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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9512#0331
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Samstag, 1. Februar

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1936

Eln Viick sus die Weltkme.

Eine Mitarbeiterin des „Paris»Soir" hat kürzlich in
Ad Anterredung mit dem Führer und Reichskanzler
sein" §> itler die Fr<we gestellt, ob Deutschland
entk^r nsprüche auf Kolonien geltend zu machen
«Lchlossen sei. Der Führer hat darauf gcantwortet:
deäü? das Gewiffen dcr übrigen Völkcr den Gcdanken
z. ^lusgleichs und der Gerechtigkeit zuließe,
sein^ürdcn die materiellen Cinzelheiten leicht zu regeln
Man darf daran erinnern, daß unter den be-

sinigt

en vierzehn Punkten, die der Präsident der.Ver-
lg!'Zten Staaten, Woodrow Wilson, am 8. Ianuar
ein^ seincr Kongrcßrcde bekanntgab und mit dcnen er
»Fricdcn dcs Rechts und der Gerechtigkeit" die
, ndlage schasfen wollte — daß unter diesen vierzehn
n^ukten an fünfter Stclle „eine sreie, wcithcrzige und
. vedrngt unparteiische Schlichtung aller

^"lvnialcn Ansprüche" angckündi'gt wurde. Dcr
x, ^enpolitische Bcratcr des Präsidenten Wilson, i

- ... . —Oberst

»>"use, erläutcrte diesen fünsten Punkt des Wilson-
den .ramms dahin, daß man Deutschland Zugang zu
kolonialen Rohstoffquellen und genüqend
^?u d für seinen Bevölkcrungsüberschuß ge-
^ewren müfle. Wir wiffen, daß dicses Wilson-Programm
nur von Deutschland, sondern auch von den M-
uls Verhandlungsgrundlage angenommen
Nink.. Abcr dann gcschah etwas Ilnerwartetes. Wir
z"men erleben, daß dic Alliierten dieses Vcrsprechcn
Zuchen und zu dcm Raub der deutschenKolo-
noch die heuchlerische Lüge fügten, daß Deutsch-
„unwürdig" sei, Kolonialgebiete zu verwalten.

Die Veute.

len den deutschen Kolonien, wo der Fleiß von vie-
r>Ll iauscnden Uon deutschen Menschen fruchtbares Land
lm, -^usterfarmcn gcschafscn hatte, wo Städte und Sied-
r^ugen, Häfen, Schulen und Krankenhäuser entftanden
wurden sogcnannte Mandatsgebiete ge-
' LOiit eincr Raubgier, fllr die man in dcr Ge-
Lschte vergeblich nach einem Veispiel sucht, ficlen die
<i/uchte, die mit Kolonialland länqst
tzer die

übersättigt waren,
Cngland holte sich

wohlfeile Beute her. _ „_

In^tsch'Ostasrika, die Westteile von Kamerun und Togo,
Ni^ ^auru. Cs sügtc Deutsch-Südwest der Südafrika-
r,sichen llnion ein, es überließ Samoa der Vcrwaltung
Neusceland und es gab Deutsch-Guinca und das
^ ismarck-Archipel dem Australischen Vund. Frank-
ro ^ hißte seine Trikolore in den Ostteilcn von Kame-
als Togo, sowie in Neukamerun, Belgien erhielt
Trost Ruanda-Urundi und Portuqa l dcn Kionga-
^chkel in Deutsch-Ostafrika, während Zapan sich in
^utschau und auf den Karolinen, den Marianen und
Marschall-Inseln einrichtete. Die Landmassen,
x? Man Deutschland nahm, umfaffcn etwa 3 Mil-
!.?uen Quadratkilometer ldas ist das Sechs-
stche der Vodcnsläche des Deutschen Rciches!) mit einer
z?uwohnerzahl von 14 Millionen Menschen. Man nahm
^r'es Land ohne das schlichteste Wort des Dankes.
vkn nahm es mit dem souveränen Recht des Siegers,
^vne die vierzehn Millionen Menschcn, die man einem
^uen Regime unterwarf, nach ihrem Willen, nach ihren
^unschcn oder nach ihrem Rccht zu sragen. Man war
Meinunq, daß bie Sache in schönster Ordnung sei,
^ Hdem der Völkerbund, diese kluge Gründung der
wqerstaaten, die „Mandate" verteilt und bestätigt
^.Ze. Und heute merkt man in Cngland und auch ander-
daß man mit diesem Raub des deutschen Kolo-
n.u.wesitzes eine Aniversal-Dummheit gemacht hat. Zu-
dei»s. '"'scht sich in diese Crkenntnis nachträglich das
x.'wrche Gefühl eincr dunklcn Scham, daß man sich vom
l->i. 3U einem solch trübseligen Akt des Raubes ver-
^"en ließ.

