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Hollstein & Puppel <Berlin> [Editor]; Hollstein & Puppel (Berlin) [Editor]
Kunstauktion / Hollstein & Puppel, Kunstantiquariat: Sammlung C. Brose, Berlin, und andere Beiträge: 140 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von Karl Blechen, Handzeichnungen des XVI. bis XIX. Jahrhunderts ; Kupferstiche, Radierungen, Holzschnitte des XV. bis XIX. Jahrhunderts darunter kostbare Blätter von Dürer, Rembrandt, Altdorfer ... ; Versteigerung, 8. November bis 10. November 1928 ... — Berlin, Nr. 40.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.17494#0010
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Unter großen Opfern und Entbehrungen hatte er seine Laufbahn als Künstler begonnen, ein un-
gewisses Los der Aussicht auf eine gesicherte kaufmännische Zukunft vorziehend. Auf der Berliner Aka-
demie hatte er noch Bäume nach dem Hackertschen Schema unter Aufsicht seines Lehrers Lütke gezeichnet.
Die Natur und die Niederländer, die er in Berlin und Dresden kennengelernt hatte, wurden aber bald
seine Führer zu einem freieren malerischen Stil. Immer wieder aufs neue bewunderte er an den nieder-
ländischen Meistern die Einheitlichkeit der Auffassung, die wohlabgewogene Wahl des Ausschnitts und
die Harmonie der Farbe. Auch die Stimmung, vor allem die Stimmung eines in Gold getauchten Abends.

In den Zeichnungen hat Blechen selten eine Stimmung festgehalten. Sie tragen mehr den Charakter
gegenständlicher Notizen als stimmungserfüllter Erlebnisse. In den Aquareilen und ölgemälden hingegen
bricht die Stimmung früh durch. Freilich galt es für den Künstler, eine Schranke zu durchbrechen. Aus
Not mußte er eine Stelle als Dekorationsmaler am Königstädtischen Theater annehmen. Diese Beschäftigung,
die ihm nicht lag, hat ihm Kraft und Zeit geraubt, seine Phantasie mit Biihnenbildern angefüllt, seinen
Stil vorübergehend ungiinstig beeinflußt.

Von dieser Fessel befreit, gewann er schnell seine Eigenart zuriick. Wir sprachen oben von seiner
bedeutsamen Begegnung mit C. D. Friedrich. Zugleich lernte er J. C. C. Dahl kennen. Aus dessen Natur-
studien strömte ihm Ftille, Wärme, Kraft entgegen. Blechen bewunderte die Geschmeidigkeit seines
Pinselstriches, den bald fliissigen, bald pastosen Auftrag, das Zusammenklingen der Farben zum Ton,
das er nie in solcher Vollendung erlebt hatte. Bei ihm lernte er, daß Malerei nicht im farbigen Austuschen
einer Zeichnung besteht, daß sie vielmehr eine Kunst von eigenster Gesetzmäßigkeit ist, wenn sie sich
auch der Zeichnung als Hilfsmittel bedient. Hier lernte er, wie man zeic'nnet, während man malt; früher
hatte er die Malerei der Zeichnung nur hinzugefügt. Was aber Blechen weder von Friedrich noch Dahl
übernehmen konnte, was er aus Eigenem schuf, war die Malerei des Lichtes. Niemand außer dem Engländer
Turner hatte die Sonne gesehen und gemalt wie er. Dahis Studien sind alle dunkel; die Mehrzahl der
Blechenschen aus der späterenZeit strahlend hell. Ein flinker, nervöserPinselstrich läßt eine Flut zittern-
den Lichtes über Felsen gleiten, durch dunkles Laub rieseln, in trocknem Sande versickern, von heißen
Mauern zurückprallen und auf Wellen glitzern. Aus den Schatten aber klingt wie heimliche Musik das Spiel
unruhiger Reflexe. Es gibt kein Schwarz mehr, nicht einmal mehr ein Braun, das sich in ruhiger Fläche
ausbreitet. Bewegung füllt auch den tiefsten Winkel.

Blechen hat es im Leben an Bewunderern nicht gefehlt, obwohl die Menge keine Notiz von ihm
nahm. Wohl aber an Käufern, die Opfer für seine Kunst gebracht und dadurch sein Leben sorgloser ge-
staltet hätten. Nur einen Sammler großen Stils hat er gefunden: Karl Brose.

Aus Broses Sammlung stammen auch die zahlreichen Zeichnungen, Aquareile, Ölskizzen und Bilder,
die von hier aus ihren Weg in die Öffentlichkeit suchen. Es sind vieie Arbeiten der Frühzeit darunter,
d. h. aus der Zeit vor der italienischen Reise (1828/29). Naturstudien, Bilder figürlichen und landschaft-
lichen Inhalts und romantische Theaterdekorationen, unter denen Kirchhöfe, Ruinen von Klöstern und
Kirchen, mittelalterliche Hallen mit mehr oder weniger phantastischen Landschaftskompositionen ab-
wechseln. Der Hof eines Klosters mit Kreuzgang, in dem zwei Mönche stehen, zählt zu den bedeut-
samsten Arbeiten dieser Gruppe. Mit Bleistift, Tusche oder Ö1 ausgeführte Naturstudien aus dem Harz,
aus dem Selke-, Bode-, Ilsetal, dem Brocken, vom Regenstein, aus Blankenburg und Wernigerode ver-
mitteln eine lebendige Anschauung von dem Eindruck, den der Harz (1833) auf den Künstler
gemacht hat. Den Typus offenbart besonders glücklich die ölstudie mit der von Wolken umlagerten
Bergkuppe und den drei Felsblöcken am Wasser. In dem abendlich beleuchteten „Teich mit Bäumen“,
einem kleinen Ölgemäide, tritt der Einfluß der niederländischen Kunst zutage, während die grüßere „Land-
schaft mit hohen Bäumen“ der zeitgenössischen Malerei näher steht. Friedrichs starke Einwirkung zeigt
die Ölstudie zu dem Bilde der Nationalgalerie: „Beschneites Tal“, dessen Anregung auf Webers Fels-
schlucht im Freischütz zurückgeht. Das Bild mit den „Felsen von der Rügenschen Küste“ — nebenbei
bemerkt, fast das einzige Bild des Meisters, das seinen Namen in voller Unterschrift trägt — mutet trotz
seiner dunklen Färbung in der breiten und flüssigen Technik seiner Malerei wie ein Werk aus den 90 er
Jahren an. Der italienischen Reise gehören die vier kleinen, aber überaus reizvollen Ölskizzen an, von
denen der Ausblick von Posilipp auf den Vesuv Blechen auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Der „Blick auf
die Ruinen des Theaters von Taormina“, etwa 1833 entstanden, strahlt die Heiterkeit des südlichen
Himmels und der südlichen Landschaft in zartesten Tönen wieder.

G. J. KERN
 
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