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Kokoschka, Oskar; Snell, Bruno; Heise, Carl Georg
Oskar Kokoschka - Thermopylae 1954 — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 68: Stuttgart: Philipp Reclam Jun., 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.61223#0006
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bleme in den Vordergrund gestellt, haben die Bild-
inhalte zwar durch betont gefühlsmäßige Elemente be-
reichert, sind aber historischen Motiven ausgewichen.
Auch hier gibt es Ausnahmen: die bedeutenden religiö-
sen Kompositionen von Georges Rouault und Emil
Nolde. Seither hat die abstrakte Malerei das Gegen-
ständliche überhaupt verdrängt. Und nun malte Oskar
Kokoschka im Jahre 1954 ein großes dreiteiliges Hi-
storienbild — ist das nicht ein Versuch „gegen die Zeit“
und schon damit zum Scheitern verurteilt? Als das Ther-
mopylae-Triptychon für die Hamburger Universität
angekauft werden sollte, glaubte ein kluger und begab-
ter abstrakter Maler der Stadt seinen Protest anmelden
zu müssen: Es sei unstatthaft im Interesse der Ge-
schmackserziehung der Jugend, einen so rückständigen
Bildtypus an so prominentem Ort zur Schau zu stellen.
Sind solche Einwände berechtigt? Zunächst muß wie-
der an eine Ausnahme erinnert werden. Pablo Picasso,
den man gewiß nicht der Rückständigkeit anklagen
kann, hat 1937, also mitten in der Hochblüte der ab-
strakten Malerei, seine Riesenleinwand „Guernica“ ge-
schaffen, die sich vielleicht innerhalb seiner Gesamt-
produktion der größten allgemeinen Beachtung erfreut,
auch sie aus geschichtlichem Erleben, hier freilich des
Zeitgeschehens, entstanden, ein gewaltiges Mahnmal für
Gegenwart und Zukunft. Kokoschkas „Thermopylae“
hat, wie wir sehen werden, ebenfalls in hohem Maße
zeitgeschichtliche Bezüge, freilich in antikischem Ge-
wände. Aber ist das heute verboten? Die großen histori-
schen Begebenheiten gehören zu den ewigen Themen
der Kunst, genau wie das Bildnis und das Kultbild,
obwohl auch diese Gattungen in unserer Zeit keine, oder
doch nur inselhaft vereinzelte Höhepunkte aufzuweisen
haben. Mag Kokoschka also unter diesem Gesichtspunkt
ein Spätling sein (man könnte ebensogut sagen: ein
Neu-Beginner), worauf es bei einem solchen Werk vor
allem ankommt, das ist das künstlerische Gelingen.
Auch dieses wird bezweifelt. Das Thermopylae-
Triptychon ist zwar von der offiziellen Kritik mit Re-
spekt, aber doch im allgemeinen nicht allzu günstig

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