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Heidelberger Volksblatt (69) — 1934 (Nr. 226-299)

DOI issue:
Nr. 241 - Nr. 250 (18. Oktober - 29. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43252#0158
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Mr «k

„Zn den Sternen steht es geschrieben"
Was Wien Sie von -er Astrologie?
Bon Dr. A n s g a r Jüngst.

Kt«wnymus Tardanus und Johann Cario, der
KHastrologe des brandenburgischen Kurfürsten
Joachim I. berechneten die französische Revolu-
tto« zweihundert Jahre vorher, so wie Tycho
Brah« das Auftreten des Schwedenkönigs Gustav
Adolf. Nostradamus sagte die Dauer des zweiten
französischen Kaiserreichs voraus, kündete die
französische Revolution mit ihren Einzelheiten
an und schilderte das Erscheinen Napoleons 300
Jahve vor der Zeit: „Ein Kaiser wird bei Jta-
lien geboren werden, der dem Reich teuer zu ste-
hen kommt; seine Verbündeten werden sagen,
man finde an ihm weniger einen Fürsten, als
einen Schlächter". In ähnlicher Weise sagte
William Lilly den Brand von London 1666 vor-
an«. Der Inder Pillai erklärte auf Grund sei-
ner astrologischen Berechnungen am 6. Dezem-
ber 1901, daß Eduard VII. in der Zeit vom 21.
bi« 28. Juni 1902 gefährlich erkranken und Da-
durch an der Dhronbesteigung verhindert würde.
Im März 1904 sagte Albert Kniepf den Zusam-
menbruch des russischen Heeres im russisch-j-apa-
ntschen Kriege voraus. Englische Astrologen ha-
be« bereits 1896 den schicksalhaften Ausgang der
Herrschaft Wilhelms II. und mit unheimlicher
Genauigkeit die Ereignisse des Weltkrieges be-
rechnet.
Ergibt sich aus der Fülle derartiger Beispiele,
wie man sie in dem Werke H. Fvhr. von Klöck-
ler« „Astrologie als Erfahrungswissenschaft"
liest, daß die Astrologie mit ihrer Behauptung
recht habe, man könne aus dem Stand der uns
umgebenden Himmelsräume eindeutige Schlüsse
auf irdische Vorgänge ziehen? Zu allen Zeiten
der Menschheitsgeschichte hat man derlei Bezieh-
ungen gesucht. Doch das Alter und auch die All-
gemeinheit des astrologischen Denkens können
für die Richtigkeit der Astrologie ebenso wenig
sprechen wie die spöttische Verachtung der Zweif-
ler oder di« Pfuscherei der Scharlatane dagegen.
Beweiskräftig ist hier einzig und allein Beob-
achtung und Erfahrung.
Das übersehen noch heute viele. Auf Grund
unzutreffender Vorstellungen vom Wesen der
Astrologie bekämpft man sie als lächerliches Er-
zeugnis menschlicher Phantasie mit dem Schopen-
haue.r'schsn Witzwort, die Astrologie fei ein Pro-
dukt des menschlichen Größenwahns, der sich ein-
bilde, daß das Weltall nur um des Menschen
willen da sei. Die genau entgegengesetzte Auf-
fassung liegt der Astrologie zugrunde: Sie ord-
net den Menschen in die großen Zusammenhänge
des Weltalls ein, in dem Glauben, daß der
Mensch eben nicht außerhalb des allgemeinen
Geschehens steht. Die wissenschaftliche Astrologie
behauptet auch nicht, daß all e kosmischen Ver-
hältnisse deutbare Beziehungen zu irdischen Vor-
gängen haben, und sie behauptet noch weniger,
daß alle irdischen Vorgänge unbedingt kosmisch

