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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0253
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Der Handel mit Tronien

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die malerische Ausführung bzw. die aufgewendete
Arbeitszeit.25 Auskunft darüber, welche Summe ein
Käufer im 17. Jahrhundert für unterschiedliche Arten
von Gemälden aufbringen musste, geben zum einen
die in Versteigerungslisten notierten, bereits erzielten
Preise der Werke, zum anderen die Taxierungen von
Kunstwerken in Nachlass- bzw. Bestandsverzeich-
nissen und Lotterieankündigungen.
Da Dokumente zu Auktionen und Lotterien nur
in sehr begrenztem Maße sowohl erhalten als auch
publiziert sind, muss sich eine vorläufige Beurtei-
lung des Verkaufswertes von Tronien zu einem we-
sentlichen Teil auf die Preisangaben stützen, die bei
der Aufnahme von Inventaren gelegentlich gemacht
wurden. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die-
se Angaben auf Schätzungen beruhen und nicht un-
bedingt dem tatsächlichen Kauf- bzw. Verkaufspreis
der Werke entsprechen müssen. Loughman nimmt
an, dass die in Inventarlisten verzeichneten Bilder auf
dem freien Markt einen höheren Gewinn eingebracht
hätten als ihr jeweiliger Schätzwert betrug.26 Aller-
dings lässt schon die in der Mehrzahl der Fälle geringe
Größe erhaltener Tronien vermuten, dass die Werke
zu relativ günstigen Preisen zu erwerben waren.
In der Rembrandt-Forschung wird zwar darauf
hingewiesen, dass Tronien ein preiswertes Produkt
gewesen seien, diese Annahme wird jedoch nicht
anhand statistischer Auswertungen des Quellenma-
terials überprüft und spezifiziert.27 Auch in Studi-
en zum holländischen Kunstmarkt werden Tronien
meist nicht als eigene Kategorie in Preisstatistiken
einbezogen. Einzig Montias geht in seiner Analyse
der Versteigerungslisten der Amsterdamer Waisen-
kammer auf den Preis der verkauften >tronien< ein:
9 von 10 als >tronien< verzeichnete Werke kosteten
sowohl zwischen 1597 und 1619 als auch in der Zeit
von 1620 bis 1638 3 Gulden (fl.) oder weniger.28 Der

Durchschnittspreis lag in der für unseren Zusam-
menhang interessanteren zweiten Periode bei 2,3
fl.29 Im Vergleich dazu erzielten Historienbilder mit
einem religiösen Sujet durchschnittlich 11,3 fl., Land-
schaften 12,0 fl., Stillleben 11,8 fl- und Genrebilder
den besonders hohen Wert von 17,9 fl.30 >Tronien<
wurden somit in den Verkäufen der Amsterdamer
Waisenkammer zu bedeutend günstigeren Preisen
versteigert als andere Bilder der Historien- und
Genremalerei wie auch der übrigen Bildgattungen.
Bei der Beurteilung ihres Wertes ist freilich zu be-
rücksichtigen, dass sich hinter den als >tronien<
verzeichneten Bildern - wie bereits dargelegt - auch
Porträts verbergen können.
Die von Montias analysierten Versteigerungslis-
ten geben einen ersten Anhaltspunkt dafür, welche
Preise Tronien im 17. Jahrhundert erzielten. Aller-
dings sind im Rahmen unserer Untersuchung vor
allem die Preisverhältnisse späterer Jahre von Inter-
esse, da jene Werke, um die es hier geht, ihre größte
Verbreitung erst in der Zeit zwischen 1630 bis 1660
erlebten. Außerdem ist es sinnvoll, zwischen Prei-
sen anonymer und zugeschriebener Tronien zu un-
terscheiden, da Gemälde, deren Schöpfer bekannt
war, in der Regel weitaus höher veranschlagt wurden
als anonyme Bilder.31 Um einen Eindruck davon zu
erhalten, welche Preise man im 17. Jahrhundert für
Tronien zahlte, wurden die in den Getty Provenance
Index Online Databases publizierten Inventare aus
Amsterdam, Dordrecht, Haarlem und Utrecht so-
wie 120 von Willemijn Fock zusammengetragene
Leidener Bestandslisten ausgewertet.32 Einbezogen
wurden dabei nur Verzeichnisse, die aus der Zeit von
1625 bis 1699 stammen.
Taxierte Tronien fanden sich in insgesamt 79 In-
ventaren des gesichteten Materials; in 28 dieser Inven-
tare kommen zugeschriebene Tronien vor, 70 Inventare

25 Montias 1987, S. 460f.; ders. 1988, S. 246; Woude 1991, S.
303-308.
26 Loughman 1992/93, S. 51. Der Inhalt eines Inventars wurde
häufig von Frauen taxiert, die man als >gesworene taxeers-
ters< oder >uitdraagsters< bezeichnete. Loughman 1992/93,
S. 51; Montias 1996a, S. 67. Zum Handel der >uitdraagsters<
mit Bildern vgl. Montias 1999, S. 154f. In bestimmten Fäl-
len, etwa wenn es sich um eine sehr reiche Sammlung handel-
te, wurden von der ortsansässigen Malergilde auch Künstler
oder professionelle Kunsthändler mit der Schätzung eines
Inventars beauftragt.
27 Bruyn 1983, S. 209; Bruyn 1986a, S. 93; Bruyn 1989, S. 23;
Veen 1997/98, S. 71.
28 Montias 2002a, S. 91.

29 In der ersten Periode lag der Durchschnittspreis von Tronien
bei 2,7 fl.
30 Montias 2002a, Tab. 9.3, S. 90 u. S. 91. Die Preise für re-
ligiöse Historien, Landschaften, Stillleben und Genrebilder
beliefen sich in der ersten Periode auf durchschnittlich 12,9
fl., 14,0 fl., 14,6 fl., 16,6 fl.
31 Woude 1991, Tab. 12, S. 319 u. S. 303; Loughman 1992/93,
S. 53.
32 GPI 1994-2003. Ich danke Prof. Dr. C. Willemijn Fock (Lei-
den) für die großzügige Überlassung der von ihr zusammen-
getragenen, weitgehend unpublizierten Leidener Inventare
(im Folgenden zitiert als Materialiensammlung Fock). Für
eine Gesamtauswertung dieses Materials vgl. Fock 1990.
 
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