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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,268
Lask,Emil; Rickert,Heinrich [Recp.]
(Heid. Hs. 3820,268): Brief von Emil Lask an Heinrich Rickert — Falkenberg, 1895 Dezember 29

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https://doi.org/10.11588/diglit.26839#0001
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Fslkenberg,

mo, atg

den 29.12.1895.

Hoehgeehrter Herr Profe.ooor l

Als ich ira letzten Sommer meinem Aufenthalt in Freiburg ein Ende
inaehte, der mir, rund und cffen herausgesegt, durch Sie zu einem loh-
nenden, jn von mir gesegneten geworden ist?, wurde nair ein ermutigender
Trost mi't in die ungewisse Zukunft gegeben: ich erhielt d ie Frlaubnis
mich Ihnen auch aus der Ferne einmal mi.t zuteilen. Wenn ich jetzt vcn
diesem 'Ee'chte Gebrauch mache, muss ich gleich anfangs gestehen: Ueues
und Positives kann ich nicht viel vorbringen. Ich bin mit solcher Win-
deseile, so plötzlichem Wechsel^so schroffem Obergang in eine neue
Weit geschleudert worden, dass mir der Atem dabei bencmmen wurde. Bls
ich zur Besinnung kam, zeigte sich mir als unentrinnbares Schiksal,

das

das Waffenhandwerk die Jungen Keime und Triebe stiiler wissen-

sehaftlicher Beschaftigung fast genz am Boden gefesselt darniederhalt.

In

en-.vor8ngegangenen Ferien hatte ich mieh gerade.noch einma.

satt getrunken aus dem Beoher der Philcsophie, stets mit dem beglei-
tenden GedanKen:

» Und trifft cs morg^n, sc le.sst uns heut

Noch schlürfen die N cige der kostlichen Zeit.»

Ich hatte mich Schopenhauer gewidmet, »die Welt als Wille und Vcrstel-
lung» hintereihander in einem vollen Zuge gelesen, so wie ich etwa
fruher mein geliebtes Symposion des Piato las, also ganz hingegeben
dem Genuss des herrlichen Kunstwerk.es. Denn ais solches soll nan
Schopenhauers Hauptwerk lesen . Und dab‘ Bi weleh grossartiger und klarer
Aufbau 'seiner Lehre J Ein Phiiosoph, der eine solvhe Sprache schreibt !
Sie schtint, wenn raan die Zeit der Abfassung bedenkt, rat'selhaft modern
und ist doch and^rerseits in hochs-tem Gre.de edel und klassisch, eine
Verbindung zweier Eigenschaften, die ieh nur bei Gcethe wiederfinde.
Goethes Stil klingt überhaupt bei Schopenhauer überall e.n. Das Wunder

.1 e n e r V e r e I n i f: u n <?

jlost

sich ebe-n dann auf, wenn man bedenkt, wes Hermann

Grimm ausgesprcchen hat, dass Goethe unsere Spraehe und Literetur g:-
schaffen hat. Nach Grimm vollzieht sich das Eindringen <?er Pross Goethe
in die Philosophie durch Schelling. Für die zwe’te Halfte des Jahrhun-

derts mus

glaube ich, Schopenhauer h.terfür in hohem M©sse in Ansoru'ch

genommen werden.9 Mir ist bei der Lektüre klar gewcrden, wie weit ver-

Selbst bei Geringfügigkeiten,
von Beispieien usw. kann man
Lerausfinden. Bei den*Moötrne-n»

zweigt und nachhaltig sein Einfluss ist
in kleinen Wendungen, bei der Anführung
überali die Abstammung von Schöpenhauer
der Literatur spukt er ja aueh in den verschiedensten Formen. - Diese
ganze Beurteilung des Philosophen, die Ihren Sehwerpunkt Ln Aestheti-
sc.hen hat, steht natürlich einer rücksichtslcsen sachlichen Kritik
nieht im Wege. Da es sich dabei hauptsäehlich um das Verhältnis zu Kant
handelt, verhalte ich mich hierin ganz wie ein v.on Elehl Geschulter.

Nach solcher Ferienbelustigung folgte ?Iso unmittelbrr cls eis-
ke 11es Bad der Eintritt beim Militär. Fast unbeerei fli.ch sch'nell ge-
wöhnt man sich en die neue, fremde Tätigkeit. Das rein korperliche,
re in mechani r.che Arbei ten, wurde mir nlcht zur unerträglichen Last,
sondern ich fühlte mieh bald ganz wohi darin. B*i ruhiger Ueberlegung
kommt es mir allerdings ganz unheimlich vor, d.ass ich so sehr aus
geistiger Besehäftigung herauskomme . In den ersten Woehen dc-s ekademi-
schen Semesters lag noch der Dienstp'lan sc, dass 1 ch fast täglich eine
Stunde hören konnte und zwar bei Volkelt »Geschichte der Philosochie
des 19.Jahrhunderts» und » Ae <thetik der Dichtkunst». Volkelt ist eine
 
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