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Kritiken.
Gewährsmännern: Voigt, Reumont, Janssen, Pastor, Gregorovius,
Gengier u. s. w. Da ihm die jüngeren Forschungen über die Früh-
zeit des deutschen Humanismus nicht vertraut sind, vor allem die
grundlegenden Untersuchungen von Burdach, weiterhin aber auch die
von Ilgen, Herrmann, Joachimsohn, 0. Zingerle, Haller u. a., so leidet
seine Darstellung, von einzelnen Fehlgriffen abgesehen, an einer
irrigen Ueberschätzung der Bedeutung Eneas für das deutsche Geistes-
leben überhaupt. Das Ergebnis (S. 82): „Die deutsche Nation ist
von Tag zu Tag in den Wissenschaften gewachsen und hat zu-
genommen. Sie bedurfte nur des ersten Anstosses, und vergessen
wir’s nicht, erkennen wir’s dankbar an: Diesen ersten Anstoss erhielt
sie durch Aeneas Sylvins Piccolomini, den nachherigen Papst Pius H.“
kann nur als eine höchst anfechtbare Ueberschwänglichkeit bezeichnet
werden. Auch sonst bewegt sich die Bewunderung des Festredners
für seinen Helden in verschwommenen Linien, breitet sich allzu be-
haglich und redselig aus und scheut selbst vor kühnen Gemeinplätzen
nicht zurück (vgl. besonders S. 4. 49). Gegenüber Voigt wirft sich
Weiss zum Apologeten Eneas auf, betont auch richtiger als dieser
die idealistischen Züge des vieldeutigen Charakters, ohne aber auch
seinerseits über eine enge und einseitige Auffassung hinauszukommen.
Wer im Kanzelstil einen „Tag von Basel“, einen „Tag von Damaskus“
und einen „Tag von Mantua“ als die drei Lebensperioden Eneas ab-
zugrenzen sucht, wer ihn in den Humanisten Enea und den Papst
Pius zerlegt und sich ernstlich die Frage stellt, welche der beiden
Hälften ihm wohl lieber sei, der begiebt sich selbst der Mittel, mit
denen man dem Problem so komplizierter Persönlichkeiten einiger-
massen beizukommen vermag.
Berlin. Arnold E. Berger.
W. Naude. Die Getreidehandelspolitik der europäischen Staaten vom
13. bis zum 18. Jahrhundert, als Einleitung in die preussische
Getreidehandelspolitik. Acta borussica. Denkmäler der preussi-
schen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert, herausgegeben von der
königl. Akademie der Wissenschaften. (Die einzelnen Gebiete der
Verwaltung: Getreidehandelspolitik. ErsterBand:) Berlin. Parey 1896.
Dieses Buch befriedigt nicht nur ein wissenschaftliches, sondern
auch ein aktuell-politisches Bedürfnis. In heutiger Zeit hat es nicht
nur für den Historiker, sondern auch für den Politiker Interesse, eine
Uebersicht zu gewinnen über alle die verschiedenen Mittel, welche die
Getreidehandelspolitik seit Jahrtausenden angewendet hat, um einer-
seits die Versorgung der Völker mit Nahrung zu sichern, und um
andererseits das Interesse der landwirtschaftlichen Produktion zu
Kritiken.
Gewährsmännern: Voigt, Reumont, Janssen, Pastor, Gregorovius,
Gengier u. s. w. Da ihm die jüngeren Forschungen über die Früh-
zeit des deutschen Humanismus nicht vertraut sind, vor allem die
grundlegenden Untersuchungen von Burdach, weiterhin aber auch die
von Ilgen, Herrmann, Joachimsohn, 0. Zingerle, Haller u. a., so leidet
seine Darstellung, von einzelnen Fehlgriffen abgesehen, an einer
irrigen Ueberschätzung der Bedeutung Eneas für das deutsche Geistes-
leben überhaupt. Das Ergebnis (S. 82): „Die deutsche Nation ist
von Tag zu Tag in den Wissenschaften gewachsen und hat zu-
genommen. Sie bedurfte nur des ersten Anstosses, und vergessen
wir’s nicht, erkennen wir’s dankbar an: Diesen ersten Anstoss erhielt
sie durch Aeneas Sylvins Piccolomini, den nachherigen Papst Pius H.“
kann nur als eine höchst anfechtbare Ueberschwänglichkeit bezeichnet
werden. Auch sonst bewegt sich die Bewunderung des Festredners
für seinen Helden in verschwommenen Linien, breitet sich allzu be-
haglich und redselig aus und scheut selbst vor kühnen Gemeinplätzen
nicht zurück (vgl. besonders S. 4. 49). Gegenüber Voigt wirft sich
Weiss zum Apologeten Eneas auf, betont auch richtiger als dieser
die idealistischen Züge des vieldeutigen Charakters, ohne aber auch
seinerseits über eine enge und einseitige Auffassung hinauszukommen.
Wer im Kanzelstil einen „Tag von Basel“, einen „Tag von Damaskus“
und einen „Tag von Mantua“ als die drei Lebensperioden Eneas ab-
zugrenzen sucht, wer ihn in den Humanisten Enea und den Papst
Pius zerlegt und sich ernstlich die Frage stellt, welche der beiden
Hälften ihm wohl lieber sei, der begiebt sich selbst der Mittel, mit
denen man dem Problem so komplizierter Persönlichkeiten einiger-
massen beizukommen vermag.
Berlin. Arnold E. Berger.
W. Naude. Die Getreidehandelspolitik der europäischen Staaten vom
13. bis zum 18. Jahrhundert, als Einleitung in die preussische
Getreidehandelspolitik. Acta borussica. Denkmäler der preussi-
schen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert, herausgegeben von der
königl. Akademie der Wissenschaften. (Die einzelnen Gebiete der
Verwaltung: Getreidehandelspolitik. ErsterBand:) Berlin. Parey 1896.
Dieses Buch befriedigt nicht nur ein wissenschaftliches, sondern
auch ein aktuell-politisches Bedürfnis. In heutiger Zeit hat es nicht
nur für den Historiker, sondern auch für den Politiker Interesse, eine
Uebersicht zu gewinnen über alle die verschiedenen Mittel, welche die
Getreidehandelspolitik seit Jahrtausenden angewendet hat, um einer-
seits die Versorgung der Völker mit Nahrung zu sichern, und um
andererseits das Interesse der landwirtschaftlichen Produktion zu