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Preise in Schweizer Franken
Musik
Mai . . Als Nr. XIV und XXIV folgen seine beiden anderen Lieder. Unter den Kom-
ponisten dieses Heftes finden wir außer den drei schon bei den Winterliedern genannten
Wienern Madame Müller, Krickel und Leopold Hoffmann, Kapellmeister bei
St. Stephan, dessen Adjunkt Mozart noch im Mai 1791 geworden ist. Als Textdichter sind
u. a. Weisse, Campe, Salzmann, Hagedorn genannt und mehrfach Over-
beck, aber nur zweimal Sturm.
Christoph Christian Sturm (1740—86) war Hauptpastor an der Kirche St. Petri und
Scholarch in Hamburg. Seine „Lieder und Kirchengesänge” sind 1780 dort erschienen,
ebenso die zu Sturms Texten komponierten „Geistlichen Gesänge mit Melodien zum Sin-
gen bey dem Claviere”, von Carl Philipp Emanuel Bach, darunter „Der Frühling”, den
1787 auch Joh. Friedr. Reichardt im dritten Teile seiner „Lieder für Kinder” in Wol-
fenbüttel mit neuer Musik erscheinen hatte lassen und den nun Mozart mit seinem lieb-
lichen Liede komponierte. Er überschrieb es — laut seinem Werkverzeichnis — „Im Früh-
lings Anfang”, doch der Herausgeber, der seinen Komponisten wohl alle Texte lieferte
und diese oft neu betitelte, änderte diesen Titel, vielleicht wegen der Aehnlichkeit mit den
Titeln anderer Lieder des Heftes in: „D ankesempfindung gegen den Schöp-
fer des Frühlings” ab.
Christian Adolph Overbeck (1755—1821), ein Jugendlyriker, der die stehende
Figur des kleinen fritz in die Kinderbücher und Zeitschriften eingeführt hat, hatte sein
durch Mozart so berühmt gewordenes Gedicht „K omm, lieber Ma i”, als es im
Vossischen Musenalmanach für 1776 erschien, „Fritzchen an den Mai” betitelt. Es war —
nach Max Friedländers Werk „Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert” (Stuttgart 1902) —
zwischen 1777 und 1790 schon sieben Mal komponiert worden, darunter von Reichardt
(„Lieder für Kinder aus Campes Kinder-Bibliothek”, I. Teil, Hamburg 1781). Nach Mozart
ist es auch noch von Robert Schumann komponiert worden, aber als Duett. Der Text
war schon 1782 in der zweiten Aufl. der „Kleinen Kinderbibliothek” J. H. Campe’s ver-
ändert worden, sogar im Titel: „Sehnsucht nach dem Frühling e”, und ist
seitdem meistens so gedruckt worden, auch hier. In der ersten Strophe hieß es z. B. ur-
sprünglich: „Ein Blümchen (statt: ein Veilchen) wieder sehen!” Aber die Aenderung des
„Fiekchen” der zweiten Strophe in ein „Lottchen” ist erst in Wien erfolgt.
Das andere Lied von O v e r b e c.k isi ,,D as Kinderspie 1”, dessen Text ein
Jahr nach dem Mai-Lied im selben Almanach erschienen war und dessen zweite Kompo-
sition wieder R e i ch a r d t im gleichen Teile seiner Campe’schen Lieder veröffentlicht
hatte; vor und nach Mozarts Lied sind übrigens noch zwei weitere Kompositionen dieses
Gedichtes erschienen.
Mozarts Komposition kam übrigens 1833 mit einem neuen Text ins Dänische Kom-
mersbuch. Das reizende Original aber ist bis heute eines der beliebtesten Kinderlieder
geblieben.
