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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0047
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Die Entstehung der Tronie in Leiden und Haarlem

43


Abb. 2 Rembrandt-Schüler, Künstler, einen alten Mann malend,
Zeichnung, Paris, Institut Neerlandais, Sammlung Frits Lugt
[Kat. 496]

schung fälschlich als Rembrandts Vater galt,40 41 42 wurde
von Rembrandt als Vorbild für Tromen genutzt. Der
Greis diente z.B. für den Alten Mann mit Pelzman-
tel in Innsbruck (Tiroler Landesmuseum) [Kat. 394,
Taf. 84], den Alten Mann mit Turban^ (Privatbesitz,
Collection Fondation Aetas Aurea) [Kat. 385, Taf.
81] und auch für den wahrscheinlich ebenfalls von
Rembrandt gemalten Alten Mann mit Federbarett
und Halsberge*2 in Los Angeles (Paul Getty Museum)
[Kat. 389, Taf. 82] als Modell.43 Auch anhand einer
schriftlichen Quelle lässt sich die Annahme stützen,
dass Rembrandts Tronien auf dem Studium der Na-
tur basieren. In seinem 1656 aufgenommenen Inven-

tar werden insgesamt fünf nach dem Leben gemalte
Tronien erwähnt, von denen drei explizit als Werke
Rembrandts verzeichnet sind: »Een tronie nae ’t le-
ven van Rembrant«, »Twee tronien, nae ’t leven van
Rembrant«.44 Interessant ist in diesem Zusammenhang
auch die Zeichnung eines Rembrandt-Schülers (Pans,
Institut Neerlandais, Collection Frits Lugt) [Kat. 496,
Abb. 2], auf der ein Künstler zu sehen ist, der die Büs-
te eines Modell sitzenden Greises malt. Bei dem Ge-
mälde handelt sich nicht etwa um ein Porträt, da der
alte Mann keine repräsentative Kleidung, sondern ei-
nen langen schlichten Mantel ohne Schmuckelemente
und keine Kopfbedeckung trägt. Die Zeichnung zeigt
offenbar einen Maler, der gerade eine Tronie nach dem
lebenden Modell anfertigt.45
Um Rembrandts Tronien zu kategorisieren,
schlägt Bernhard Schnackenburg eine Einteilung in
>Ausdruckstronien< und >Kostümtronien< vor. Der
erste Typ zeichne sich aus durch »eine strikte Kon-
zentration auf das Gesicht, seine im kontrastreichen
Licht malerisch-runzlige Oberfläche oder im Lachen
bewegte Form, während auf Beiwerk ganz oder fast
ganz verzichtet wird. [...] Der zweite Typ ist dage-
gen erzählerisch und detailreich, die Köpfe und die
bis zum Kniestück erweiterten Körper sind durch
auffallende Kopfbedeckungen, altertümliche und
exotische Kostüme und Schmuck bereichert.«46 Vor
dem Hintergrund der eruierten Charakteristika von
Tronien erweist sich diese Unterscheidung als pro-
blematisch, da die Konzentration auf die Darstellung
eines interessanten Gesichts beiden der von Schna-

40 Vgl. z.B. Bredius 1935, Kat. Nr. 72-82; Münz 1953; Bredius
/ Gerson 1969, S. 68-74. Schon Bauch 1933, S. 197f.; ders.
1960, S. 171—173, belegt unter Heranziehung von Rembrandts
Rötelzeichnung seines Vaters Härmen Gerritsz. van Rijn
(rote und schwarze Kreide, braun laviert, 18,9 x 24 cm, obere
Ecken abgerundet, Oxford, Ashmolean Museum, Benesch
1954-1957, Bd. 1, Kat. Nr. 56, S. 16, Fig. 57), dass es sich
bei dem traditionell für Rembrandts Vater gehaltenen Mo-
dell nicht um diesen handeln kann. Vgl. bereits Hind 1906,
sowie dazu Bauch 1960, S. 171. Entsprechend gilt das Lei-
dener Modell auch in der jüngeren Forschung nicht mehr als
Rembrandts Vater, vgl. u. a. Schwartz 1987, S. 61; Blankert
1997/98a, S. 46.
41 Für die Zuschreibung des Bildes an Rembrandt vgl. Wete-
ring 1998; Kat. Kassel / Amsterdam 2001/02, Kat. Nr. 75, S.
356-359.
42 Während Rembrandts Urheberschaft in RRP 1982-2005, Bd.
1, Kat. Nr. B4, S. 416-423, immerhin für möglich gehalten
wird, plädiert Liedtke 1995a, klar für die Zuschreibung des
Bildes an Rembrandt. Vgl. ebenso A. Chong in Kat. Boston
2000/01, Kat. Nr. 17, S. 121-123.

43 Der so genannte Water Rembrandts< taucht auch in mehrfigu-
rigen Kompositionen Rembrandts, in Bildern seiner Schüler
und Nachfolger und im Werk von Lievens auf. Vgl. z. B. RRP
1982-2005, Bd. 1, Kat. Nr. A17, C20; Sumowski 1983-1994,
Bd. 1, Kat. Nr. 254. Für Radierungen, die dasselbe Modell zei-
gen, vgl. für Rembrandt u.a. Hollstein’s Dutch and Flemish
Etchings 1949ff., Bd. 18/19 (1969), Kat. Nr. B. 286, 287, 292,
304, 321; vgl. für Lievens u.a. Hollstein’s Dutch and Fle-
mish Etchings 1949ff., Bd. 11 (o. J.), Kat. Nr. 36, 38, 39, S.
35-37, Kat. Nr. 51, 52, S. 47f. Für weitere Bildbeispiele vgl.
RRP 1982-2005, Bd. 1, S. 204f., 289, 395, 436; Grimm 1991, S.
92, 96f.
44 Strauss / Meulen 1979, Dok. 1656/12, Nr. 66, S. 355, Nr. 90,
S. 357. Für die übrigen nach dem Leben gemalten Tronien
vgl. ebd., Nr. 294, S. 379, Nr. 326, S. 383.
45 Auf den dokumentarischen Wert der Zeichnung mit Blick auf
die Art der Herstellung von Tronien macht Veen 1997/98, S.
71 m. Fig. 4, aufmerksam.
46 Schnackenburg 2001/02, S. 112.
 
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