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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Sammlung Lord Sudeley, Toddington Castle (Gloucestershire): Schweizer Glasmalereien vorwiegend des XVI. und XVII. Jahrhunderts ; [Auktion in der Galerie Helbing in München, 4. Oktober 1911] — München, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.17051#0013
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EINLEITUNG

Zur Geschichte der Glasmalerei in der Schweiz.

Bis zum Ausgange des Mittelalters gehörte die Glasmalerei in erster Linie unter die den Bedürfnissen
der kirchlichen Baukunst dienenden monumentalen Künste. Doch hatte sie sich nebenbei auch anderen
Ansprüchen anzupassen, denn mit Glasmalereien verlieh man nic ht nur den Fensterflächen großer und kleiner
Kirchen und Kreuzgänge einen wegen seiner Farbenglut von den Zeitgenossen ganz besonders hoch ge-
priesenen Schmuck, sondern seit dem Aufkommen des Maßwerkes in seiner verschiedenartigen Verwendung
ebenso den großen und kleinen Öffnungen dieser kunstvollen Steinnetze. Die Glasmaler mußten darum
imstande sein, auch Ansprüchen der Kleinkunst zu genügen.

In dem bekannten Traktate, »Diversarum artium schedula«, das der Presbyter Theophilus zu Ende
des Ii. oder zu Anfang des 12. Jahrhunderts über die Ausübung verschiedener Handfertigkeiten verfaßte,
gibt er auch eine eingehende Anweisung zur Herstellung von Glasmalereien. Dabei setzt er voraus, daß
die Herstellung des Glases, die Zeichnung, die Bemalung, deren Einbrennen und das Zusammenfügen der
verschiedenen Glasstücke zu einem Bilde von der gleichen Person ausgeführt werde. Das mag zu jener Zeit
bei bescheidenen Ansprüchen wohl möglich gewesen sein. Als diese aber sowohl mit Bezug auf den Um-
fang der Aufgaben als auch auf die Qualität der Technik und Zeichnung wuchsen, trat eine Arbeitsteilung
ein. Da man Glas nicht nur zu Fensterverschlüssen und Glasmalereien herstellte, sondern daraus seit äl-
testen Zeiten auch Gefäße und Schmuck anfertigte, riefen diese mannigfaltigen Bedürfnisse schon im frühen
Mittelalter Glashütten ins Leben, für deren Tätigkeit die römischen als Vorbilder dienten.

Wie wir in frühester Zeit die Glasmaler unter den Klosterinsassen zu suchen haben, so gehörten im
Gebiete der heutigen Schweiz auch die ältesten Glashütten zu Klosterbetrieben. Aber schon seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts reihen Glasbereitung und Glasmalerei fast ausschließlich unter die weltlichen Berufs-
arten ein, und nur ausnahmsweise erfahren wir, daß man sich auch noch in Klöstern damit befaßte.

Wohl gaben für den künstlerischen Wert eines Glasgemäldes Zeichnung und Komposition den Aus-
schlag, für die das Auge vor allem bestechende Farbenwirkung und Leuchtkraft aber die Qualität der Glä>er.
Da nun nicht jede Glashütte imstande war, darin gleich Gutes zu leisten, bezog man die verschiedenen Glas-
sorten oft von weit her. Unter diesen fremden Erzeugnissen erfreuten sich die aus Venedig, Burgund und
verschiedenen Gegenden Deutschlands darum einer besonderen Beliebtheit, weil man technisch hervor-
ragende Produkte im eigenen Lande nicht herzustellen vermochte. Auch die Glasmaler waren mit wenig
Ausnahmen Fremde, meist Franken, Schwaben und Rheinländer. Zum Glück für die Glasmalerei in der
Schweiz ließen sich gerade die besten Meister bleibend an ihren neuen Wohnorten nieder und erwarben
das Bürgerrecht, sei es, daß sie um die Einkaufssumme dem Rate Arbeiten lieferten oder darum mit der
Stadt Panner ins Feld zogen, wozu es damals an Gelegenheit nicht fehlte.

Solange diese Verhältnisse dauerten, ist es geradezu ausgeschlossen, daß sich in der Eidgenossen-
schaft eine nationale Glasmalerkunst entwickeln konnte, die sich von der in den Grenzländern ausgeübten
wesentlich unterschied. Und in der Tat lassen sich die Anfänge zu einer solchen auf schweizerischen Glas-
bildern erst mit dem Ausklingen des gotischen Stiles erkennen.

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