Nach Mozarts Tode erschien 1799 das Mailied als zweites Stück im vierten Teil der
Serie „Zwey Deutsche Arien zum Singen beim Clavier” bei Artaria in Wien, die beiden
anderen Lieder als fünfter Teil dieser Serie (Titelauflage bei Jean Cappi 1801, vermehrt
um zwei apokryphe Lieder). Im gleichen Jahre erschienen die drei Kinderlieder in
„Oeuvres complettes”, Cahier V, bei Breitkopf & Haertel in Leipzig, in den „XXX Gesän-
gen mit Begleitung des Pianoforte”. Während der Leipziger Druck sicher nicht nach der
Handschrift erfolgt ist, kann man von d. Wiener Druck annehmen, daß ihm doch noch der
Erstdruck zu Grunde lag. Leider ist auch der fünfte Teil jener Serie spurlos ver-
schwunden, der vierte sehr selten geworden, sodaß die späteren Ausgaben, auch die
verschlechterten Wiener „Oeuvres” der Chemischen Druckerei (später Steiner, dann Has-
linger) auf Breitkopf zurückgehen, ja noch Breitkopfs Kritische Gesamtausgabe der Werke
Mozarts nur beim Mai-Lied den besseren Artaria-Druck zu Grunde legen konnte. Gu-
stav Nottebohm, der verdienstvolle Herausgeber der Liederserie dieser Gesamt-Ausgabe,
hat 1877 im Revisionsberichte dieser Ausgabe betont, daß er danach Mozarts Begleitung
im Mai-Lied wieder hergestellt habe und mit Recht vermutet, daß es damit bei den zwei
anderen Lieder ähnlich bestellt sein müsse, ohne aber eine bessere Vorlage als jene
„Oeuvres” zu finden. So ist das Mai-Lied seither in der Begleitung ziemlich richtig ge-
druckt worden, auch in Friedländers verbesserter Original-Ausgabe ausgewählter Mozart-
Lieder bei Peters. Aber abgesehen von einem Irrtum des Wort-Textes (Strophe 5: „Wir
bitten dich gar sehr!” statt „Wir bitten gar zu sehr!”), den man Mozart zugeschrieben
hatte, fehlen auch hier mehrere Keilstriche des Originals oder sind durch Staccato-Punkte
ersetzt, ist auch hier ein kurzer Vorschlag (im vorletzten Takte der Singstimme) in einen
langen verwandelt worden. Bei Sturm’s Gedicht ist der Text, wo es in der fünften Stro-
phe „Dem Schöpfer” statt ,,O Schöpfer” heißt, bedenklicher verunstaltet worden, weil die
gesondert gedruckten Strophen in den „Oeuvres” nicht numeriert waren und deshalb,
in dieser Reihenfolge falsch gelesen wurden. So ist nur die erste und die sechste Strophe
an ihrem Platz geblieben; der Sänger schaut auch nicht mehr der Lerche nach, sondern
etwa „der Fluren Pracht”. Im zweiten Overbeck-Liede hat die Aufteilung der zwei Zei-
len des originalen Systems, das auch Artaria beibehielt, auf drei Zeilen in den „Oeuvres”
— die Singstimme von der Klavier-Begleitung nach neuem Brauch getrennt — zu will-
kürlichen Oktavverstärkungen im Baß geführt, ebenso im Liede Sturms zu mehreren Ver-
schlechterungen, abgesehen von freien Vortragsbezeichnungen und falschen Vorschlägen.
So bringt erst der wiedergefundene, hier vorliegende Erstdruck die authentische Fas-
sung Mozarts zurück, was besonders beim zweiten und dritten Liede dringend nötig war.
Daß der schöne, von Paris beeinflußte Notenstich im Wort-Text der ersten Ausgabe ein
paar Fehler enthält, ist durch das gegenüber gesetzte vollständige Gedicht schon ausgegli-
Katalog XIX: Varia
Preise in Schweizer Franken
Musik
Mai . . Als Nr. XIV und XXIV folgen seine beiden anderen Lieder. Unter den Kom-
ponisten dieses Heftes finden wir außer den drei schon bei den Winterliedern genannten
Wienern Madame Müller, Krickel und Leopold Hoffmann, Kapellmeister bei
St. Stephan, dessen Adjunkt Mozart noch im Mai 1791 geworden ist. Als Textdichter sind
u. a. Weisse, Campe, Salzmann, Hagedorn genannt und mehrfach Over-
beck, aber nur zweimal Sturm.
Christoph Christian Sturm (1740—86) war Hauptpastor an der Kirche St. Petri und
Scholarch in Hamburg. Seine „Lieder und Kirchengesänge” sind 1780 dort erschienen,
ebenso die zu Sturms Texten komponierten „Geistlichen Gesänge mit Melodien zum Sin-
gen bey dem Claviere”, von Carl Philipp Emanuel Bach, darunter „Der Frühling”, den
1787 auch Joh. Friedr. Reichardt im dritten Teile seiner „Lieder für Kinder” in Wol-
fenbüttel mit neuer Musik erscheinen hatte lassen und den nun Mozart mit seinem lieb-
lichen Liede komponierte. Er überschrieb es — laut seinem Werkverzeichnis — „Im Früh-
lings Anfang”, doch der Herausgeber, der seinen Komponisten wohl alle Texte lieferte
und diese oft neu betitelte, änderte diesen Titel, vielleicht wegen der Aehnlichkeit mit den
Titeln anderer Lieder des Heftes in: „D ankesempfindung gegen den Schöp-
fer des Frühlings” ab.
Christian Adolph Overbeck (1755—1821), ein Jugendlyriker, der die stehende
Figur des kleinen fritz in die Kinderbücher und Zeitschriften eingeführt hat, hatte sein
durch Mozart so berühmt gewordenes Gedicht „K omm, lieber Ma i”, als es im
Vossischen Musenalmanach für 1776 erschien, „Fritzchen an den Mai” betitelt. Es war —
nach Max Friedländers Werk „Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert” (Stuttgart 1902) —
zwischen 1777 und 1790 schon sieben Mal komponiert worden, darunter von Reichardt
(„Lieder für Kinder aus Campes Kinder-Bibliothek”, I. Teil, Hamburg 1781). Nach Mozart
ist es auch noch von Robert Schumann komponiert worden, aber als Duett. Der Text
war schon 1782 in der zweiten Aufl. der „Kleinen Kinderbibliothek” J. H. Campe’s ver-
ändert worden, sogar im Titel: „Sehnsucht nach dem Frühling e”, und ist
seitdem meistens so gedruckt worden, auch hier. In der ersten Strophe hieß es z. B. ur-
sprünglich: „Ein Blümchen (statt: ein Veilchen) wieder sehen!” Aber die Aenderung des
„Fiekchen” der zweiten Strophe in ein „Lottchen” ist erst in Wien erfolgt.
