Sehr intereſſant iſt ein Vergleich des Bährſchen Werkes mit der faſt gleich-
zeitigen großen proteſtantiſchen Frederikskirche (Marmorkirche) in Kopenhagen Abb. 182
(beg. 1749 von Nik. Wath. Eigtved, 1755 weitergeführt von dem Franzoſen
Nic. Henri Sardin, vollendet erſt 1878—94 durch P. Meldahl). Dieſer Bau
birgt über kreisrundem Grundriß einen rieſigen Zentralraum, wohl den bedeu-
tendſten nördlich der Alpen mit 31,1 Meter Durchmeſſer im Lichten. Vom äu-
ßeren Mauerring werden durch einen ſchmalen Umgang zwölf breite Pfeiler ge-
trennt. In der Hauptachſe ſind zwei rechteckige Hallen angefügt für Treppen
und andere notwendige Nebenräume. Aber dem eingeſchoßigen Unterbau erhebt
ſich ein hoher Tambour, der die mächtige Kuppel (bis zur Höhe von 80 Meter)
trägt. Es mutet wie eine Ironie des Schickſals an, daß für den Kultbau einer
„Ketzer“ ⸗Gemeinde der römiſche S. Peter ſo eklatant zum Vorbild genommen
wurde. Wie Paul Hartmann (Geſch. d. Baukunſt Bd. III, S. 219 ff.) bemerkt,
hält ſich die Architektur „in den Formen eines klaſſiziſtiſch geläuterten Barock“.
Tektoniſche Gliederungen und Naumform wahren eine ruhige Haltung. Das
Vertikallot des Inneren enthält zwar eine ſteigende Energie, jedoch zwingt die
monumentale Beruhigtheit des italieniſchen Vorbildes den Geſamtraum der Ko-
penhagener Kirche in den Bann. Die Dänen waren gleich Engländern, Hol-
ländern und Franzoſen allezeit antikiſch und klaſſiziſtiſch eingeſtellt. Dadurch
wurde von Anfang an in der neuzeitlichen Baukunſt der „nordiſchen Reiche“
die Entfaltung beſonderer bewegungserfüllter Raumkurven hintangehalten.
Wan iſt verſucht, unter den ſüddeutſchen Bauten die Kloſterkirche von
Ettal mit der Kopenhagener Kirche zu vergleichen. Doch handelt es ſich bei
Ettal nur um einen Umbau des alten gotiſchen Zentralwerkes, zu dem einſt
Kaiſer Ludwig der Bayer den Grundſtein gelegt hatte (1330 — 1370 Erbauungs-
zeit). Der alte gotiſche Bau war ein Zwölfeck, in deſſen Witte ſich eine einzige
ſchlanke Stütze erhob. Der Raum war in der Höhe durch ein Ninggewölbe mit
Netzrippen abgeſchloſſen. Für eine kreiſende Bewegung hatte man ein ähnliches
Gehäuſe geſchaffen wie in der Koberner Watthiaskapelle, im Hexagon der
„Schönen Maria“ von Regensburg und im ſpäteren Oktogon von Maria Ein-
ſiedeln. Der Umbau Ettals beſeitigte im 18. Jahrhundert die Mittelſtütze und
wandelte das alte Werk in einen hochragenden Kuppelraum um. Anſcheinend
erfolgte eine Angleichung an italieniſchen Geſchmack. Dennoch ſetzt ſich die
deutſche Art eindeutig genug durch. Das zweite Geſchoß wirkt nicht als Tam-
bour der Kuppel. Jeder italieniſche Tambour iſt eine Verengerung gegenüber
dem unteren Raum (etwa einer Vierung). Wan wird nie darüber im Unklaren
gelaſſen, daß mit der Tambour⸗Kuppelregion eine neue Naumkörperlichkeit be-
ginnt. Auch in der Marmorkirche zu Kopenhagen ſind die beiden RNaumein-
heiten unten und oben ſtreng auseinanderzuhalten. Es gilt hier faſt wörtlich,
daß S. Peter auf das Pantheon geſtellt iſt. ; :
In Ettal aber müſſen Unten und Oben als abſolute Einheit gefaßt werden.
