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Hirn, Y.; Barth, Paul; Barth, M. [Transl.]
Der Ursprung der Kunst: eine Untersuchung ihrer psychischen und sozialen Ursachen — Leipzig: Verlag von Johann Ambrosius Barth, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.65699#0147
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IX. KAPITEL.

EINWÄNDE UND ANTWORTEN.
Wenn die vorstehende Erörterung einigermaßen über-
zeugend gewesen ist, hat der Leser sich vielleicht eine Frage
gestellt, die sich dem Verfasser oft aufdrängte, — warum kein
vollständiges ästhetisches System auf die Psychologie des
Gefühls gegründet worden ist. In jüngster Zeit sind tatsäch-
lich einige Versuche gemacht worden, den ästhetischen Wert
der Kunstwerke von ihrem Gefühlsinhalte abzuleiten.1 Aber
wir kennen keine zusammenfassende Theorie, in der alle unter-
scheidenden Züge der Kunst folgerecht durch Beziehung auf
ein gefühlsmäßiges Prinzip erklärt worden wären. Diese
Tatsache ist um so bemerkenswerter, als die Bedeutung des
Gefühls wenigstens nebenher von einigen der größten Ästhe-
tiker, wie z. B. Taine und Ruskin, anerkannt worden ist.2 Diese
Schriftsteller können nicht ohne Grund es unterlassen haben,
ihre Kunsttheorien auf den Begriff eines Verlangens nach Aus-
druck zu gründen — was eine klare Grenzlinie zwischen
ästhetischen und außerästhetischen Tätigkeiten geschaffen
1 Tolstoi, What is Art? Julius Lange, Om Kunstvcerdi; Guyau,
L’art au point de vue sociologique. Vergl. auch die Bemerkungen bei
Carpenter, Angels’ Wings, die poetische Theorie von Holmes, wie
sie dargelegt ist in What is Poetiy? und die Definition von March,
Evolution and Psychology in Art, Mind, N. S. V, S. 442, ferner die Be-
merkungen Bosanquets in seinem Artikel On the Nature of Aesthetic
Emotion, Mind, N. S. III, S. 153—166.
2 Taine, Philosophie de l’art, S. 50. Zur richtigen Würdigung des
Anteils des Gefühls in der Kunst s. auch De l’ideal dans l’art, S. 152*;
Ruskin, The Laws of Fesole, Kap. I, S. 1—7; Modern Painters, III, IV,
I, §§ 13, 14; Lectures on Art, S. 80, 81; The two Paths, S. 58.
 
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