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Heise, Carl Georg; Modersohn-Becker, Paula
Paula Becker-Modersohn - Mutter und Kind — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 62: Stuttgart: Reclam, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.61228#0005
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EINFÜHRUNG

Man hört heute oft die Meinung, es sei in unseren
Tagen nicht mehr möglich, daß ein großer Künst-
ler verkannt werde, weil geradezu ungesund eilfertig
das kleinste Talent durch alle Mittel der Propaganda in
Presse und Ausstellungswesen hochgelobt werde. Für
den gegenwärtigen Augenblick mag das vielleicht ein-
leuchten, wenn es auch zu denken geben sollte, daß noch
vor einem halben Jahrhundert solches Schicksal vor aller
Augen sich vollzogen hat. Paula Modersohn hat zu
ihren Lebzeiten kein Bild verkauft. Obgleich sie in einem
Kreise damals sehr bekannter Maler heranreifte und
auch mit Dichtern wie Carl Hauptmann und Rainer
Maria Rilke in naher freundschaftlicher Verbindung
stand, hat niemand die hohe Bedeutung ihrer Kunst er-
kannt. In seiner Monographie über die Worpsweder
Künstler hat Rilke sie mit keinem Wort erwähnt und
auch später in Paris sie bei Rodin nicht mit einem Hin-
weis auf ihr eigenes künstlerisches Bemühen, sondern
als „Gattin eines sehr angesehenen deutschen Malers“
eingeführt — was diese schmerzlich ihrem Tagebuch an-
vertraut hat. Sein berühmtes Requiem, das er ihr Jahre
nach ihrem Tode gewidmet hat, ist ein verspätetes Be-
kenntnis, und so eindrucksvoll es der seltenen Persön-
lichkeit ein freundschaftliches Denkmal setzt, vermittelt
es doch keine zureichende Vorstellung von ihrer Künst-
lerschaft. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie zu-
erst bekannt durch die Buchausgabe einer Auswahl ihrer
Briefe und Tagebuchblätter — auch dies eher eine Ver-
dunkelung als eine Erhellung ihrer entscheidenden Le-
bensleistung (Seite 19-29). Denn es überwiegen hier lei-
der weitaus die Zeugnisse der noch zeitbedingt gefühls-
seligen Jungmädchenjahre, und die fruchtbaren Span-
nungen im Kampf um ihre künstlerische Meisterschaft
kommen viel zu wenig zu Wort.
Obgleich sich inzwischen die Anerkennung ihrer Kunst
durchgesetzt hat und auch manches Gute über sie ge-
schrieben worden ist, hat Paula Modersohns Malerei

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