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Hotho, Heinrich Gustav
Vorstudien für Leben und Kunst — Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1835

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https://doi.org/10.11588/diglit.47017#0301
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279

diesen Theil einer lange Zeit noch fortgesetzten Lieb-
lingsbeschäftigung zurückzuhalten.
Sonderbarer Weise führte mir die Architektur zuerst
die Nothwendigkeit klar vor die Augen, daß nur die
genaueste Kenntniß aller Einzelheiten die richtigen all-
gemeinen Gedanken aufzuerwecken vermöchte. Ohne
die ausgedehntesten Reisen waren jedoch Kenntnisse
der Art nicht zu erlangen. Sollte ich daher nicht in
befriedigungsloser Sehnsucht nach diesem höchsten Ziel
untergehen, so mußte ich mir die Möglichkeit aus-
malen, mit praktisch Baukundigen die weite Welt nach
allen Richtungen hin durchwandern und durchforschen
zu können. Da faßte ich nun auch den muthigen
Entschluß, mich auf das bestimmte Gebiet mittel-
altriger Baukunst zu beschranken, und mit solch einer
Leidenschaft der Liebe umfaßte ich dieß gemüthsinnig
religiöse Sleinbereich der Kunst, daß ich mich nach
und nach auch in Sinnesweise und Lebensanschauung
ganz verwandelt fand. Seit Zähren schon war mir
die Wissenschaft bas Höchste geworden; jetzt theilte
die Kunst für mich dieselbe Höhe, und beide gedachte
ich durch philosophisches Wiederschaffen der Kunstwerke
und ihrer Geschichte aufs engste zu verschwistern.
Der Reinheit dieser Bestrebungen schien nichts Anderes
vergleichbar; ihnen war Alles und Jedes unbedenk-
lich unterzuordnen, und in solcher Glorie standen sie
für mich da, daß, wer zu diesem Aether sich hinauf-
zuheben die geistige Schwungkraft täglich verstärke,
das geniale Recht, so glaubte ich, behalten müsse.
 
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