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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,410
Lask, Emil; Jenny (Cousine E. Lasks) [Recp.]
(Heid. Hs. 3820,410): Brief von Emil Lask an Jenny — Strassburg, 1896 Dezember 3

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https://doi.org/10.11588/diglit.26911#0001
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*-• i u o o ' J u i. X '.-.

äen 5. 1.S

lc96.

Liebe Jenny!

Du fragst ab ich Deine Handschrift auf den Couvert erkannt
habe. Der Brief lag in dem kleinen Kastchen an der Corridorthuro aei,-
ner Wifctin* dcch konnte die von lauter kleinan Oeffnungen durchbroche-
ne Wand die dahinter verhcrgenen Zuge keinen Augenblick vorheimlichen;
drum offne.te ich eilig den Kerlcer, erhraeh den Brief mit Freuden, las
ihn mit Entzücken - so lieh schien er air, so treu zeigte er mir Thun
und Sinnen von Dir im Geiste. Und nun, da Du wirkllch nach mir gefragt
hast, darf heute aueh ich von mir schreihen.

Do.eh vcrerst vernimm. keinesv/egs ist es mir entgangen, dass
leise, zarte Schatten sich ü’oer Dei.nen Worten und GeAan.ken lagern.
Trubsinniges Grüheln scheint Dich ofter heimzusuchen und seine dunk-
len Schwingen über Dich auszubreiten., Du vergleieh.st Dich mit and'erh
und begreiist nieht deren sorglos heiteren Mut, deren ewig muntere,
frohl lche Selbstzufriedenheit. Du hast nur ein Auge dafür, was Dir
fehlt un.d was iene Dir so herrlich zu besitzen scheinen. Du vergis.st,
was davori auf Rechnung eihes e.usseren, blendenden Scheines zu setzen

an, welche si.e g r nieht

ist und legst an sie eine Tiefe des Masssteb;
vertragen. Dich plagen deshalb Zweif.el, welche Berechtigung wohl dem-
gegenüber die negativen Seiten Deines_ Wesens haben könnten.

Aber gegen alle solche Gedanken rufe nur die andern Maeh-
te Deines Innern zum Xampfe auf, zum siegesbewussten, lustigen Kampfe!
Führe i fn' :mutig ins Feld, den Glauben, class es am Ende doch nicht das
Schlecllste ist, was Dir di.e Ilatur verliehen. Möge immerhin den andern
ein änderes beschieden sein, Du f.olgst dem Stern in Deiner eigen n
Brust. Wage nur. alies. zu ho|fen. V/er idealen Zielen sich hingiebt, was
kann den von aussen erschrecken? Aller Wert liegt doch für uns und ist
gesichert in den eigenen Ideen. »;Des. Menschen Damoh ist sein eigeries
Wesen» ( ■ ■, " r' • >go' ;■ ) sägt Herfakl.it der -jsDun'kle.» vcn Ephesos

Dass Du halb.und halb aä

zeugunp schi

Worten:
'so wird
mung zu

durchgedrungen' bi st,

ieser optimistischen, willensfreudigen Ueber-


XI :-Im Gegenteii, ich bin sehr heiter

:gar die Flickstunde nicht

test Du ,ja s.elbst an r.it der.

Und wie alles andre,.

im Stands sein, diese Grundstim-
trüben. Uebrigend ha.be ich nicht zum Be.ispi.el ein ganzes Jc.hr

dienen. mussen? Glaubst Dü, dass ich,' 'w.enn ich n.ich*t v;‘50 Pfund beschwert
im Sturmangriff den Berg hinauflisf, nicht verfehlte, unterdes'sen mei-

nen Geist auf die Wanderschaft gehen zu lassen? Aller.d

in

o-

habe ich

mich darauf gefreut, von' dieser- Fesselung (durch den milit. Dienst)
wieder befreit zu werden, und eine sus.se Hoffnang flüsterte mir stets
zu• »Zu neuen Ufern Icckt ein neuer Tag,» Drüm XXX nimm das Ünringeneh

me besonders inndem Sinn;

u f» d;

D i r d a z u v e r h i 1 f t,

Leri Genus!

des Sehönen zu vergrössern. Und hierbei mochte ich Dir eineJStelie

v wi. 1

x.n

we'lcher der am Sterbetage heiter philoso-

L J. i' o.)C.

man die Fessein von seinem Xcrper entfernt hat

Platös Phädo yorführen,
phierende Sokhates, als

folgendes bemerkt: »(vorher hiess es: Sokrates aber erhob sich auf sei
•nem Lager zum Sitzen, zog das Schienbein zurück und r.ieb e's' mit der
Hand) Welch eine seltsame Erscheinltjng, ihr Männer, ist, was die Men-
schen angenehm nennen; in wie wunderbarem Verhaltnisse s.t.eht es vcn
Natur zu de'm, was für das Entgegengesetzte gilt, dem Schmerzlichen,
indem beide nicht zuglslch bei dem Menschen sich einfirid.en mögeu; st

rebt

er aber dem einen ri.ach und erreicht

;c ist er fast immer genötigt.

!
 
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