lz '^ung des Lanvvesitzes der großen
stl^er zugunsten Deutschlands, Jtaliens und Iapans ge-
werden könne. In der Wochenausgabe des „Man-
asüer Guardian" (vom 16. August 1935) konnte man
Knb"' »Es gibt gewiffe Mächte, die überladen
mit überseeischen Besitzungcn, mit Kolonien und
kektoratcn, zu denen der Weltkrieg noch die „Man-
hinzugefügt hat. Ihnen gegcnüber stehen andere
^?üder mit leeren Händen, aber voller Leben
angriffsbereiter Cnergie, nämlich Italien, Iapan und
brelleicht in der nüchsten Zeit — Deutschland."
Londoner „Timcs" schrieb einige Tage spätcr (am
d.^August 1935), das koloniale Problcm wcrde
!e»n Elich die nächste große Frage Curopas
ds? arid man wcrde voraussichtlich dicses Problem auf
si„. üächstcn Liste dcr deutschen Forderungen
q, P,n. Rach Ansicht vielcr Cngländer, so fügte die „Ti-
ch b hinzu, sci die Revision der Vcrtcilung dcr
s^ionicn frühcr odcr später unvermeidlich und je
3v> a komme, umso weniger kostspielig werdc sic scin.
schn Laus der Debatte, die sich anschloß, wurde der Vor-
,^g .gemacht, eine Weltkonfercnz einzubcruscn,
dj?" die kolonialcn Ansprüche jener Nationcn zu prüsen,
Ansicht sind, nicht hinreichend berücksichtigt wor-
äu scin". Die Meinung, daß zu diesen LLndcrn, die
I, hinrcichend bcrücksichtigt" wurdcn, Dcutsch -
gehört, scheint sich allmählich weiter vcrbrcitct zu
^aer, Die „Daily Mail" gab (in ihrer Ausgabe vom
>Nijn .gust 1935) zu verstehen, es sei unmöglich, eine
^mstiche Nation wie Deutschland, dic 68 Millionen
st^'chen zählc, auf ein Gcbiet von 480 060 Quadrat-
bx°"wter in Mittcleuropa zu bcschränkcn. Deutschland
ffir so hieß es in dem Artikel weiter, „Atemraum
lein übcrvölkcrtes Land".

3nzwischcn hat man cntdeckt, daß die Kolonial-
q^^ge (durch dcn Vorstoß der Italiener nach Abeffinicn)
s. "Etät noch bedcutend gcwonnen hat. Und es be-
wie man sich erinnern wird, daß der damalige
iq^^che Autzcnminister Hoare am 11. Septcmber v. I.
dj^^us auf einer Tagung des Völkcrbundcs in eincr
Lz^uchtctcn Rede sagte, es müffe zugunstcn dcrjenigcn
^ keine überseeischen Rohstoffgebiete von
st v s! besäßcn, eine Ncuverteilung der Roh.