Der ganze zentrale Hochraum iſt trotz ſeiner übermäßigen Vertikalität (bis zur
Laterne innen 40,8 Meter hoch) erfüllt von dem Fluidum geheimnisvoller Ro-
— 157 —
zeitigen großen proteſtantiſchen Frederikskirche (Marmorkirche) in Kopenhagen Abb. 182
(beg. 1749 von Nik. Wath. Eigtved, 1755 weitergeführt von dem Franzoſen
Nic. Henri Sardin, vollendet erſt 1878—94 durch P. Meldahl). Dieſer Bau
birgt über kreisrundem Grundriß einen rieſigen Zentralraum, wohl den bedeu-
tendſten nördlich der Alpen mit 31,1 Meter Durchmeſſer im Lichten. Vom äu-
ßeren Mauerring werden durch einen ſchmalen Umgang zwölf breite Pfeiler ge-
trennt. In der Hauptachſe ſind zwei rechteckige Hallen angefügt für Treppen
und andere notwendige Nebenräume. Aber dem eingeſchoßigen Unterbau erhebt
ſich ein hoher Tambour, der die mächtige Kuppel (bis zur Höhe von 80 Meter)
trägt. Es mutet wie eine Ironie des Schickſals an, daß für den Kultbau einer
„Ketzer“ ⸗Gemeinde der römiſche S. Peter ſo eklatant zum Vorbild genommen
wurde. Wie Paul Hartmann (Geſch. d. Baukunſt Bd. III, S. 219 ff.) bemerkt,
hält ſich die Architektur „in den Formen eines klaſſiziſtiſch geläuterten Barock“.
Tektoniſche Gliederungen und Naumform wahren eine ruhige Haltung. Das
Vertikallot des Inneren enthält zwar eine ſteigende Energie, jedoch zwingt die
monumentale Beruhigtheit des italieniſchen Vorbildes den Geſamtraum der Ko-
penhagener Kirche in den Bann. Die Dänen waren gleich Engländern, Hol-
ländern und Franzoſen allezeit antikiſch und klaſſiziſtiſch eingeſtellt. Dadurch
wurde von Anfang an in der neuzeitlichen Baukunſt der „nordiſchen Reiche“
die Entfaltung beſonderer bewegungserfüllter Raumkurven hintangehalten.
Wan iſt verſucht, unter den ſüddeutſchen Bauten die Kloſterkirche von
Ettal mit der Kopenhagener Kirche zu vergleichen. Doch handelt es ſich bei
Ettal nur um einen Umbau des alten gotiſchen Zentralwerkes, zu dem einſt
Kaiſer Ludwig der Bayer den Grundſtein gelegt hatte (1330 — 1370 Erbauungs-
zeit). Der alte gotiſche Bau war ein Zwölfeck, in deſſen Witte ſich eine einzige
ſchlanke Stütze erhob. Der Raum war in der Höhe durch ein Ninggewölbe mit
Netzrippen abgeſchloſſen. Für eine kreiſende Bewegung hatte man ein ähnliches
Gehäuſe geſchaffen wie in der Koberner Watthiaskapelle, im Hexagon der
„Schönen Maria“ von Regensburg und im ſpäteren Oktogon von Maria Ein-
ſiedeln. Der Umbau Ettals beſeitigte im 18. Jahrhundert die Mittelſtütze und
wandelte das alte Werk in einen hochragenden Kuppelraum um. Anſcheinend
erfolgte eine Angleichung an italieniſchen Geſchmack. Dennoch ſetzt ſich die
deutſche Art eindeutig genug durch. Das zweite Geſchoß wirkt nicht als Tam-
bour der Kuppel. Jeder italieniſche Tambour iſt eine Verengerung gegenüber
dem unteren Raum (etwa einer Vierung). Wan wird nie darüber im Unklaren
gelaſſen, daß mit der Tambour⸗Kuppelregion eine neue Naumkörperlichkeit be-
ginnt. Auch in der Marmorkirche zu Kopenhagen ſind die beiden RNaumein-
heiten unten und oben ſtreng auseinanderzuhalten. Es gilt hier faſt wörtlich,
daß S. Peter auf das Pantheon geſtellt iſt. ; :
In Ettal aber müſſen Unten und Oben als abſolute Einheit gefaßt werden.
Der ganze zentrale Hochraum iſt trotz ſeiner übermäßigen Vertikalität (bis zur
Laterne innen 40,8 Meter hoch) erfüllt von dem Fluidum geheimnisvoller Ro-
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