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264 Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
die Freyheit in der Lebensart und die Einfalt in den Sitten so wohl als in der Klei-
dung mehr, als in der glücklichen und liebenswürdigen Familie des Hrn. Marquis
von Gerardin. Hier mußte der eigensinnige Philosoph bald seinen Ekel an der
Welt vergessen, und nicht allein Ruhe und Zufriedenheit in der schönen Natur wie«
der finden, sondern sich auch in dem Umgänge solcher edlen Personen mit der Mensch«
heit aussöhncn. . .
Z-
Bey einem so reinen Muster der verschönerten Natur, als Ermenonville
darstellk, und bey so manchen schönen Garten, die sich in der Gegend von Paris ver-
mehren, muß man sich über die mancherley Verirrungen des Geschmacks wundem,
die jetzt in so vielen andern neuen Anlagen sichtbar werden. Anstatt der nicht ganz
unschicklichen Einfassung der Rasen mit Blumen, besetzt man die grünen Flächen
mit Blumenkörben von seltsamen Formen; man verschließt noch die Schafte der
Bäume in viereckigte grüne Gitter, um den schönen Wuchs des Stamms zu ver-
bergen; man beschneidet noch hin und wieder die wilden Baume bis an ihren Gipfel,
und laßt ihnen kaum so viel Zweige, um zu ihrem Wachsthum den Einfluß der
Luft und Blatter zur Beschattung zu gewinnen. Einheimische Kenner sowohl als
Fremde spotten darüber; aber noch immer fahren fo viele Gartner fort, die Natur
zu verstellen. Bey der blinden Nachahmung des englischen Geschmacks wieder-
holt man nicht bloß Fehler, man haust auch neue. Alles, was ein großer Park
enthalten kann, soll in den engen Raum von einem Morgen Landes zusammenge-
drängt werden. Alles, was Asien an verschiedenen Bauarten zeigt, soll auf einem
Fleck von einigen hundert Schritten nachgeahmt werden. Chinesische Mißgeburten
und Kiosken, die zu den Ungeheuern der neuen schwelgerischen Baukunst gehören,
verdrängen die reine Einfalt der griechischen Architektur. Die Kunst der Gruppi-
rung der Bäume auf grünen Flächen scheint noch wenig bekannt; sie stehen meist
einsam, getrennt, ohne Verbindung und Beziehung, wie die Figuren auf manchen
bis auf uns erhaltenen Gemälden des Alkerthums. Die Bosquets sind meistens in
einer gezirkelten und tändelnden Manier; oft genug noch symmetrisch angelegt, ohne
die edle Freyheit der Natur, wodurch sie ihren Reiz gewinnen müssen. Und die
Zwischenplätze sind zuweilen in seltsame Formen vertheilt, und z. B. wie ein Spiegel
oder wie ein Papillon gebildet. Von solchen kleinen Spielwerken scheint sich der
Geist der Gärtner noch nicht entwöhnen zu können. Mit Kunstwerken aller Art,
besonders vermischten Gebäuden, Ruinen, Brücken, werden nicht selten die neuen
Gärten überladen, und man scheint ganz den Werth des Einfachen und Natürli-
chen zu verkennen. Auch in den Verzierungen der Kunstwerke selbst ist man zu.
weilen
 
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