^ ^ Welt durchgeführt wcrden. Cs war

b>urd o^schiag, dcm man es anmerkte, daß er gcmacht
sichkk "'u Italrcn zu beschwichtigen. Hoare wär vor-
d v r^."^"ug' uur von einer Neuverteilung der Rohstoff-
Neki te, nrcht von einer Neuvcrtcilung dcr Rohstoff-
lenen sprechen, weil Hoarc, wie cs schcint, zu

^ew"^oßherzrgen 2ertgenoflen zählt, die sich von einer
itzn s^g^rn trennen können. Deshalb muß man

bekann« TLort errnnern, das vor einiqcn Taqen ein

eirrer m ?"al'scher Frnanzmann, Lord Dowen, auf
b'en "?-/3summlung rn Newvork qesaqt hat. Sord Do-
2.ier>w^ ?^le garrz vlfen: „Ich wünschc, daß unsere Re-
71 o l n'n ^u Weg frnden könnte, Deutschland die
*»en ^en, dre rhm nach dem Krieg wcggcnom-
tNüüc /uurdcn, zuruckzugeben." Denn Cnqland
^ ' »o juhr Lord Doweu sort, aus dem Krieg und der

'ta

1SK Gtimmeil Mehchett ttlr öarraut.

Z6t für, 165 Stlmmen gegen dle Reglerung.

Smmt Whilt M EinWeit.

Das Vertrauensvotum der Radikalsozialisten.

Paris, 31. Ian. Das Kabinett Sarraut, das
sich am Donnerstag dem Parlament vorstellte, hat nach
einer lebhaften zwölfstündigen Aussprachc in der Kammer,
die am Donnerstag begann und am Freitag fortgesetzt
wurde, bei der Abstimmung eincn großen Crfolg er-
rungen. Nachdem Ministerpräsidcnt Sarraut noch ein-
mal dargelegt hatte, wclchcs die Gründe waren, die
ihn bestimmten, dieKabinettsbildung zu über-
nehmen, wurde über die einzelnen Cntschließungen abge-
stimmt.

Die Schlußabstimmung brachte 361 Stim-
men sür die Regierung und 165 Stimmen gegen
die Regierung. Die Regicrung hat also eine Mehr-
heit von 196 Stimmen bekommen.

Das Vertraueusvotum ersolgte auf Grund
einer von den Radikalsozialisten eingebrachten Tagesord-
nung, die der Regierung Sarraut das volle Ver-
trauen aussprach.

Die Auszählung dauerte ungewöhnlich lange, weil
von den Abgeordneten etwa 1200 namentliche Stimmzet-
tel abgegeben worden waren, um die Abstimmung zu er°
schweren.

*

Die Kammersitzung begann am Freitag um 9 llhr
vormittags mit der Fortsetzung der Aussprache über
die Regierungserklärung. Die Redner der ver-

schiedensten Richtungen kamen zu Wort und meldeten
ihre Wünsche für die Tätigkeit der Regierung an.

Zum Schluß verlas der Kammerpräsident die bis-
her eingebrachtcn Cntschlicßungsentwürse.

Drei Entschließungsentwürse.

Cntschließungsentwürfe si»d eingcbracht worden:
1. von dem rechtsgerichtetsn Abgeordneten Frank-
l i n - V o u i l l o n, 2. von einigen radikalsozialistischen
Abgeordnctcn und 3. von Vertretern der Radikalen Lin-
ken (Linke Mitte).

Dcr Wortlaut der ersten Cntschließung stcllt fest,
daß die gegenwärtige Neqierung als geta'rnte Re-
gierung der Volkssront gegen die nationale
Cinigung gerichtet sei, die allein die Nation retten
könnte. Der zweite Cntschließungsentwurf billigt die
Regierungserklärung und spricht dem Kabinett das
Vertrauen aus! Dcr dritte Cntschließungscntwurf
wünscht eine Inncn- ued Außenpolitik, wie sie
unerläßlich sei besondcrs sür die Landwirtschaft, die eine
Aufwcrtung iyrer Crzeugniffe und einer Rationalisierung
ihrer Absahmöglichkeiten dringend bedarf.

