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Hampe, Karl [Oth.]
Nachlass Karl Hampe: Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

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https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0229
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schäft notwendig eintrifft, in seinem Staate das einzige „Individuum“,
weil nur er — nach Dantes Wort — „ein Eines ist, das nicht Teil ist eines-
Andern“ .. denn als Einziger hatte er den unmittelbaren Zugang zu Gott.
In seinen gefährlich-drohenden eisigen Höhen spürte auch er allein als
der freiragende Gipfel der Welt sowohl die irdische Not und ihr Sich-
bereiten, wie die dünne Luft der Welten-Necessitas, das unentrinnbare
gemeinsame Wirken der Mächte des Ober- wie Unterreiches, die sich in
ihm zusammenschlossen. Keiner hat das von den Himmeln und Erden
Verhängte so unmittelbar an der eignen Person erfahren müssen wie der
sternkundige Staufer, der sich wie mit Gott so mit den in steter Gesetz-
mäßigkeit umschwingenden Gestirnen verbunden wußte — auch hier
der Mittler Künder und Deuter, der die Bahnen der Himmelskörper ver-
folgte, um aus ihrem Lauf den des eignen Geschicks und durch ihn den
der Welt zu erfahren und umgekehrt: den Lauf des Endlichen dem der
Gestirne anzugleichen. Erst durch solches Verbundensein eines Einzel-
menschen mit den Gesetzen des Universums beginnt auch Schicksal und
Verhängnis wieder möglich zu werden und von allen den Großen, die
den Kosmos als die eine riesige Einheit begriffen, war jeder auf seine
Weise von der Anschauung Friedrichs II. durchdrungen, daß „der
Planetenstand durch den Wink himmlischen Willens den Heilsstand
der unteren Körper insgesamt wirke“. Kaum wunderbar erscheint es,
daß sich dieser Ausgleich der Himmels- und Erdennatur zuerst in dem
Kaiser vollzog als dem Gipfel des himmelragenden Weltbaus, dem man
eben wegen seiner Doppelnatur eine Art Genien- und Engelscharakter
gewährte, den man einen Cherub nannte oder gar dem Heiland verglich.
In dieser Verschmelzung der ewigen, der „besseren Natur“, wie Fried-
rich II. sie hieß, mit der zeitlichen und vom ursprünglichen Bilde abge-
irrten Menschennatur liegt denn auch der Sinn und das Ziel des irdi-
schen Staates. Die von Friedrich II. gewollte Einheit von Menschenge-
setz, Gottesgesetz und Naturgesetz, die zuerst er selber lebte, bringt sehr
deutlich das Wort eines Chronisten heraus: „Dieser Kaiser, der Welt
wahrer Beherrscher, dessen Ruhm sich über das ganze Erdenrund dehnt,
war des Glaubens, er könne seine Natur der der Himmlischen angleichen
vielleicht durch seine Erfahrung in der Mathematik.“
Zweifellos ist Friedrich II. dieses Glaubens gewesen, ja sogar das Um-
gekehrte hat er herbeigezwungen: die Natur Gottes seiner kaiserlichen
Natur anzugleichen, indem er die Gottheit in ihrem Wirken weit men-
schenähnlicher begriff als die frühere Zeit. Seine Stellung zu den philo-
sophischen Zeitfragen: ob die Welt von Gott geschaffen sei oder ob
Gott nur den vorhandenen Urstoff geformt, ist eindeutig im Gesetzes-

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