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Dragendorff, Hans [Hrsg.]; Hiller von Gaertringen, Friedrich [Hrsg.]
Thera: Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 - 1902 (Band 2): Theraeische Gräber — Berlin, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1146#0245
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Chronologie. Historische Ergebnisse

235

Scherben stammen entweder aus anderen Teilen der Nekropole, oder sie sind aus dem Schutt
aufgelesen oder gehören zum Massenfunde.

Bis ins VI. Jahrhundert hinein sind also, soweit die Funde ein Urteil darüber gestatten,
die Beziehungen Theras zum Mutterlande sehr rege geblieben. Die Beziehungen zu Jonien
haben sich erst allmählich daneben angebahnt. Mit dem VI. Jahrhundert haben die Beziehungen
zum Westen eher noch eine Steigerung erfahren. Der enge Anschluß Theras an Sparta fällt
in diese Zeit230). Es ist die Periode, wo auch im theräischen Alphabet sich mutterländisch-
griechische Einflüsse geltend machen 231). Eine gute Bestätigung erhalten die Resultate dieser
Betrachtungen auch noch durch den großen archaischen Münzfund von Thera, dessen Stücke
dem VII. und VI. Jahrhundert angehören und in dem Jonien und die östlichen Inseln so gut
wie garnicht vertreten sind, während der Löwenanteil Aigina zufällt, neben dem einiges von
den Nachbarinseln, Korinthisches und vor allem nach euböischem Fuß Geprägtes sich findet*32).
Bei der großen Bedeutung, welche Aigina, Korinth und Chalkis als Durchgangsstationen für
den griechischen Handel und speciell die Vermittelung zwischen Jonien und dem Mutterlande
hatten, mag auch manches jonische Fundstück nicht direkt, sondern erst auf dem Umwege
über eine dieser Städte nach Thera gelangt sein.

Noch ein paar interessante Schlüsse lassen sich aus den Funden von Thera ziehen.
Phönikisches oder auch nur auf Vermittelung durch phönikischen Handel Hinweisendes fehlt
vollkommen. Wir können in den Phönikern danach nicht einmal ein wichtiges Element im
Handelsverkehr der Insel sehen, geschweige denn eine Besiedelung durch sie nachweisen, wie
Herodot IV 147 erzählt. Hier wie anderwärts sind die Kadmeer daran schuld, daß die Phöniker
in die Vorgeschichte hineingemengt werden.

Weiter ist wichtig, daß die blühende Thonindustrie der Tochterstadt Kyrene, obgleich
sie sich in der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts einen weiten Markt, auch im Osten, erobert
hatte, in Thera auch nicht durch eine Scherbe vertreten ist, eine deutliche Illustration für das
schlechte Verhältnis, das zunächst zwischen Thera und seiner Kolonie bestanden hat. Es wäre
auch unter diesem Gesichtspunkte von größtem Interesse, die älteste Nekropole von Kyrene
zu finden, die gewiß das Gegenbild dazu geben wird. Durch diesen Abbruch der Beziehungen
erklärt sich auch, daß wir die Kyrenäer so bald nach ihrer Auswanderung auf ganz anderen
Kunstbahnen finden als die Theräer.

Auch von der großen Freundschaft mit Samos, von der Herodot zu berichten weiß
und die er in sehr frühe Zeit setzt (IV 152), ist in den Funden noch nichts zu bemerken.
Sicher Samisches ist bisher in Thera nicht gefunden. Die engen Beziehungen, welche zu
Herodots Zeit bestanden, werden danach wohl frühestens im Verlaufe des VI. Jahrhunderts
angeknüpft sein233).

Spät und spärlich erscheint in Thera Attisches. Ob Attika sich je in Thera einen
rechten Markt für seine Thonware erobert hat, müssen weitere Grabungen lehren. Es darf
aber hier wohl darauf verwiesen werden, daß auch auf Kreta attische Vasen der Blütezeit
ganz selten sind2ii), ebenso wie sie auch in den Funden von Rhodos u. s. w. keine Rolle
spielen, die sich auch nur annähernd mit der in Italien und in der späteren Zeit auch in
Südrußland vergleichen läßt235).

Z3Z

Dorf

280) Thera I 143. 148 Dabei ist schließlich gleich-
gültig, ob es sich nur um Erneuerung eines alten
Verhältnisses handelt, oder ob erst jetzt das
dorische Thera sich an Sparta selbst anschloß.

*") Thera I 156.

232) Head Hist. num. 407 f. Thera 1 154 f.

!SS) Thera I 1 f. 146 f. 160.

2M) Vergl. Mariani Mon. dei Lmcei VI 344.

286) Pottier Cat. des vases antiques I 157 f.

30*
 
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