Sarraut verteidigt sein Kadinett.

In der Nachmittags-Sihung sehte sich Ministerprä-
stdent Sarraut in einer Rede von 75 Minuten Dauer
mit den vorliegenden Anfragen auseinander. Cr legte vor
allem die Gründe dar, die ihnzur Aebernahmeder
Regierungsbildung bestimmt haben und wandte
sich gegen die Behauptung, daß sein Kabinett unter der
Cinflußnahme der Kommunisten, der Freimaurer oder
anderer Gruppen zustandegekommen sei. Cr allein trage
die Verantwortung sür die Zusammensehung des Kabi-

Die heutige Ausgabe unseres Dlattes umfaßt mt«
den beiden Unterhaltungsbeilagen „Die Heimat" unS
»Die Feierstunde" insgesamt 2Ü Seiten.

netts. Cr habe die Mitarbeit hervorragender Pcrsön-
lichkeitcn aus allen Parteien gewollt. Wenn es ihm
nicht gelungen sei, diese zu gewinnen, so müffe er wenig-
stens gewiffe unrichtige Behauptungen über die angeb-
lichen Hintergründe der Regierungsbildung zurück-
weisen.

Sarraut wandte sich dann gegen das Fortbestchen
der innerpolitischen Gegensähe.

Als Vorbild führte er Cngland an, wo in der Stunde
bedeutcnder Creigniffe alle Parteien einmütig
zusammenstünden. Cr selbst verfechte den Gedanken der
Konzentration. Seine weiteren Ausführungen
waren auf die Veeinfluffung der Mitte der Kammer ab-
gestellt. Dabei versuchte er, die in der Aussprache beson-
ders angegriffenen Mitglieder eines Kabinetts zu vertei-
digen.

Auf Anfragen zum Regierungsprogramm gab er die
Zusicherung, daß sich das Kabinett eine Milderung der
Sparverordnungen angelegen sein laffe. Außerdem werde
er sich bcsonders der Arbeitslosen annehmen.

Mit einer Verbeugung vor Hcrriot betonte Sarraut
die Treue Frankreichs zum Völkerbund.

„Wir glauben," fo erklärte er, „an die Notwen»
digkeit des Völkerbundes, da wir an die Notwen-
digkeit der kollektiven Sicherheit glauben."

Cr und sein Kabinett würden für eine unparteiische
und loyale Abwicklung der Wahlen Sorge tragen.

Die Ausführunqen des Ministerpräsidsnten wurden
auf der Linken mit Veisall aufgenommen, während sie von
der Rechten häufig unterbrochcn wurden.

Cs folgte eins Sitzungspause, in der die Gruppsn
Gelegenhcit habcn, über ihre Haltung bci der Abskim-
mnug zu bcratcn.

Zu den drei bereits genannten Cntschließungsent-
würfen ist noch ein vierter, den der kriegsblinde Abgs-
ordnete Scapini einbrachte, hiüzugekommen. Cr ver-
langt u. a. die Durchführung der Wahlen im März,

Dann erfolgte die Abstimmung, die das ooen
mitgeteilte Crgebnis hatte.

*

Nächste Kammersttzung am Dienstag.

Paris, 1. Februar. Die nächsteSihung der
Kammer ist auf Dienstag nächster Woche anberaumt
worden.

Am 11. Februar wird fich die Kammer mit der R a-
tifizierung des französisch - sowjetrussi-
schen Abkommens befaflen.

SmlHts LiMMrs.

Im Spiegel der Pariser Prefle.

