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Heidrich, Ernst
Geschichte des Dürerschen Marienbildes — Kunstgeschichtliche Monographien, Band 3: Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.36532#0049
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27

Richtung der Stich der Maria mit der Meerkatze (B. 42). Und während
es für die Entwicklung des Madonnen-Themas sich als unfruchtbar
erwiesen hatte, daß es hineingezogen wurde in den Formenkreis der
Apokalypse, hat diese Berührung mit der rein formalen Problemstellung
der „italienischen" Kunst Dürers dem Marienbild die reichsten Früchte
gebracht: die Madonna mit der Meerkatze ist die Grundlage geworden
für das neue Madonnenbild, das sich erfüllt mit dem Geiste des
Marienlebens.
Zum ersten Mal erscheint bei Dürer — abgesehen natürlich von
der apokalyptischen Stehmadonna — Maria allein mit dem Kinde.
Der Grund für diese Beschränkung der Figurenzahl aber liegt noch
nicht in der Konzentration des Bildinteresses auf eine möglichst verinner-
lichte Auffassung von Mutter und Kind. Vielmehr zeigt kaum ein anderes
Marienbild Dürers so viel Kälte und Gleichgültigkeit des Gefühls-
inhalts, keins ein so geflissentliches Hervorheben des plastisch-statu-
arischen Charakters der Figurengruppe, wie die Madonna mit der
Meerkatze. Alles ist konzentriert auf die Darstellung einer in ihrer
Körperlichkeit möglichst durchgebildeten sitzenden Frau und — dies
für Dürer vielleicht der Ausgangs- und eigentliche Kernpunkt des
ganzen Bildes — auf die Darstellung eines nackten bewegten Kindes.
Es sollte in Dürers Sinn gleichsam ein Stück italienischer Kunst
werden/)
Die lebhafte Beschäftigung mit den italienischen Aktstudien, aus
denen der Herkules-Stich zusammengebaut wurde, war unmittelbar
vorausgegangen, wie auch das noch völlig unveränderte Formgefühl
für das Kräuseln der Falten und für die Behandlung des Bodens
zeigt. In frischer Erinnerung an die dort benutzten Typen und mit
gleicher künstlerischer Tendenz bildete er die Madonna mit dem
Kinde,") und es ist wahrscheinlich, daß dabei nicht nur diese Typen,
sondern auch noch besondere italienische Reminiszenzen nachwirkten.
Zum mindesten für das Kind möchte man das annehmen: die kom-
plizierte Körperdrehung mit dem übergreifenden Arm und in Ver-
bindung damit die Differenzierung der Beinhaltung wird man ohne

*) Zu beuchten auch der bei Dürer sehr seitene runde Heiligenschein.
3) Dabei fortgeschrittener in der Technik, mit größeren Schattentiefen (vgl. Lippmann,
Kupferstich, S. 47), und feiner in der Durchbildung, vgl. z. B. die weichere Behandlung des
Körpers und die feinere Detaillierung des Haares bei dem Kinde.
 
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