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Hirth, Georg; Hirth, Georg [Editor]
Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten (Band 3) — Leipzig, München: Verlag G. Hirth, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.71042#0009
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VORWORT ZUM DRITTEN BANDE.


IESER dritte Band bringt zunächft die letzten grofsen deutfchen Holz.
fchnitt-Illuftratoren Jost Amman und Tobias Stimmer zum Abfcblufs.
Das treffliche Stände- und Handwerkerbuch des erfteren, • eines der
wichtigften Bilderwerke zur Kulturgefchichte des 16. Jahrhunderts, habe
ich fammt den naiven Verfen Hans Sachfens vollftändig reproduzirt
(No. 1157—1282). In den Amman'fchen Figuren zum Weigel'fchen
»Trachtenbuch« (No. 1121—1142) und den »Lebensaltern des Menschen«
von Stimmer (No. 1369—1378) nimmt der deutfche Holzfchnitt einen
letzten Anlauf zu nahezu monumentaler Darftellungskunft, um dann
mit einem Male zu erlahmen und der niederländifchen Genre-Illuftration

das Feld zu räumen. le der letzten Blüthen des deutfchen Holzfchnittes bilden Ant. Möller'"
Danziger Frauentrachten vom Jahre 1601 (daraus No. 1479—1486).*)
Sowohl in der hochdeutfchen als in der niederländifchen Illuftration der letzten Dezennien
des 16. Jahrhunderts find die drei Richtungen vertreten: das Dekorative, das Genrehafte und das
Repräfentative. Bei den Deutfchen erhalten, wie ich fchon früher (Bd. II S. VII) bemerkt habe,
felbst die Darftellungen des Alltagslebens einen gewißen dekorativen Zufchnitt und will der Gegen-
ftand felbst fich dem nicht fügen, fo bringt man doch wenigftens eine ornamentale Einfaffung an.
Auch der Niederländer Golizins und feine Schüler und Nachahmer (Matham, Saenredam, Sadeler,
Spranger) geben ihren, durch italienifche Eindrücke ftark beeinflufsten olympifchen Figuren und
Allegorien mit Vorliebe einen gewißen dekorativen Schwung: ihre Menfchen wachfen aus der
Alltäglichkeit heraus, oft freilich auf Koften der nuda veritas, was jenen Künftlern den fchlimmen
Vorwurf des »Manierismus« zugezogen hat. Wenn man aber mit diefem oft mifsbrauchten Worte
die ganze Thätigkeit der Künftlergruppe abfertigen zu können meint, fo ift man doch im Irrthum.
Die Kunft liegt auch hier nicht in einigen typifchen, vielleicht etwas abfichtsvoJl übertriebenen
Geberden — »Kulturgeberden« habe ich fie an anderer Stelle**) genannt, weil man fie ^ur Zeil
der Künftler für »fchön« hielt, — fondern im Können, in der Beherrfchung des Vorwurfs durch
die künftlerifche Begabung. Selbft ein Van Dyck hatte feine eigenthümlichen Kopfwendungen und
Handbewegungen. Wie langweilig wäre die Kunftgefchichte, wenn die Künftler der verfchiedenen
Zeiten und ihre Kulturmenfchen nicht auch verfchiedene »Manieren« gehabt hätten!
Das Verladen des Holzfchnittes zu Gunften des Kupferftiches und der Radirung ift grofsen
Theils vielleicht gerade darauf zurückzuführen, dafs man die eigene Manier der Künftler Stärker

*) Der Holzfchnitt wurde dann namentlich noch von dem Niederländer Chrifloph van Sichern ausgeübt (etwa 1600—1645), dem
zweiten feines Namens. Indeffen kommen die zum Theil fehr fchönen und markigen Formfchnitte diefes Meifters, welcher fich in biblifchen
Figuren und in Kopien nach Dürer, Goltzius u. a. gefallen hat, für die Kulturgefchichte feiner Zeit nicht wefentlich in Betracht. Auch für
die Bücherornamentik wurde der Holzfchnitt noch lange verwandt; neben den lange benutzten, oft bis zur Entftellung verdruckten älteren
Zierleiften, Vignetten etc. werden aber die neuen Formfchnitte immer unbedeutender. Was darin feit 1650 geleiftet wurde, fteht faft aus-
nahmslos fowohl zeichnerifch wie technifch auf einem fehr niedrigen Standpunkt. Der Holzfchnitt hatte aufgehört, eine »Kunft« zu fein.

Vgl. mein »Deutfehes Zimmer«, III. Aufl. S. 68.
 
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