Paris, 1. Febr. (Cig. Funkmeldung.) Die über-
raschend starke Mehrheit, die die neue französische
Regierung in der Kammer erhalten hat, sindet in dsr
Pariser Morgenpreffe starken Widerhall. Die Rechts-
blätter sind äßerst verbittert und befürchten, daß
sich der große Cinfluß, den die Sozialisten und
darüber hinaus die ganze Volksfront auf die Regie-
rung gewonnen hätten, bei den kommenden Wahlen zu
Ilngunsten der Rechten auswirken werde. Diese Besürch-
tung stüht sich in erster Linie aus die Zugestünd-
nisse, die der Ministerpräsident kurz vor der Abstim-
mung den Sozialisten gemacht hat und in denen er fich
nicht nur verpflichtet, gegen die sogenannten Kampf-
bünde vorzuaehen, sondern auch einen der hauptsäch-
lichsten Wünsche der Linksgruppen erfüllt hat, ihnen
während des Wahlkampses den Rundfunk zur Verfü-
gung zu stellcn.

Der „Iour" schreibt, der Crsolg Sarrauts beweise,
daß seinc Rcgierung die am stärkstcn lin ksgerich-
tete der ganzen Tagungsdauer sei. Das schlimmste sei
aber, daß er sein Schicksal den Kommunisten
und Sozialisten überliefcre, obgleich kcin einziger
Minister aus diesen beiden Fraktionen in seinem Kabi-
nett sthe.

Dcr „Matin" stcllt fcst, daß die Mehrheit, die
Sarraut gestern erhalten habe, nichts wert sei, wenn
es fich därum handeln würde, eincn Haushalt oder ein
Militärgcsetz zu verabschiedcn. Sie sei abcr g u t, um die
Kammer bis zu den demnächst stattfindendcn Neuwahlen
zu sllhren, denn sie scheine zu beweisen, daß die Mehr-
heit einc ncue Regicrunqskrise vermeiden
wolle. Nichtsdestoweniger sci drc Lage aber rccht unklar,
dcnn die Mchrheit Sarrauts sei z u star k. In den 361
Stimmcn, dic dcr Ministcr crhaltcn habe, gcbc cs näm-
lich zwei Mchrheiten nebcneinander, cinc dcr soqenanntcn
Konzcntration und dis andcre dcr Volkssront. Lsnd dres
sei für die Klarheit dcr politischen Lage unaünstig-

Der sozialistische „Popularre" stibt seiner großen
Besriedigung Ausdruck, daß Sarra„t rn unzwcrdcu-
tiger Wcise die Forderunge» der Sozialrsten an -
genommen habe.

Wleii imirilt Liimeii.

Dic Bcdrückung der polnischen Minderheit.

Warschau, 31. Ian. ^„wr Hinwcis aus die Pro-
tcstkundgeb u n g c n qeqen die Vcdrirckunq dcr p o l-
„ischcn Mrnderheit in Litaucn, dic 'vor kurzem
im Wilna-Gcbret stattfandcn, schrcrbt das Militärblatt
„Polska Zbrodna", wenn Litauen qlaube,' mit einer
polenferndlichcn Politrk am b-sten z„ fahrcn, so sci das
scrne eigcne Angelegenheit' Abcr wenn Litauen glaube,
dast es gleichzeitic^ seine 200 000 Staatsbürger polnischer
Nationalität zu Vüraern zwciter Kbasse machen
und sie außerhalb dcs Mechts stellcn könnc, so werde sich
der große und starke polmsche Staat »nd dic polnische
Oesscntlichkcit mit diescr Haltung Kownos nicmals ab-
findcn. Dcr Artikcl »v-tst daraus hin, daß die litauischcn
Volksangehörigen in Polen die volle versaffungsmäßige
Gleichbercchtigung genöffen rrnd fordert, daß auch Litauen
seinen Staatsbürgcrn polnischer Nationalität die gleiche»
Rechte zucrkennc wie allen übrigen Staatsbürgern.

KWMk Ad »ts Gcncrals KondM.

Sricihrnlands vdlkslümliWer «Mer.

