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Kritiken.
Kenntnis steht und den unvergleichlichen Quellenwert der Aleander-
schen Berichte ohne Zweifel vollständiger und lehrreicher beleuchtet,
als dies irgendwo bisher geschehen konnte. Mit vollem Rechte wird
Aleander als „der Vater der deutschen Gegenreformation und einer
der vornehmsten Begründer der Reformationsgeschichte“ bezeichnet,
auch nach dem Vorgänge Friedensburgs in seinen tüchtigen Eigen-
schaften, seinem Ernst und Eifer, seiner Geschäftsklugheit, Energie
und Arbeitskraft, seiner Gewissenhaftigkeit in der Berichterstattung,
seiner Scharfsichtigkeit im Urteilen über Menschen und Dinge, über
die Gefahren der Lage, den römischen Schuldanteil an diesen und
die Mittel zu ihrer Ablenkung jedenfalls unparteiischer und zutreffen-
der gewürdigt, als es besonders auf theologischer Seite bisher üblich
war. Dass Aleanders Blick, so sicher er das Weltgetriebe durchdrang,
dennoch nicht bis auf den Grund der deutschen Geistesbewegung
reichte, ihre innersten Motive vielmehr gar nicht begriff, war lediglich
die Schuld seiner romanischen Bildung und des politischen Systems,
dem er zu dienen hatte. Deshalb sind die Zeugnisse, die Kalkoff
unter dem Titel „Briefe, Depeschen und Berichte über Luther“ (2)
zusammengestellt hat, eine interessante Ergänzung zu den Aleander-
schen Berichten, denn sie lassen uns wahrnehmen, wie das Auftreten
Luthers sich in italienischen, spanischen und englischen Köpfen
spiegelte, und die Aehnlichkeit dieser Auffassungen mit denen des
Nuntius ist unverkennbar, wenn es auch stellenweise nur persönliche
Reflexe Aleanderscher Anschauungen sein mögen, denen wir hier be-
gegnen. Nach der Ansicht des englischen Gesandten Tunstal z. B.
hat die ganze Reformationsbewegung ihren Grund lediglich in den
verhassten Annaten und den übermässigen Verleihungen deutscher
Pfründen an minderwertige Fremdlinge. Für die religiöse Position
Luthers zeigt sich auch in diesen Schriftstücken nicht das leiseste
Verständnis, nur für die Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung
durch die neuen Lehren; und die Verachtung des groben, unwissen-
den, abgeschmackten und lächerlichen Mönchs von Wittenberg verhehlt
sich ebenso wenig, wie die unwillige Verwunderung über seine un-
verständlichen Wirkungen. Die einleitenden Betrachtungen Kalkoffs
zu beiden Publikationen führen sehr gut in die Umgebung Karls V.
und die rivalisierenden Gruppen seiner Hofgesellschaft ein. Für die
Erläuterung der vorgelegten Dokumente ist durch gedrängt gehaltene,
aber ausgiebige Anmerkungen, fleissige Quellennachweise, Regesten
und gelehrte Exkurse in der wünschenswertesten Weise gesorgt, zu-
verlässige Register sind beigefügt und somit alle Herausgeberpflichten
auf das beste und bündigste erfüllt. Weitere Beiträge zur Auf-
hellung biographischer oder zuständlicher Data, die in den beziehungs-
Kritiken.
Kenntnis steht und den unvergleichlichen Quellenwert der Aleander-
schen Berichte ohne Zweifel vollständiger und lehrreicher beleuchtet,
als dies irgendwo bisher geschehen konnte. Mit vollem Rechte wird
Aleander als „der Vater der deutschen Gegenreformation und einer
der vornehmsten Begründer der Reformationsgeschichte“ bezeichnet,
auch nach dem Vorgänge Friedensburgs in seinen tüchtigen Eigen-
schaften, seinem Ernst und Eifer, seiner Geschäftsklugheit, Energie
und Arbeitskraft, seiner Gewissenhaftigkeit in der Berichterstattung,
seiner Scharfsichtigkeit im Urteilen über Menschen und Dinge, über
die Gefahren der Lage, den römischen Schuldanteil an diesen und
die Mittel zu ihrer Ablenkung jedenfalls unparteiischer und zutreffen-
der gewürdigt, als es besonders auf theologischer Seite bisher üblich
war. Dass Aleanders Blick, so sicher er das Weltgetriebe durchdrang,
dennoch nicht bis auf den Grund der deutschen Geistesbewegung
reichte, ihre innersten Motive vielmehr gar nicht begriff, war lediglich
die Schuld seiner romanischen Bildung und des politischen Systems,
dem er zu dienen hatte. Deshalb sind die Zeugnisse, die Kalkoff
unter dem Titel „Briefe, Depeschen und Berichte über Luther“ (2)
zusammengestellt hat, eine interessante Ergänzung zu den Aleander-
schen Berichten, denn sie lassen uns wahrnehmen, wie das Auftreten
Luthers sich in italienischen, spanischen und englischen Köpfen
spiegelte, und die Aehnlichkeit dieser Auffassungen mit denen des
Nuntius ist unverkennbar, wenn es auch stellenweise nur persönliche
Reflexe Aleanderscher Anschauungen sein mögen, denen wir hier be-
gegnen. Nach der Ansicht des englischen Gesandten Tunstal z. B.
hat die ganze Reformationsbewegung ihren Grund lediglich in den
verhassten Annaten und den übermässigen Verleihungen deutscher
Pfründen an minderwertige Fremdlinge. Für die religiöse Position
Luthers zeigt sich auch in diesen Schriftstücken nicht das leiseste
Verständnis, nur für die Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung
durch die neuen Lehren; und die Verachtung des groben, unwissen-
den, abgeschmackten und lächerlichen Mönchs von Wittenberg verhehlt
sich ebenso wenig, wie die unwillige Verwunderung über seine un-
verständlichen Wirkungen. Die einleitenden Betrachtungen Kalkoffs
zu beiden Publikationen führen sehr gut in die Umgebung Karls V.
und die rivalisierenden Gruppen seiner Hofgesellschaft ein. Für die
Erläuterung der vorgelegten Dokumente ist durch gedrängt gehaltene,
aber ausgiebige Anmerkungen, fleissige Quellennachweise, Regesten
und gelehrte Exkurse in der wünschenswertesten Weise gesorgt, zu-
verlässige Register sind beigefügt und somit alle Herausgeberpflichten
auf das beste und bündigste erfüllt. Weitere Beiträge zur Auf-
hellung biographischer oder zuständlicher Data, die in den beziehungs-