bezogen sein müßen. Sie läßt also der Meinung
Schopenhauers noch weiten Raum: was wir
Schicksal nennten, seien meistens doch nur unsere
dummen Streiche.
Gleichviel: Gewisse Beziehungen zwischen Vor-
gängen im Weltall und Ereignissen hier auf Er-
den können nicht mehr in Abrede gestellt werden.
Der Einfluß z. B. des Mondes auf die Luftelek-
trizität, die wieder die Wetterlage bestimmt, ist
nachgewiesen; ein unleugbarer Zusammenhang
besteht zwischen der Ionisation der Luft, Gewit-
terbildung und epileptischen Anfällen; der
Selbstmord tritt in ganz bestimmten Perioden
des Jahres, also Phasen des scheinbaren Son-
nenumlaufs, auf und bevorzugt auch dann noch
bestimmte Stunden des Tages; es hat sich ge-
zeigt, daß die Qualität der Kaninchenfelle stati-
stisch feststellbare Schwankungen aufweist, die mit
der Sonnenfleckenperiodik übereinstimmen; letz-
tere ist auch von bestimmender Bedeutung beim
Auftreten von Seuchen, wie man auch merkwür-
dige Zusammenhänge zwischen ihr und dem Aus-
bruch von Kriegen feststellen konnte.
Das alles sind gewiß mehr biologische Bezieh-
ungen, die noch nicht ohne weiteres Schlüsse auf
gleichartige, d. h. zwangsläufige Beziehungen
zwischen Weltall und Menschenseele nötig ma-
chen. Aber die ernst forschende Astrologie will
ja auch garnicht in dieser Art das Schicksal
„berechnen"; sie will erst recht nicht, wie viele
geschäftstüchtige Astrologen wollen, Wahrsage-
rei: sie gibt nur Wahrscheinlichkeits-
urteile ab. „Ganz streng genommen", sagt
Klöckler, geht die zeitliche Voraussage nicht über
die Mitteilung, ob günstig oder ungünstig und
welches Gebiet betreffend, hinaus... Es ist
also unmöglich zu sagen, ob ein Mensch z. B.
während einer Eisenbahnfahrt verunglückt oder
ob er unter die Räder eines Zuges gerät. Auch
die volle Schwere des Ereignisses ist beim heu-
tigen Umfang unserer Kenntnisse niemals, ich
betone, niemals, mit Sicherheit vorauszusa-
gen".
Wenn das Horoskop bestimmt wird durch
die Planeten, den Tierkreis und die Felder oder
„Häuser", in die man den Aeguator zerlegt, so
sind die Beziehungen all dieser drei Elemente zur
Menschenseele noch recht unklar. Man sagt z.
V., das von der Sonne — die in der Astrologie
als Planet gilt — vertretene Naturprinzip sei
ungeschwächte Naturkraft, Hitze, Feuer, Licht;
daraus folge psychologisch Wille zur Macht im
weitesten Sinne des Wortes und soziologisch:
Autorität, Regierungsherrschaft, der Vater. Diese
Beziehung ist jedoch ebenso unsicher wie die des
2. Horoskop-Bestandteils: des Tierkreises. Frhr.
v. Klöckler gibt einige Gruppierungen und Zu-
sammenstellungen, doch selber mit der Einschrän-

kung, es handle sich hier „nur um vorläufige
Ordnungen und nicht um letztgültige Auslegun-
gen der Erfahrung". Die Auswertung des Ho-
roskops wird aber noch fraglicher, wenn man be-
denkt, daß bei ihm niemals ein Element für sich
behandelt werden darf, jedes Element vielmehr
in seiner Gefamtbeziehuwg zu allen übrigen Ele-
menten zu werten ist. So wie in der menschlichen
Seele eine Kraft nur im Zusammenwirken mit
anderen Kräften zu der Eigenart der Persön-
lichkeit sich entfaltet, so ist auch das Horoskop, das
ja ein S e e l e n a u f r i ß sein will, nur aus dem
Zusammenwirken der einzelnen Teile zu »erste-
hen. „Hierin liegt die Kunst des Astrologen, sie
verlangt besondere Fähigkeit und jahrelange