Athen, 31. Ian. Gcneral Kondylis ist am
Freitag einem Schlagansall erlegen. Kondylis
litt an anAina xoetoris.

General Kondy l i s wurdc vom Tod hinweggerafst,
als er mit einem Abgeordneten eine Unterredung hatte.
Iede Hilse war vergeblich.

General Kondylis wurde 1879 in Pruflo (Pro-
vinz Curytanien) geboren.

Nach Veendigung seiner Gymnasialstudien im Iahr
1896 nahm er als Freiwilliger an der Revolution von
Kreta teil. In den Iahren 1905 bis 1908 beteiligte er
sich als Freischärler an dsn makedonischen Kämpfen. Die
Feldzüge von 1912 bis 1918 machts er als Offizier der
regulären Armee mit. Im Iahr 1919 kämpfte Kondylis
gegen die Bolschewiken auf russischem Voden und
rn Kleinasien gegen die Türken.

Infolge der Wahlniederlaae Venizelos im Növem-
ber 1920 nahin er seinen Abschied und ging nach Kon-
stantinopel, wo er eifrig für Venizelos arbeitete- 1922
kehrte er nach Griechenland zurück, wurde Divisronschef
in Kreta und unterdrückte dort 1923 eine Militärbewe-
gung der Königsfreundlichen.

Gcncral KonbYlkS

w General war es bekanntlich, der rm Oktober vorigen
Lahres die griechische MonarÄw wied^^ »„fxjchtete.

iKraPhlsche Nr"v!it,itten. K.1

Nachkriegszeit die Lehre gszogen haben, daß mgn nicht
ungcstraft den w i r t s ch ä f L l i ch e n Ausbau der
Wclt in Uiiordnung bringen konne.

Der Geist, der stets verneint.

Während in Cngland die Oefsentlichkeit bereits in
sehr kluger Weise aus ctwas vorbereitet wird, was nrcht
auf die Dauer vermeidbar ist, hört man aus Frank-
reich die Stimme jencs Gcistcs, „der stets vernernt".
Die französische Kolonialzeitschrist „Mrdi Coloniale er-
innert urrs taktvoll daran, daß Deutschland den Krreg
verloren yabe, wonrit sie uns zu verstehen gibt, daß wir
uns nnt dem Verlust unserer Kolonialländer wohl oder
auch übel abfrnden müßten. Während man uns diese rm-
ponierende Seelengröße zutraut, erklärt man znglcrch,
dah die unter französischem Mandat stehenden einstrgen
deutschen Kolonien inzwischen „Perlen des franzöfischen
Kolonialreiches" geworden seien, auf dre man nicht mehx
verzichten könne. Daß Deutschland diese Landgebrete
nicht geringer einschätzt, schcint den Franzosen we-
nig Gedanken zu machen. Sie geben uns zu bedenken,
daß, wenn wir die Rückgabe der heutigen Mandat^-
gcbiete verlangen würden, Vie „Gefahr" heraufbeschworen
wevde, daß auch iu Ajrika eine dsntjch.jran-ö.

Cine bedeutsame Rolle spielte Kondylis während der
Diktatur Pangalos. Solange Pangalos mit
dem Parlament arbeitete, unterstützte ihn Kondylis, ver-
ließ ihn aber, als er unverhüllt die Diktatur errichtete.
1926 wurde Kondylis verbannt. Wenige Monate spä-
ter kehrte Kondylis wieder nach Athen zurück, stürzte
Pän 'galös, rief Admiral Konduriotis zum Prä-
sidenten der Republik aus, führte Neuwahlen durch
und trat hiernach zurück. Cr begab sich nach Frankreich,
von wo er erst 1930 zurückkchrte.

