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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Katalog einer Kunstsammlung: [Auktion in München in der Galerie Helbing am 3. Dezember 1906] — München, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.15730#0012
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Bayersdorfer wanderte und mich mit der Bitte vorstellte, mir diesbezüglich an die Hand zu gehen. Er wies mich an
Prof. Sepps hervorragende Sammlung mit den beiden Schaeufeleinschen Tafeln des Hohlheimer Altares. Bayersdorfer
begegnete mir vom ersten Momente an so zuvorkommend, daß ich gerne seiner Aufforderung, ihn öfters aufzusuchen,
nachgekommen bin. Wir trafen uns in einer bescheidenen Stube in der Alten Pinakothek, wo er sein reiches Photo-
graphien-Material aufgestapelt hatte und mir stets allerlei interessante Mitteilungen machte. Immer mehr Berührungs-
punkte fanden sich und eine schier unglaubliche Ubereinstimmung im künstlerischen Geschmacke. Wir besuchten
wiederholt die Jahresausstellungen der Sezession und der Künstlergenossenschaft, aber nicht ein Werk sahen wir, wo
wir verschiedener Meinung gewesen wären. Als ich in einer Frühjahrsausstellung der Sezession die großartige Land-
schaft Karl Haiders, die zu besitzen ich noch heute das Glück habe, sah und unter ihrem mächtigen Eindrucke das
Ausstellungsgebäude verließ, trat gerade Bayersdorfer ein, dem ich von dem mir ganz unbekannten Meister und
seinem Bilde erzählte. Er lächelte (er gehörte zu den größten Verehrern dieses Meisters) und sagte mir, daß ich
damit nichts Neues entdeckt habe. So gewann ich ein derartig absolutes Vertrauen in die Übereinstimmung unseres
Geschmackes, daß ich auf seine Empfehlung Werke erworben habe, die ich gar nicht einmal gesehen hatte. So
z. B. den Luca Signorelli, den Jan Mostart, den Nieulandt, den Breughel. Selbstverständlich erstand ich auch manche
erst, nachdem ich Bayersdorfers Rat eingeholt hatte. Der Signorelli war sein Lieblingsbild. Zweimal hatte ich die
große Freude, daß er mich in Prag aufsuchte und stets betrachtete er am längsten dieses Bild, das aus einer Zeit-
epoche stammt, die niemand so wie Bayersdorfer verstanden und beherrscht hat. Da war er auf ureigenstem Ge-
biete. Zu den genußreichsten Stunden meines Lebens gehört der Besuch der Nostitzschen Galerie und des Stiftes
Strahow in Prag zusammen mit Bayersdorfer. Er kannte merkwürdigerweise diese Sammlungen nicht. Lange blieb
er vor Dürers Rosenkranzfest stehen, untersuchte es genau und fand, wie zahlreiche Partien noch tadellos erhalten und
unverletzt geblieben sind, die für sich allein von unschätzbarem Werte sind. Er bedauerte, wie das Werk so schlecht
untergebracht und vernachlässigt sei. Ich glaube, die Zustände sind seither besser geworden, aber es nimmt lange
doch nicht die ihm gebührende Stelle ein. Es ist ja das Werk, das Dürer als sein bestes, das er geschaffen, bezeichnet
hat. Könnte dieses Werk, das Rudolf II. um eine hohe Summe für seine Sammlung erworben hatte
und das auf Befehl Kaiser Josephs II. aus der kaiserlichen Sammlung in Prag nach Wien überführt
werden sollte, dabei in Verlust geraten ist und erst später in den Besitz desPrämonstratenserStiftes
Strahow gekommen ist (wie Thausing berichtet), nicht wieder in den re ch t m ä ßige n Besitz unserer
kaiserlichen Sammlungen gelangen! Bevor wir uns in das Gedenkbuch des Stiftes eintrugen, bemerkte Bayers-
dorfer in seiner gutmütig sarkastischen Weise dem tschechischen Pater gegenüber, daß er seinen Namen nur deutsch
eintragen werde und sich auf die Zweisprachigkeit nicht einlassen könne. Wir wanderten dann etwas ermüdet ins
deutsche Kasino, wo wir uns bis spät in die Nacht bei vorzüglichem Pilsner vor allen über Klinger, Thoma, Menzel
und manche andere deutsche zeitgenössische Meister unterhielten.

Von dem ursprünglichen Plane, nur die deutschen Schulen bis zum 16. Jahrhundert zu sammeln, fiel ich
bald ab; wirklich Gutes war kaum mehr zu finden und ich begann zu erwerben, was mir gefiel; so kamen die »Nieder-
länder« und auch die griechische Plastik dazu.

Für die Bearbeitung der Werke hatte ich das Glück, hervorragende Kräfte zu gewinnen, wie die Herren
Dr. Eduard Flechsig, herzoglicher Museumsinspektor in Braunschweig,
Dr. C. Hofstede de Groot im Haag, Niederlande,

Dr. Reinhold Freiherr von Lichtenberg, Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule in Karlsruhe,
Dr. Arthur Mahler, Privatdozent für klassische Archäologie an der deutschen Universität in Prag.
Ich statte diesen Herren hiermit nochmals meinen Dank für die Sorgfalt und Gründlichkeit ihrer Arbeiten ab.
Ebenso bin ich der Bibliothek des Kgl. Kunstgewerbe-Museums in Berlin sehr zum Danke verpflichtet, die
mir stets in der bereitwilligsten Weise erschöpfende Auskunft über Trachtenfragen gegeben hat.

Ich hoffe, daß sich in den Beischriften manches auch für den Kunsthistoriker Interessantes finden wird,
wobei ich meine ausdrücklich davon ausgenommen wissen will. Meine Beschäftigung auf ganz anderen Gebieten
läßt mir natürlich nicht die genügende Zeit, gründliche Studien anzustellen; ich stütze mich nur auf Arbeiten anderer,
ohne Neues bieten zu können. Für die Kunstgeschichte der Dürerschen Schule dürfte die Publizierung des Hohlheimer
Altares nicht unwichtig sein. In bereitwilligster Weise hat S. Hochwürden der Pfarrer von Kleinerdlingen bei Nörd-
lingen die Herabnahme und Photographierung der Schaeufeleinschen Altartafeln gestattet. Auf Grund dieser Aufnahmen
dürfte die Rekonstruktion des Altarwerkes wohl keinem Einwände begegnen und auch eine Wertschätzung ermöglicht sein.
Auch die Publizierung einer neuen Replik des Eyckschen Christuskopfes gleichzeitig mit den anderen bekannten
 
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