Kaiser Augustus schreibt sein
Testament auf Stein
Von der Steintafel bis zum Plakat — eine
Plakatausstellung im Schriftmuseum.
„Die Schrift im Plakat" nennt sich die Aus-
stellung, die von Dr. Eberhard Hölscher von der
höheren graphischen Kunstschule im Berliner
Schriftmuseum Blanckerts eröffnet wurde. Die
kleine Ausstellung hält mehr, als der Name ver-
spricht; sie ist nicht nur lehrreich für Fachleute,
sondern auch interessant für jeden, dem es Ver-
gnügen macht, ein Stückchen Kulturgeschichte auf
einem wenig beachteten Seitenweg zu durchwan-
dern..
Wer hätte jemals darüber nachgedacht, wie
uralt das Plakat, das uns doch als eine ganz
neuzeitliche Form der Massenwirkung erscheinen
will, schon ist? Wer wäre nicht interessiert, wenn
er in der geschichtlichen Abteilung das „monu-
mentum ancyranum" vor sich sieht, eine Stein-
tafel, die ein Exemplar eines Plakats aus dem
alten Rom darstellt! Der Inhalt dieses ältesten
Plakats ist durchaus nicht unwichtig, er war es
wohl wert, in Stein gehauen und für Jahrtau-
sende festgehalten zu werden. Es ist Las politi-
sche Testament des Kaisers Augustus, das nach
seinem Tode den römischen Untertanen bekannt
werden sollte. Es gab keine Zeitungen und auch
keinen Rundfunk im alten Rom; trotzdem sollte
jeder Bürger den letzten Willen seines Herrschers
erfahren. Viele Sklaven wurden angestellt, die
Worte des Testaments in Steintafeln zu hauen
und überall im römischen Reich wurden die Ta-
feln aufgestellt.
Nicht ganz so interessant, aber nicht weniger
amtlich, waren die ersten Exemplare aus der Ge-
schichte des deutschen Plakats. Eine Reihe von
Einblattdrucken aus der Frühzeit des deutschen
Plakats enthält amtliche Edikte, Warnungen,

kl«La»g, Menschen-enntn-i« und Leb-n—rfckß'
rmrg".
Dir Astrologie steht erst am Anfang ihrer
senfchaftlichen Handhabung. Noch sind die Beob«
achtungen nicht zahlreich genug. Um so beacht
licher sind die schon jetzt zu Tage liegenden
ziehungstatsachen. Die Horoskope z. B. von 2b
alpinen Unfällen zeigten auffällige Uebereim
stimmungen. Das Leben des englischen Königs
Georg II. hat das gleiche Horoskop mit dem eines
zur gleichen Zeit am gleichen Ort geborenen
Tagelöhner-Sohnes Samuel Hennings: Dieser
gründete ein Geschäft, als Georg den Dhron b«'
stieg, beide heirateten zu gleicher Zeit, bekäme«
gleich viel Kinder, und zwar des gleichen E«'
schlechtes, die auch zu gleicher Stunde starke».
Nach dem Stand der Forschung kann man als«
die Astrologie etwa der Meteorologie vergleb
chen: Wie man diese wegen ihrer genug bekan»'
ten Mängel nicht als unwissenschaftlich und
wortlos ablehnt, so kann man auch die Astrols«
gie, solange sie ihre Aussagen auf Erfahrung
stützt, nicht als Humbug oder Aberglaube abtun.
Es gibt eben mehr Dinge zwischen Himmel und
Erde, als eure Schulweisheit sich träumen läßt.