Das andere Lied von O v e r b e c.k isi ,,D as Kinderspie 1”, dessen Text ein
Jahr nach dem Mai-Lied im selben Almanach erschienen war und dessen zweite Kompo-
sition wieder R e i ch a r d t im gleichen Teile seiner Campe’schen Lieder veröffentlicht
hatte; vor und nach Mozarts Lied sind übrigens noch zwei weitere Kompositionen dieses
Gedichtes erschienen.
Mozarts Komposition kam übrigens 1833 mit einem neuen Text ins Dänische Kom-
mersbuch. Das reizende Original aber ist bis heute eines der beliebtesten Kinderlieder
geblieben.
Nach Mozarts Tode erschien 1799 das Mailied als zweites Stück im vierten Teil der
Serie „Zwey Deutsche Arien zum Singen beim Clavier” bei Artaria in Wien, die beiden
anderen Lieder als fünfter Teil dieser Serie (Titelauflage bei Jean Cappi 1801, vermehrt
um zwei apokryphe Lieder). Im gleichen Jahre erschienen die drei Kinderlieder in
„Oeuvres complettes”, Cahier V, bei Breitkopf & Haertel in Leipzig, in den „XXX Gesän-
gen mit Begleitung des Pianoforte”. Während der Leipziger Druck sicher nicht nach der
Handschrift erfolgt ist, kann man von d. Wiener Druck annehmen, daß ihm doch noch der
Erstdruck zu Grunde lag. Leider ist auch der fünfte Teil jener Serie spurlos ver-
schwunden, der vierte sehr selten geworden, sodaß die späteren Ausgaben, auch die
verschlechterten Wiener „Oeuvres” der Chemischen Druckerei (später Steiner, dann Has-
linger) auf Breitkopf zurückgehen, ja noch Breitkopfs Kritische Gesamtausgabe der Werke
Mozarts nur beim Mai-Lied den besseren Artaria-Druck zu Grunde legen konnte. Gu-
stav Nottebohm, der verdienstvolle Herausgeber der Liederserie dieser Gesamt-Ausgabe,
hat 1877 im Revisionsberichte dieser Ausgabe betont, daß er danach Mozarts Begleitung
im Mai-Lied wieder hergestellt habe und mit Recht vermutet, daß es damit bei den zwei
anderen Lieder ähnlich bestellt sein müsse, ohne aber eine bessere Vorlage als jene
„Oeuvres” zu finden. So ist das Mai-Lied seither in der Begleitung ziemlich richtig ge-
druckt worden, auch in Friedländers verbesserter Original-Ausgabe ausgewählter Mozart-
Lieder bei Peters. Aber abgesehen von einem Irrtum des Wort-Textes (Strophe 5: „Wir
bitten dich gar sehr!” statt „Wir bitten gar zu sehr!”), den man Mozart zugeschrieben
hatte, fehlen auch hier mehrere Keilstriche des Originals oder sind durch Staccato-Punkte
ersetzt, ist auch hier ein kurzer Vorschlag (im vorletzten Takte der Singstimme) in einen
langen verwandelt worden. Bei Sturm’s Gedicht ist der Text, wo es in der fünften Stro-
phe „Dem Schöpfer” statt ,,O Schöpfer” heißt, bedenklicher verunstaltet worden, weil die
gesondert gedruckten Strophen in den „Oeuvres” nicht numeriert waren und deshalb,
in dieser Reihenfolge falsch gelesen wurden. So ist nur die erste und die sechste Strophe
an ihrem Platz geblieben; der Sänger schaut auch nicht mehr der Lerche nach, sondern
etwa „der Fluren Pracht”. Im zweiten Overbeck-Liede hat die Aufteilung der zwei Zei-
len des originalen Systems, das auch Artaria beibehielt, auf drei Zeilen in den „Oeuvres”
— die Singstimme von der Klavier-Begleitung nach neuem Brauch getrennt — zu will-
kürlichen Oktavverstärkungen im Baß geführt, ebenso im Liede Sturms zu mehreren Ver-
schlechterungen, abgesehen von freien Vortragsbezeichnungen und falschen Vorschlägen.
So bringt erst der wiedergefundene, hier vorliegende Erstdruck die authentische Fas-
sung Mozarts zurück, was besonders beim zweiten und dritten Liede dringend nötig war.
Daß der schöne, von Paris beeinflußte Notenstich im Wort-Text der ersten Ausgabe ein
paar Fehler enthält, ist durch das gegenüber gesetzte vollständige Gedicht schon ausgegli-
Katalog XIX: Varia