert Jahren, Michael Faraday
jene Gesetze aufgestellt hatte, die di« Elektrizi-
tätsaufspeicherung in den Akkumulatoren erst
ermöglichten: die Jonentheorie. Noch 25 Jahr«
älter -ist der galvanische Telegraph, den d-er
bedeutendste deutsche Anatom des 19. Jahr-
hundert, Samuel Thomas von Sömmering in
Frankfurt, konstruiert«. Wie jung dagegen ist
das heut« gleichwohl in mancher Hinsicht (für
Beleuchtung) schon wieder überholte ÄL«ty-
len! Ter Chemiker Marcelin Pierre Eugön-e
Berthslot, der später« französisch« Unterrichts-
minister, dann Minister des Auswärtigen, stellt«
es vor 75 Jahren -um ersten Male rein her.

Selbst di« erst 25 Jahre alte -Stickstoff-
gewi n n u n g im Haber-Bofch-V-erfahren, wie
es von der J.-G.-Farben-A.-G. in Oppau und
Merseburg in größtem Ausmaß betrieben wird,
kommt uns heute schon alt vor; das Haber-
Bosch-Verfahr-en war übrigens ursprünglich
deutsches Monopol, wird aber nun nach dem
Weltkrieg (z. B. in dem sog. Mont-Cennis-
Berfahren) vielfach nachgeahmt. Im Vergleich
dazu hat es doch -recht lange gedauert, daß die
Kun st seid« in dem Umfang wie heute prak-
tisch verwendet wurde: I. W. Steam stellte sie
bereits vor 50 Jahren her. Der Zeitraum von
100 Jahren, der zwischen dieser technischen Lei-
stung und der Erfindung des Puddelver-
fahrens liegt, oder der Erfindung des E r d-
beb-enmessers — beide werden sie 1934
schon 150 Jahr« alt —, scheint verhältnismäßig
wieder sehr lang zu sein. Wie wir auch nicht
glauben möchten, daß Gottlieb Daimler
schon vor hundert Jahren geboren wurde. Daß
das Schrappn «I l, dieses furchtbare, nach sei-
nem — übrigens englischen — Erfinder ge-
nannt« Geschoß, schon 125 Jahre alt wird,
möchte den Frontsoldaten überraschen.
Auch die medizinischen Errungenschaften, ohne
die wir uns heute keinen Arzt mehr vorstellen
können sind noch verhältnismäßig jung. Erst
75 Jahre alt wird -das Kokain, wie es Nie-
mann 1859 aus den Koka-Blättern gewann.
Den D ip h te r i -eba zillu s kennen wir erst
seit 50 Jahren durch die Entdeckung des dama-
ligen Stabsarztes am Frie-drich-Wilhelm-Jnsti-
tut zu Berlin, späteren Direktor des Greifswal-
walder Hygienischen Instituts, Friedrich August
Johannes Löffler. Nicht älter ist unsere Kennt-
nis -des Wundstarrkrampf-Bazillus,
der vor 50 Jahren durch den Berliner Profes-
sor Arthur Nicolaier gefunden wurde. Auch das
bekannte Fiebermittel des Antipirins ist
noch nicht älter als 50 Jahre! Der Jenaer
Ehem-i-ksr Ludwig Knorr stellt« es 1884 zum
ersten Male her.
Di« uns heute so viel beschäftigenden Grund-