Taxen und Tarife, mitunter wagt sich schon eins
schüchterne Preisliste oder private Ankündigung
hervor. Ueberraschond gut ist die Typgraphi«
der früheren deutschen Drucke; sie zeichnen sich
durch klare Schriften und gute Raumeinstellung
aus.
Sobald das Plakat in größerem Umfange zuw
Mittel der Reklame wird, tritt die Zeichnung,
das Bild in Len Vordergrund, die Schrift tritt
häufig zurück. Die ersten, die dazu übergingen,
Plakate durch bildliche Ausschmückung wirksamer
zu gestalten, waren di« „unehrlichen" fahrende«
Leute im Mittelalter. Lange blieb di« mittest
alterliche Plakattechnik auf einer primitiv««
Stufe, bis französische Künstler wie Cheret, Lau»
trec, Grasset und Josset das entwickelten, was
man mit gutem Recht Plakat-Kunst nenne»
kann.
Die vielen Beispiele wirkungsvoller Plakat«
zeigen, wie stark sich echte Künstler mit der Auf'
gäbe auseinandergesetzt haben, eine UebereiN'
stimmung zwischen Bild und Schrift zu erzi«'
len. Sie zeigen auch, wieviel guter Geschmack sich
in den Werbemittel Plakat ausdrücken kann-
„Das Plakat kann das ästhetische Gefühl eines
Volkes viel stärker beeinflussen, als man es i>»
allgemeinen glaubt" — in diesen Worten hat Dr-
Hölscher in seiner Eröffnung die kulturelle B«'
deutung des Plakats umschrieben.

* Interessante archäologische Entdeckungen i«
der Lateranbasilika in Rom. Bei Arbeiten an
dem Mosaikfußboden im Mittelschiff der Late'
ranbasilika fand man in einiger Tiefe Reste einer
„schola", eines Versammlungsraums der kaiser-
lichen Offiziere aus der Zeit um 200 nach Ehr-
Weitere Grabungen, die sehr vorsichtig geführt
werden müssen, um die Kirche nicht zu gefährden,
legten Teile eines noch älteren Baues frei. Ma«
fand Mosaikfußböden, Wanddekorationen, ziegest
steinerne Oefen. Die Grabungen werden noch
fortgesetzt.

32) (Nachdruck verboten.)
„Von unserem Heider?" lautete die er-
staunte Gegenfrage.
„Jawohl, gnädige Frau! Papa wird wohl
wieder seinen Generaldirektor schicken wollen,
ich aber werde diesmal selbst die Angelegen-
heit in Ordnung bringen. Das wird einen
längeren Aufenthalt hier notwendig machen.
Wenn ich bei dieser Gelegenheit öfter vor-
sprechen dürfte?"
Er sah bittend auf die Damen.
Trude strömte alles Blut zum Herzen. Nun
glaubte sie es wirklich, daß er ein Interesse
an ihr nahm, und dieser Gedanke beglückte sie
unbeschreiblich.
Auch Frau Benker dachte ein Aehnliches.
Sie reichte Doktor Lonnert freundlich die
Hand.
„Ich werde mich sehr freuen, wenn Sie uns
so oft als nur möglich besuchen wollen. Sie
sollen uns jederzeit ein lieber Gast sein."
Damit war eigentlich die Gelegenheit zum
Aufbruch gegeben. Sich erhebend, fragte er
vorsichtig:
„Richtig, wie geht es Fräulein Keim? Hat
di« Dame Len gestrigen Abend aut überstan-
den?"
Trude antwortete eifrig:
„Ach Gott, Maria! Der merkt man doch
nie eine Anstrengung an, und gestern hatte
sie deren genug. Jetzt sitzt sie über den Wirt-
schaftsbüchern."
Es fiel ihr nicht ein, Maria rufen zu lassen.
Es war ja Mama hier, wozu also eine Ver-
tretung?
So blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr
Empfehlungen zu senden.
Zum ersten Male fühlte er, Peinlich berührt,
ihr abhängiges , untergeordnetes Verhältnis
im Hause.
„Armer, kleiner Kamerad!" dachte er. Da-
bei nahm er sich vor, bald, bald, alle Bande
um sie herum zu lösen. Am liebsten hätte er
es sofort getan; doch Len Dingen eine ge-
waltsame Entwicklung zu geben, konnte ihm
sein Ziel gefährden.
Und sein Ziel hieß: Maria Keim!

