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Hirn, Y.; Barth, Paul; Barth, M. [Übers.]
Der Ursprung der Kunst: eine Untersuchung ihrer psychischen und sozialen Ursachen — Leipzig: Verlag von Johann Ambrosius Barth, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.65699#0125
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VIII. KAPITEL.

DAS KUNSTWERK,
Nach einer alten Theorie entsprang das klassische Drama
aus dem dionysischen Kultus.1 Die künstlerische Entwicklung
wilder und barbarischer Stämme liefert viele Analogien, welche
diese Ansicht sehr stützen. Das einfachste Drama und die
primitivste Dichtung sind in den meisten Nationen mit orgias-
tischen Gebräuchen verknüpft gewesen, welche vom psycho-
logischen Standpunkt aus den bacchischen Zeremonien sehr
ähnlich sind. Aber wir können noch weiter gehen. Man
hat mit gutem Grunde behauptet, daß sogar die bildenden
Künste zuerst bei Gelegenheit großer, öffentlicher Festlich-
keiten aufgetreten sind.2 Es möchte scheinen, wenn diese
Ansicht nur durch eine genügende Summe ethnologischer Be-
weise bekräftigt werden könnte, würden wir keines weiteren
Beweises zugunsten der gefühlsmäßigen Erklärung der Kunst
bedürfen. Zugegeben, daß die einfachsten Kundgebungen
aller der verschiedenen Künste zuerst als Mittel, eine festliche
Stimmung zu erhöhen, dienten, dann muß der psychologische
Ursprung der künstlerischen Tätigkeit durch eine Analyse hoch-
gestimmten Gefühls festgestellt werden. Man kann möglicher-
weise voraussetzen, daß dieselben geistigen Ursachen und
Bedingungen, die die primitivsten Kundgebungen der Kunst
veranlaßten und ihren Charakter bestimmten, in größerem oder
geringerem Maße ebensowohl die höheren Formen beeinflußt
haben. Und so könnten wir zu weiterer Unterstützung unsrer
1 Vergl. z. B. Dyer, Gods in Greece, S. 114—117.
2 Vergl. Brown, The Fine Arts, S. 22—35, 41—70; und Hill in
Pop. Sc. Monthly, 42. Bd., S. 734—749.
 
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