XII
EINLEITUNG
als die farbigere Pracht Lebrun’s abgelegt und die Kunstrichtung Hardouin-Man-
sarts zur siegreichen geworden war.24)
Diese Wandlung grenzt bezeichnenderweise nahe an den Zeitpunkt der
Wiedererfindung des Porzellanes. Die soliden, massigen Formen des Steingutes
und der Majolika passten ebensosehr zum Stilgefühl der Renaissance wie die
schwerfällige, »barocke« Grazie chinesischer Gefässformen und der sie imitieren-
den Fayence sich dem barocken Pompe der Interieurs Louis XIV einfügten.
Je mehr die Dekoration nach dem Flellen und Lichten fortschritt, umso
dringender musste das Bedürfniss nach dem echten Porzellan mit seinem schim-
mernden Weiss werden; umsoweniger konnte die Fayence einen Ersatz bieten.
Dem zarteren Geschmack, welcher dem Louis XIV folgte, wie den verfeinerten
Bedürfnissen sagten dessen derbe Formen, die schwere und dicke Masse nicht
mehr zu. In der letzten Zeit vor der Erfindung des Porzellanes gingen darum
von den Höfen grosse Summen äusser Landes, um das echte chinesische Por-
zellan zu beschaffen; dieser praktische Nachteil schon musste den Fürsten den
Wunsch rege machen, dem Tribut ein Ende zu machen und selbst Porzellan
herzustellen. Der Chemiker Tschirnhauss in Dresden liess sich bei seinen Ver-
suchen von dem ausgesprochenen Wunsch leiten, »Sachsens porzellanenen Schröpf-
köpfen ein Ende zu machen.«25) Bei August dem Starken und den späteren Schirm-
herren der Porzellanfabrikation kamen alsdann der Ehrgeiz, die Hoffnung hinzu,
mit einer neuen Einnahmequelle den zerrütteten Finanzen aufzuhelfen.
Nach der glücklichen Erfindung des Porzellanes durch Böttcher ist es zu-
nächst die Formenwelt des ostasiatischen Porzellanes, welche in der frühen
Meissener Zeit und auch in den Anfangsstadien der ersten folgenden Gründun-
gen vorwaltet, welche sämmtlich Töchter Meissens sind. Dass beim technischen
Lernen einzelne Kunstzweige zeitweilig auch in formale Abhängigkeit von den
Lehrmeistern und Vorbildern geraten, ist eine Erscheinung, welche sich in der
Kunstgeschichte mehrfach wiederholt.
Darnach erst fanden auch die in der zeitgenössischen europäischen Kunst
geltenden Formen im Porzellan Eingang. In Meissen herrschten, ehe das
Rokoko in der Dekoration auftrat, noch eine Zeit lang die barocken Formen,
jener Stil, der in Sachsen im Dresdener Zwinger ein Denkmal erhalten hat.
Der bildnerische Drang des Barockstiles ist es, welcher in die Porzellanfabrikation
EINLEITUNG
als die farbigere Pracht Lebrun’s abgelegt und die Kunstrichtung Hardouin-Man-
sarts zur siegreichen geworden war.24)
Diese Wandlung grenzt bezeichnenderweise nahe an den Zeitpunkt der
Wiedererfindung des Porzellanes. Die soliden, massigen Formen des Steingutes
und der Majolika passten ebensosehr zum Stilgefühl der Renaissance wie die
schwerfällige, »barocke« Grazie chinesischer Gefässformen und der sie imitieren-
den Fayence sich dem barocken Pompe der Interieurs Louis XIV einfügten.
Je mehr die Dekoration nach dem Flellen und Lichten fortschritt, umso
dringender musste das Bedürfniss nach dem echten Porzellan mit seinem schim-
mernden Weiss werden; umsoweniger konnte die Fayence einen Ersatz bieten.
Dem zarteren Geschmack, welcher dem Louis XIV folgte, wie den verfeinerten
Bedürfnissen sagten dessen derbe Formen, die schwere und dicke Masse nicht
mehr zu. In der letzten Zeit vor der Erfindung des Porzellanes gingen darum
von den Höfen grosse Summen äusser Landes, um das echte chinesische Por-
zellan zu beschaffen; dieser praktische Nachteil schon musste den Fürsten den
Wunsch rege machen, dem Tribut ein Ende zu machen und selbst Porzellan
herzustellen. Der Chemiker Tschirnhauss in Dresden liess sich bei seinen Ver-
suchen von dem ausgesprochenen Wunsch leiten, »Sachsens porzellanenen Schröpf-
köpfen ein Ende zu machen.«25) Bei August dem Starken und den späteren Schirm-
herren der Porzellanfabrikation kamen alsdann der Ehrgeiz, die Hoffnung hinzu,
mit einer neuen Einnahmequelle den zerrütteten Finanzen aufzuhelfen.
Nach der glücklichen Erfindung des Porzellanes durch Böttcher ist es zu-
nächst die Formenwelt des ostasiatischen Porzellanes, welche in der frühen
Meissener Zeit und auch in den Anfangsstadien der ersten folgenden Gründun-
gen vorwaltet, welche sämmtlich Töchter Meissens sind. Dass beim technischen
Lernen einzelne Kunstzweige zeitweilig auch in formale Abhängigkeit von den
Lehrmeistern und Vorbildern geraten, ist eine Erscheinung, welche sich in der
Kunstgeschichte mehrfach wiederholt.
Darnach erst fanden auch die in der zeitgenössischen europäischen Kunst
geltenden Formen im Porzellan Eingang. In Meissen herrschten, ehe das
Rokoko in der Dekoration auftrat, noch eine Zeit lang die barocken Formen,
jener Stil, der in Sachsen im Dresdener Zwinger ein Denkmal erhalten hat.
Der bildnerische Drang des Barockstiles ist es, welcher in die Porzellanfabrikation