Qualm seiner Zigarre erfüllte Las ganze
Zimmer.
Ein starker Gewitterregen peitschte gegen
die Fenster. Stirnrunzelnd sah nun auch der
Geheimrat von seiner Zeitung auf, — dem
Toben der Elemente zu.
Sein Sohn unterbrach zuerst das Schwei-
gen.
„Was ist's, Papa, kaufen wir die Heider-
Pappen?"
„Ja, Egon; die können wir brauchen. Die
kleine Reibe wird nicht schwer über Wasser zu
halten sein."
Doktor öonnert war es recht. In doppelter
Beziehung.
Er ringelte den Rauch seiner Zigarre kunst-
gerecht in die Luft.
„Papa, noch eine Frage! Was würdest du
dazu sagen, wenn ich heiraten wollte?"
Der alte Lonnert fixierte seinen Sohn scharf.
Die Frage verriet eine bestimmte Absicht. Also
war mit einer Tatsache zu rechnen. Gelassen
erwiderte er:
„Gar nichts! Das ist deine Angelegenheit.
Daß sie sich dem Geschäft unterzuordnen hat,
ist selbstverständlich. Auf wen fiel Leine
Wahl?"
„Das ist vorläufig noch — Geheimnis,
Papa!"
Ein kleines Schmunzeln lief um den Mund
des Allen.
Damit war auch diese Angelegenheit erle-
digt.
Auch über dem Bankhaus Benker ballten
sich dunkle Wolken zusammen. Die schwierige
Lage in der Familie wurde von der noch
schwierigeren im Geschäfte übertroffen. Nur
die Frauen besaßen kgine Ahnung davon.
Sie sahen den Bankier immer nur bei den
Mahlzeiten. Die übrige Zeit verbrachte er im
Geschäft oder in seinem Arbeitszimmer. Auch
dort kamen und gingen Menschen; bis in die
späte Nacht liefen die Depeschen ein.
Benker besaß große Wechsel von, einer
Bank, für deren Weiterbestand er feit eini-
ger Zeit fürchtete. Noch war nichts in die
Oeffentlichkeit .gedrungen, kein Positiver An-
haltspunkt für" seine Befürchtungen gegeben,
aber seine Spürnase nahm Witterung an
dem kleinsten Geschehen.
Flog draußen am Horizont über Len dunk-
len Wäldern eine Schar Krähen auf, schloß
man mit Recht auf das Vorhandensein eines
Störenden; genau so hielt es Benker.