gesetze der Erb-Biologie sind auch noch recht
jung. Erft vor 75 Jahren stellte Darwin
seine bekannte Lehre von der Zuchtwahl auf
und erst vor 50 Ähren am 6. Januar 1884,
starb der bedeutendste Erbforscher der Neuzeit,
der Abt des Augustiner-Stifts Brünn, Johann
Gregor Mendel, während Ernst Häckel,
der die Vererbungslehre z. Tl. auf Abwege
führte am 16. Februar hundert Jabre wird.
Von den geschichtlichen Ereignissen, deren wir
1934 gedenken werden, liegen ganz bedeutend«
schon sehr weit in der Vergangenheit zurück.
800 Jahre wird es, Latz die German isie-
rung des ost elbischen Landes wieder
eins-etzt-e, nachdem vorhergehend« Versuche durch
kriegerisch« Schicksalsschläg« rückläufig geworden
waren. Im Iah«« H31 wurde Albrecht der
Bär aus dem niederdeutschen Hause der Aska-
ni-er mit der N o r d ma r k belehnt: er eroberte
noch dos Havelland, die Pri-gnitz und di« Mittel-
mark hinzu; so wurden er der Begründer der
Mark Brandenburg. Es spricht für die Intensi-
tät dieser Kolonisierung u. Germanisierung, daß
das so weit östlich gelegene Stralsund schon
hundert Jahr« später (1234) lü'bisches Stadtrecht
erhielt, d. h. -in der Wurzel das Recht von
Soest, woraus erhellt, von wo -dieser Ostgerma-
nisierung di« Quellkräfte znflossen. Diese Wieder-
gewinnung des Ostens war in der Tat kein ein-
facher Regierungsakt, sondern — das zu wissen,
tut heute bei der neueinsetzenden Binnen-Kolo-
nisation not — eine Leistung der zäharbeitenden
niederdeutschen Bauern, di« die Frücht« ihres
Ringens mit fremdem Land und Leuten erst in
ihren Kindeskindern erwarten und ernten konn-
ten. Daß dasselbe an -der Ostkolonisation so
mächtig mitwirkend« Westfalen 300 Jahre spä-
ter (1534—35) den religiösen Kommunismus
und di« Vielweiberei der „Wiedertäufer"
erlebt«, gehört zu den 'Seltsamkeiten dieses an
rätselhaften Gegensätzen so reichen Landes.
Die Gewerbetreibenden an Ruhr und Rhein
gehörten denn auch vor nunmehr hundert Äh"
r-en mit zu den leider^chaftlichsten Vorkämpfern

eines einigen Deutschlands, das ja zunächst erst
wirtschaftlich zu einem «inhertlichen Gebilde zu-
sammenwuchs, eh« Bismarck es politisch zusam-
menschweißen konnte. Di« Grundlage der Bis-
m-arckschen Tat, der Zollverein, trat am
1. Januar 1834 in Kraft. Bereits 50 Jahre
später (1884) stellt« -di« Firma Lüd-eritz ihre Be-
sitzungen in Sü d w e st - A f r ka unter den
Schutz des Reiches.

Eine Reihe sehr aktueller Aussage und Ab-
handlungen, eingerahmt von den üvuchen Ru-
briken, bringt Heft 23 von „Zeit und „Volk".
Hanns Hastler-Erlangen gibt Gedanken zur
christlichen und deutschen Berufsauffassung:
„Beruf ist Dienst". Dr. Kurt-Eduard
Ommer behandelt den deutschen Katholi-
zismus an drei Etappen 1806 — 1871 —
1933. Adolf Ziegler, bekannt durch sein Buch
über die russische Gottlosenbewegung, berich-
tet über den gegenwärtigen Stand des Kamp-
fes gegen die Religion in Sowjet-Rußland.
Hans F. Zeck erläutert das Gesetz über den
„Lastenausgleich für Kinderreiche" an Hand
eingehenden und übersichtlichen Materials.
Pater Bernhard Seiller befaßt sich anläßlich
des hundertjährigen Jubiläums mit der Ox-
fordbewegung. Den literarischen Teil bearbei-
tet Willibald Köhler mit einem Aufsatz „Was
ist Grenzlanddichtung?" und Ferdinand Denk
mit einem Aufsatz über „Deutsche Legenden".
Der „Zeitblick" bringt etliche Gedanken zum
Geburtsfest Christi. Sehr reichhaltig sind die
Rubriken „Kirche und Volk", „Buch in der
Zeit", „Etwas von neuen Filmen", „Repor-
tage aus dem Zeitgeschehen" und „Wirtschafts-
politik". — Das neue Heft erscheint jeweils
Samstags und ist in allen Buchhandlungen
und Zeitungsständen erhältlich. Preis 35 Pfg.
Vierteljahresabonnement Mk. 3.90. Verlag
Kösel L Pustet, München.
 
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