gelialte im Konflikt liegen, so nur deshalb, weil unterhalb des Bewußt-
seins der für Ideen streitenden Menschen sich der historische Prozeß
einen Schritt weiter bewegt und die Kämpfe der Menschen benutzt, seine
nächste Stufe zu verwirklichen. So ist denn auch für den Einzelnen, wel-
cher in diesem Prozeß steht, die Orientierung an Werten nur vermeint-
lich selbst gewählt. Als ein „Glied der unendlichen Kette“ der Geschichte
erfüllt er seine Aufgabe im Fortgänge des Ganzen und kann nicht wissen,
wem in Wahrheit seine Arbeit dient. Die Geschichte ist ein einziger
allumfassender Ablauf, der einem vorbestimmten Ziele zusteuert, und
das Menschengeschlecht ist der Ort, in dem sich dieses Ziel schrittweise
herstellt. Deshalb kann auch in diesem Ganzen eine echte Gegensätzlich-
keit des Wertvollen gar nicht gedacht werden. Die jeweils bezogenen Stel-
lungen werden dann aufgegeben, wenn es das Ziel erfordert. Und der
Wille des Menschen ist innerhalb dieses erhabenen Spiels nur notwendige
Illusion. „Werte“ sind in Wahrheit nur wertvoll als Mittel, den wahren
Wert in der Geschichte wirklich werden zu lassen. Deshalb haben sie alle
ein gleiches Recht, indem sie an ihrem Ort diese Aufgabe erfüllen. Und
sollte die Wirklichkeit der sittlichen Weltordnung Ziel der Geschichte
sein, so sind die Mächte des Bösen, welche in ihr wirksam wurden, vor der
sittlichen Tat, welche mithalf, Geschichte zu gestalten, nicht minderen
Ranges. Geschichte ist die Evolution einer Wahrheit und vor ihr sind alle
werthaften Gehalte relativ (148), nämlich als Mittel eines göttlichen
Planes, der von Anbeginn ihnen ihre Aufgabe zuwies. Und in diesem
Sinne ist der Relativismus der Werte „organisch“, sinnvoll aber letztlich
nur auf dem Boden einer Metaphysik, welche die Gewißheit der Einsicht
in jenen letzten Plan glaubt besitzen zu können (470) h
Wie aber steht der Mensch in einem solchen organischen Entwicklungs-
prozeß, wie hat er sich des Sinnes seines Handelns zu versichern? Auch
der Mensch ist ja Teil des umfassenden Ablaufes und in seiner Eigenart
geschaffen, diesem Ablauf dienstbar zu sein. Er kann also gar nicht an-
ders, als dem Gesetz des historischen Universums zu gehorchen. In ihm
selbst setzt sich die Absicht des Weltgeistes durch. Also wird er sich den
Antrieben, welche zu seinem Handeln aus dem Untergründe seiner Seele
aufsteigen, nur zu überlassen brauchen, um ursprünglich gerechtfertigter
Teil zu sein in dem Ganzen, das allein seinem Handeln „Sinn“ geben
kann. Alles, was der „Substanz“ eines Individuums ungebrochen ent-
stammt, macht den höchsten Wert dieses Menschen vor den Schranken
1 Diese Skizze gibt einen „sinnadaequaten Idealtypus“ der romantischen Ge-
schichtsphilosophie, wie sie vor allem in Herders Frühschriften angelegt ist.
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seins der für Ideen streitenden Menschen sich der historische Prozeß
einen Schritt weiter bewegt und die Kämpfe der Menschen benutzt, seine
nächste Stufe zu verwirklichen. So ist denn auch für den Einzelnen, wel-
cher in diesem Prozeß steht, die Orientierung an Werten nur vermeint-
lich selbst gewählt. Als ein „Glied der unendlichen Kette“ der Geschichte
erfüllt er seine Aufgabe im Fortgänge des Ganzen und kann nicht wissen,
wem in Wahrheit seine Arbeit dient. Die Geschichte ist ein einziger
allumfassender Ablauf, der einem vorbestimmten Ziele zusteuert, und
das Menschengeschlecht ist der Ort, in dem sich dieses Ziel schrittweise
herstellt. Deshalb kann auch in diesem Ganzen eine echte Gegensätzlich-
keit des Wertvollen gar nicht gedacht werden. Die jeweils bezogenen Stel-
lungen werden dann aufgegeben, wenn es das Ziel erfordert. Und der
Wille des Menschen ist innerhalb dieses erhabenen Spiels nur notwendige
Illusion. „Werte“ sind in Wahrheit nur wertvoll als Mittel, den wahren
Wert in der Geschichte wirklich werden zu lassen. Deshalb haben sie alle
ein gleiches Recht, indem sie an ihrem Ort diese Aufgabe erfüllen. Und
sollte die Wirklichkeit der sittlichen Weltordnung Ziel der Geschichte
sein, so sind die Mächte des Bösen, welche in ihr wirksam wurden, vor der
sittlichen Tat, welche mithalf, Geschichte zu gestalten, nicht minderen
Ranges. Geschichte ist die Evolution einer Wahrheit und vor ihr sind alle
werthaften Gehalte relativ (148), nämlich als Mittel eines göttlichen
Planes, der von Anbeginn ihnen ihre Aufgabe zuwies. Und in diesem
Sinne ist der Relativismus der Werte „organisch“, sinnvoll aber letztlich
nur auf dem Boden einer Metaphysik, welche die Gewißheit der Einsicht
in jenen letzten Plan glaubt besitzen zu können (470) h
Wie aber steht der Mensch in einem solchen organischen Entwicklungs-
prozeß, wie hat er sich des Sinnes seines Handelns zu versichern? Auch
der Mensch ist ja Teil des umfassenden Ablaufes und in seiner Eigenart
geschaffen, diesem Ablauf dienstbar zu sein. Er kann also gar nicht an-
ders, als dem Gesetz des historischen Universums zu gehorchen. In ihm
selbst setzt sich die Absicht des Weltgeistes durch. Also wird er sich den
Antrieben, welche zu seinem Handeln aus dem Untergründe seiner Seele
aufsteigen, nur zu überlassen brauchen, um ursprünglich gerechtfertigter
Teil zu sein in dem Ganzen, das allein seinem Handeln „Sinn“ geben
kann. Alles, was der „Substanz“ eines Individuums ungebrochen ent-
stammt, macht den höchsten Wert dieses Menschen vor den Schranken
1 Diese Skizze gibt einen „sinnadaequaten Idealtypus“ der romantischen Ge-
schichtsphilosophie, wie sie vor allem in Herders Frühschriften angelegt ist.
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