Ihm genügten kleine Anzeichen aus wer'
ter Sicht. Keines vergaß er, keines übersah er.
Er hatte die ihm gefährdet erscheinend««
Papiere zum Teil abgestoßen, zum Teil
kündigt. Ansuchen um Prolongation war di«
Antwort. Die Frist verstrich und über Nacht
war die Bank fallit geworden.
In diesen Tagen ergraute an seinen Schlä-
fen das Haar. Frau Benker beobachtete oi«E
mit steigender Sorge. Trude weinte sich a»
dieser Tatsache in den Schlaf.
Maria ging still und ernst im Hause her'
um. Tat hoppelt genau und sorgfältig ihre
Pflicht. Sie wußte nichts Bestimmtes, spür»
aber in ihre» feinfühligen Art Las schwer«
Gedrücktsein. Alle scharten sich um sie. Sn«
wurde zum ruhenden Pol in den bewegte»
Stunden.
Jeden Abend schlich sich Trude in d-^
Schlafzimmer ihrer Mutter, um Maria b«'
ten zu hören. Es war ihr, als besäße Mar^
ein Zaubermittel, das sie alle wieder frdv
machen konnte. Allmählich lernte sie aus der«»
Gottnähe die eigene Gottfremde kennen. L<^
ihr das Herz wie ein Stein in der Brust?
dann kam es sogar vor, daß sie mitbetete.
Gesegnetes Leid, das die Menschen zur»
Helfer zwingt!
Frau Benker ging einen ungewohnte»
Weg. Sie wollte in das Arbeitszimmer ihr«'
Gatten. Jahre war sie während feiner An-
wesenheit nicht dort gewesen.
Heute begehrte sie Einlaß.
Ihr Mann empfing sie demgemäß nwy
als erstaunt. i
Er rückte ihr einen breiten Saffianseste
zurecht.
Zwischen den beiden Gatten brodelte v
Fremdheit. Bitter nagte diese an ihren M
^Noch immer hatte er seine Verwunderung
nicht bezwungen.
„Du wünschest?" fragte er endlich kurz.
„Otto, — ich möchte heute die Rechte e>»«
Gattin in Anspruch nehmen, —"
„Ich verstehe dich nicht." <
„Du hast Sorgen, große Sorgen!
möchte meinen Teil daran haben."
Auf der Flucht vor einem Unbekann-
von dem er im vorhinein spürte, daß es
erdrücken mußte, hastete die Antwort von i
neu Lippen:
(Fortsetzung folgt.)

Asi* cke»» VUcttra
Roman von Helene Norbert
Urhebrrrechtsschuh durch Verlagsanstalt Manz, Regensburg
Also mußte er behutsam, vorsichtig vor-
gehen. Lieb hatte er das Mädel, aus ganzem
Herzen lieb, aber es war scheu und stolz . . .
14. Kapitel.
Die Weltwirtschaftskrise warf ihre Schatten
hinein in die Staaten, in jedes Unterneh-
men, jeden Betrieb.
Das bekamen auch die Lonnert zu fühlen.
Dazu kam noch ein anderes: Die Lonnert
hatten durch ihren rigorosen Unternehmer-
standpunkt das Vertrauen der Arbeiterschaft
verloren. Für sie gab es keine Brücke, die von
den Besitzenden zu den Enterbten hinüber-
führte. In ihrer Saat hatte nicht der Same
der Gerechtigkeit und Liebe gelegen, und dar-
um fehlte ihrer Ernte, die gerade in der Ge-
genwart doppelt notwendig gewordene, ent-
sprechende Frucht.
All ihre Anordnungen und Befehle waren
von einem mühsam im Zaume gehaltenen,
finsteren Groll, von dem drohenden Haß ihrer
Arbeiter begleitet.
Ein Werk, das nicht den gewünschten Ge-
winn erzielte, wurde gesperrt. Sollte man es
vielleicht zu dem Zwecke im Betriebe lassen,
damit so und so viele Familien Brot fanden?
Keine Spur!
„Wozu gab es einen Staat?"
„Eines Pappenstiels wegen arbeite ich
nicht!" Das war Lonnerts geflügeltes Wort
in diesen schweren Tagen. Mochte die Regie-
rung mit noch so scheelen Augen auf ihn
blicken, die Arbeiter noch so knirschen und
Drohrufe ausstoßen, — mehr als ein ver-
ächtliches Lächeln nötigte ihm nichts ab. Er
fürchtete sie alle zusammen nicht. Das weite,
dichtverzweigte Netz seines' Unternehmens
übersah ja doch nur er, sein Sohn und sein
Gewährsmann Stein. '
Und wenn der Staat in seinen Fugen barst?
Wozu besaß man einen Weitblick?
Er hatte, Vorsorgen getroffen! Dem Rei-
chen öffnen sich alle Tore.
Und solche Gewissenlosigkeiten wurden im
verarmten Staate auch zum Totengräber je-
nes Kapitals, das sich ehrlich und gerM
Lurch diese Notzeit wand. —
Egon Lonnert legte die Feder hin. Der
 
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