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nicht auf immer seinen heitern Himmel verschließen,
und wenn einst, wie die Sage geht, in grauen ver-
gessenen Tagen die wildhinstürmenden alten Natur-
mächte bewältigt werden mußten, damit den neuen ewig
jungen Göttern das schöne Reich ihrer Herrschaft ge-
sichert sey, so standen jetzt plötzlich mitten in der kunst-
entgötterten neuesten Zeit die wiederwachenden Götter>
söhne auf, und stürzten im Drang und Sturm ihres
zornigen Schmerzes in die dürren Ebenen nieder, um
die zahmen winterlichen Tagesmächte durch neue Früh-
lingswunder der Dichtung zu befehden. Das Zauber-
wort Shakespear hatte sie auferweckt, und mit dem
Muth der gleichen Bewunderung glaubte nun Jeder
von ihnen die gleiche schöpferische Macht errungen zu
haben. Die Gluth einer neuen Poesie brannte und
zehrte in Allen; doch wie verschieden beleuchteten ihre
auflodernden Flammen die vorgefundene oder eingebil-
dete Welt! Der genial grelle Lenz in kühnem Leicht-
sinn warf mit den Regeln und Gesetzen des hergebrach-
ten Geschmacks zugleich die ganze Philisterei der Sitt-
lichkeit über den Haufen. Das Recht der Unschuld
und Liebe, der siedenden Sinne und wirbelnden Leiden-
schaft wollt' er mit keck übersprudelnder Anschaulich-
keit und innigstem Gemüth erschütternd verfechten, aber
wie seine eigenen naturgetreuen und doch unwahr auf-
gereizten Charaktere ging er selber in der unaussöhn-
baren Zerrissenheit und den schneidenden Widersprüchen
der Moral und Sitte und pflichtenlfesselnden Poesie des
Herzens rettungslos zu Grunde.
nicht auf immer seinen heitern Himmel verschließen,
und wenn einst, wie die Sage geht, in grauen ver-
gessenen Tagen die wildhinstürmenden alten Natur-
mächte bewältigt werden mußten, damit den neuen ewig
jungen Göttern das schöne Reich ihrer Herrschaft ge-
sichert sey, so standen jetzt plötzlich mitten in der kunst-
entgötterten neuesten Zeit die wiederwachenden Götter>
söhne auf, und stürzten im Drang und Sturm ihres
zornigen Schmerzes in die dürren Ebenen nieder, um
die zahmen winterlichen Tagesmächte durch neue Früh-
lingswunder der Dichtung zu befehden. Das Zauber-
wort Shakespear hatte sie auferweckt, und mit dem
Muth der gleichen Bewunderung glaubte nun Jeder
von ihnen die gleiche schöpferische Macht errungen zu
haben. Die Gluth einer neuen Poesie brannte und
zehrte in Allen; doch wie verschieden beleuchteten ihre
auflodernden Flammen die vorgefundene oder eingebil-
dete Welt! Der genial grelle Lenz in kühnem Leicht-
sinn warf mit den Regeln und Gesetzen des hergebrach-
ten Geschmacks zugleich die ganze Philisterei der Sitt-
lichkeit über den Haufen. Das Recht der Unschuld
und Liebe, der siedenden Sinne und wirbelnden Leiden-
schaft wollt' er mit keck übersprudelnder Anschaulich-
keit und innigstem Gemüth erschütternd verfechten, aber
wie seine eigenen naturgetreuen und doch unwahr auf-
gereizten Charaktere ging er selber in der unaussöhn-
baren Zerrissenheit und den schneidenden Widersprüchen
der Moral und Sitte und pflichtenlfesselnden Poesie des
Herzens rettungslos zu Grunde.