Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,339
Lask, Emil; Rickert, Heinrich [Adr.]
(Heid. Hs. 3820,339): Brief von Emil Lask an Heinrich Rickert — o.O., 1910 September 5

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26893#0001
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
den 5.9*1910r

lE2LO(

Dass ich diesen Aufsatz herausgegeben, ist nicht nur durch die
Rücksieht auf Sie hestiffimt gewesen, (wahrend es sich hinsichtlich Be-
Jahung und Verneinung anders verhalt) sondern durch die allgemeine Er-
wagung, dass das Xolumbus-Ei, das ich da aufstelle, mir von irgend
Jemand anderem vorweggenommen werden konnte, zumal ich seit 5ahren im
Kolleg davon rede. Es ist eine so simple und selbstverstandliche Sache,
und doch vertreten ist sie von fast niemandem worden, Ja in der Ge-
genwart das Problem von niemandem auch nur gestellt worden. Difs bestStrk
te mich darin, den Aufsatz meinen ausführlichen Behandlungen voraus-
zuschicken.

Ich kann mir nicht verhehlen, dass die Abhandlung sehr viel Be-
denkliches hat. Sie ist zu lang für ihren Gehalt, wie mir scheint. Es
ist nur das Simple uöd Selbstverstandliehe herausgegriffen, das andere
der Zukunft überlassen. Sie kommt nirgends recht aus dem Simplen heraus
Weil Ja alles erst im Zusammenhang sich vertieft. Ich habe kein Urteil
mehr, wie weit auch das Jetzlge schcn etwas ist.

Sie erhalten nun morgen bloss den ersten Teil und werden viel-
leicht erstaunt sein, »oviel Gemeinplatze darin behandelt zu finden, bb
/uwU gieieh sie es Ja allerdings in letzter Linie nicht sind, da, wie ich
glaube, das Meiste doeh in dieser prinzipiellen und radikalen Klarheit
nicht hingestellt ist. Was Ihnen aber trotzdem auf den ersten Bliek
überflüssig erscheint, bei dem müssen Sie die Rücksicht auf den zwei-
ten Teil in Betr&cht ziehen und denken: das rafflnierte Tier tats uai
des Relmes willen. Der zweite Teiljrmssttrvalso alles retten. Aber er
gerade wird in anderer Hinsieht enttauschen. Da mUsste es dürftig blei-
ben, weil ich selbst noch nicht weit genug bin, nicht darüber

stehe, nicht aus dem Vollen sehopÄe. Der erste Teil bewegt sich Im
Fahrwasser der gesamten neukantischen E*‘kenntnistheorie, was den Umfang
der Probleme anbetrifft. Der zweite Teil dagegen in einem ganz unbe-
fahrenen Gebiet. Da gibt es keine Vorarbeiten, und auch ich selbst bin
noch nicht dazu gekcmmen, welche zu machen. Der erste Teil ist eine
Ernte, ein Rückbllck, der zweite Anur ein Ausblick, ein Andeutungenr An-
regungengeben. Darum ist er euch viel zu breit geworden. Das werde ich
noch andern.

Das Exemplar, das ich I%ien schieke, ist ganz für Ihren Gebrauch
und für beliebige Randnotizen. Es ist darin alles auf den zweiten Teil
zugeschnitten; das ist zu bedenken. Ich werde das alles vielleicht im
Vorwort noch sagen.

Ob der Aufsatz besser als besondere Broschüre erscheint, werden
Sie erst naeh Kenntnisnahme elnes grossen Teils öes «zweiten Teils»
beurteilen konnen. Bauch schrieb mir, dass er bis lO.September in Frei-
burg bleibt. Ich traue mich ,jetzt nicht mehr, ihn anzufragen. Falls
Sie Genaues wissen, schreiben Sie mir bitte eine Karte. Wenn er bis
10. bleibt, würde ich ihn Hedenfalls noch sehen.
 
Annotationen