Als Kriegsminister im Kabinett Tsaldaris
trat Kondylrs im Iahr 1933 wieder in das politische Le-
ben ein. Mit starker Hand warf er dcn makedonischen
Aufruhr nieder. Zu dieser Zeit vollzog sich auch sein
Wandel vom Vsnizelisten zum Monarchisten. Die
Oktobertage des Iahres 1935 wurden zum Wendepunkt in
der gricchischen Geschichte. An der politischen N e u g e-
staltung Griechenlands hat Gencral Kondylis
cntscherdenden Anteil gehabt. Am 10. Oktobcr übernahm
er dre Führung, stürzte Tsaldaris und bildete
erne ergene RMerung. Dis Republik wurde a b -
geschas, t. Ver der von Kondylis auf den 3. Novenr-
ö-s anberaumten Volksabstimmung entschied das
grrechrsche Volk srch zu rund 98 v. H. für die Wieder-
herstellung der Monarchie.

Bis zur Rückkehr des Königs vergingen
knapp drer Wochen. Cs kam jedoch bald zur Tren-
nung zwrschen Kondylis und dcm König, da dieser für
erne allgemeine Amnestie eintrat. Trohdem führte Kon-
bylrs bei den Wahlen am 26. Ianuar 1936 eine der
monarchrstischen Parteien, mußte aber sehen, daß die
Venrzelospartei als stärkste aus dem Treffen hervorging.

D-e Nanre Kondylis ist aus der neueren Ge-
schrchte Griechenlands nicht mehr fortzudenken. Kondylrs
rst rmmer und in erster Linie Patriot gewesen; nur unter
öwfinr Gesichtspunkt ist es möglich, seinen vielfach ver-
schlungenen politischen Weg zu verstehen.

»

König Georg hat bei Bekanntwerden der To-
desnachricht seincm Veileid Ausdruck gegeben.

*

Gerüchte um den Tod Kondylis'.

Athen, 31. Ian. Das Haus des verstorbenen Gene-
sals Kondylis ist das Zsel des Besuches zahlreicher
Persönlichkeiten einschließlich der Mitglieder des diplo-
matischcn Korps und einer großcn Volksmcnge. Die
Leichenfeier wird am Sonntag nachmittag in der Kathe-
drale von Athen stattfinden.

Da Gerüchte in Umlauf sind, die den Tod des Gene-
rals auf Gift zurückführen, wurde eine gerichtliche Lei-
chenöfsnung angeordnet.

sische Grenze entstehe, die unter Umständen Anlaß
zu Streitigkeitcn geben könnte. Cs fällt uns schwcr, die-
scm Gcdanken ganz zu folgen, da wir in Asrika lcdiglich
Siedlungsland und Rohstössgcbicte, abcr kcine Strertig-
keiten suchen und es käme ausschließlich aus die Franzo-
sen an, ob sie, was wir nicht Hofsen, irgendwelche Kon-
flikte wünschen. Datz 68 Millionen Menschen, die fest
entschloffen, sich noch weitcr zu vermchrcn, bis in allc
Cwigkeit stch bcscheiden in die Cckc drücken und sich mit
dcr Rolle begnügcn, nur zuzuschauen, wie andere
Dölker in fremdeir Crdteilen die Crnte heimholen, das
wcrdcn auch die Franzoscn nicht immcr glauben »nd es
wärs ungemcin vorteilhaft, wenn sie sich dcn Fall »och
cinmal gründlich überlegen würdcn. Cin Blick auf dre
Weltkarte genügt, um jedem zu zeiben, daß dre Gu-
ter der Welt etwas ungleich verterlt sind u"ö
weiterer Blick auf den berühmten Vcrsailler Dertrag
sagt uns, daß da vcrschiedenes gutzumachen rst. In
Cngland hat man dies bcreits erkannt, nur in Frankrcich
scheint nran im Ilntcrricht noch ctwas zuriick zu sein.
Viellcicht genügen einige Nachhilscstunden, um die Cr-
kenntnis zü verbrciten, daß in Mitteleuropa cin Volk
lebt, deffen Blick erwartungsvoll über die Meere
schweifL. HermannBagusche.
 
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