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Koch, Alexander [Editor]; Hessische Landesausstellung für Freie und Angewandte Kunst <1908, Darmstadt> [Editor]; Städtisches Ausstellungsgebäude auf der Mathilden-Höhe <Darmstadt> [Editor]
Hessische Landes-Ausstellung Darmstadt 1908: [23. Mai bis Ende Oktober] — Darmstadt, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.24093#0034
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Nach dem zweiten Gange erhob sich Staatsminister Ewald, Exz., und hielt
eine Ansprache etwa folgenden Inhalts:

Königliche Hoheit!
Hochansehnliche Festversammlung!

Eure Königliche Hoheit haben geruht, die Widmung der Stadt Darmstadt entgegenzunehmen
als ein würdiges Zeichen der Dankbarkeit der Residenz für die segensreiche Fürsorge Eurer König-
lichen Hoheit für Kunst und Gewerbe. Wir alle, denen es vergönnt ist, an der heutigen Feier teil-
zunehmen, bitten Eure Königliche Hoheit, auch uns zu gestatten, den gleichen Empfindungen Aus-
druck zu verleihen. Der ungeahnte wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands infolge der Ereignisse
des Jahres 1870 hatte neues Leben dem deutschen Kunstempfinden und Kunstbedürfnis eingeflößt.
Die schlichten Kunstideale der an materiellen Gütern armen sogenannten Biedermeierzeit wichen dem
Bestreben, Haus und Heim in die reicheren Formen älterer Stilperioden zu kleiden. Bald aber wurden
der künstlerischen Schöpfungskraft die Schranken der Überlieferung zu eng. Im Kunstgewerbe setzte
die neuzeitliche Bewegung ein, die in einer vernünftigen Übereinstimmung der ästhetischen Form
mit der Zweckbestimmung jedes Gegenstandes ihre vornehmliche Aufgabe erblickt.

Diese in ihren Anfängen viel bekrittelte und belächelte Reformbestrebung mit ganzer Kraft,
beträchtlichen Opfern und dem klaren Blick des Kunstverständigen als erster deutscher Fürst in
seinen Schutz genommen zu haben, ist Eurer Königlichen Hoheit bleibendes Verdienst.

Die Kunst aus den Museen und Galerien herauszuholen und auch dem Minderbegüterten zu
einem, wenn auch einfachen, doch geschmackvoll ausgestatteten Heim zu helfen, ist das schöne Ziel,
das Eure Königliche Hoheit verfolgen und dem wir heute wieder einen Schritt näher gekommen sind.

Wohl weiß ich, daß Lobeserhebungen hierüber dem Empfinden Eurer Königlichen Hoheit
nicht entsprechen, allein wir Minister, so mahnen uns die Herren Abgeordneten des Landtages, sollen
ja nichts, was das Hessenvolk bewegt, der Allerhöchsten Kenntnis vorenthalten, auch das nicht, was
auf gnädige Aufnahme nicht zu rechnen hat. Und so bitte ich Sie, meine Herren, mich hierin zu
unterstützen und mit mir einzustimmen in den Ruf: „Seine Königliche Hoheit der Großherzog, der
hohe Protektor unserer Ausstellung, der Schirmherr aller Künste und Gewerbe, er lebe hoch!

Alsbald erwiderte Se. Königl. Hoheit der Grofjherzog mit folgenden Worten:

Meine Herren! Das eifrige Vorwärtsstreben unserer hessischen Künstler, von dem besonders
das letzte Jahrzehnt erfüllt war, hat gute Früchte gebracht. Die Geschmacklosigkeit, die Unechtheit
in Form und Material, die sich noch um die Jahrhundertwende in Architektur und angewandter Kunst
breit machte, muß immer mehr einer Schönheit weichen, die aus Wahrheit und Zweckmäßigkeit her-
vorwächst. Das bestätigt auch unsere Ausstellung, auf der — was mit besonderer Anerkennung
gesagt sei — die freie Kunst so vortrefflich vertreten ist, wie dies wohl noch auf keiner, ausschließlich
hessischen Ausstellung der Fall war.

Meine Herren! Die hessische Landesausstellung soll uns nicht nur den Weg zeigen, der
zurückgelegt worden ist, sie soll uns auch die Richtlinien geben, auf denen nach weiterer Vervoll-
kommnung gearbeitet werden muß. Hierin sehe ich eine der wichtigsten Aufgaben des Werkes,
das wir heute der Öffentlichkeit übergeben. Möge diese Ausstellung der hessischen Künstlerschaft
die verdiente Anerkennung bringen, möge ihr aber das Gefühl des Könnens und Gelingens auch
ein Ansporn sein zu jugendfrischem Weiterstreben nach den Höhen der Kunst, die die schönste
Blüte eines Volkes ist. In diesem Sinne rufe ich heute, wie vor acht Jahren bei der Grundsteinlegung
des Ernst-Ludwigshauses: Mein Hessenland blühe, und in ihm die Kunst!

Ich bitte, erheben Sie Ihre Gläser und rufen Sie mit mir: Hessen hoch.

Dieses Hoch fand brausenden Widerhall. — Damit war die Reihe der Toaste
beendet.

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