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Humann, Carl; Puchstein, Otto
Reisen in Kleinasien und Nordsyrien: ausgeführt im Auftrage der Königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften (Text) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5242#0335
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Horoskop des Antiochos 329

Wenn wir bisher eine so auffällige Übereinstimmung zwischen den
Göttern der vier beschriebenen Reliefs und den Kolossalstatuen haben an-
erkennen müssen, liegt es nahe, bei dem fünften Relief, dem letzten Bild-
werk des Nemrud-dagh, das wir noch zu betrachten haben, von vorn herein
ebenfalls eine Beziehung- zu dem Gegenstand der fünften Statue, eben dem
Antiochos selbst, zu vermuten (vgl. Vignette 48). Dieser Annahme wird durch
die Darstellung (s. Tafel XL) jener gut erhaltenen Platte (hoch 1,75, breit
2,40, dick 0,47; die linke obere Ecke war schon ursprünglich abgeschnitten),
welche keine Weihinschrift auf der Rückseite enthält, in überraschender
Weise entsprochen. Die Vorderseite zeigt nämlich einen kolossalen in
hohem Relief ausgearbeiteten Löwen, der nach rechts schreitend und dem
Beschauer den Kopf zuwendend auf dem ganzen Leibe mit Sternen über-
säet ist und unter dem Halse die Mondsichel trägt. Auch neben seinen
Vorderbeinen und hinter dem Schweife befinden sich auf dem Reliefgrunde
noch drei gleichartige Sterne. Deutlich unterschieden von all diesen klei-
neren achtstrahligen Sternen sind drei gröfsere sechzehnstrahlige über dem
Rücken des Löwen, denen die Namen Tlt'QÖftc 'HQcoü[tovc~], -riXßmv ^AtjoI-
/mvoc und @ae&wv /hoc, d. h. der Planeten Mars, Merkur und Jupiter, bei-
geschrieben sind (vgl. S. 335 Anm. 4).

Es ist gewiss von vornherein anzunehmen, dafs diese Reliefdarstellung
eine astrologische Bedeutung hat und sich wegen des eben angeführten
Grundes auf den Stifter unseres Denkmals bezieht, also das königliche
Horoskop enthält. Um dies zu verstehen, müssen wir das eigentümliche
Bild genauer untersuchen.

Der mit Sternen bedeckte Löwe ist das von den kommagenischen
Künstlern mit überraschender Sorgfalt dargestellte Zodiakalzeichen: denn
die Anordnung der neunzehn Sterne auf und neben dem Körper des Löwen
stimmt mit einer einzigen nicht sehr wesentlichen Abweichung so genau
mit den Angaben der Eratosthenischen Sternkataloge überein, dafs das Relief
zum Verständnis gewisser Bezeichnungen derselben wie eine Illustration
verwendet werden kann1). Während aber sonst die in einem Zeichen des

1) Eratosthenis catasterism. reliqu. rec. C. Robert, Berlin 1878, S. 96, XII: Die drei Sterne
inl rqs xfifalrjs sitzen in der Reliefdarstellung auf der Nase und über den Brauen des Löwen, die
zwei inl rov iQit%r)kov hinten auf den Wangen, der inl rov ßTrjftovs (Regulus BaaMaxos) auf der
Brust über dem Monde, die drei Inl rrjs yä/eiag auf der Mähne, über der Schulter und auf dem
Kreuzbein, der inl fiietjs rijs xipxov in der Schleife des Schwanzes, der in axgct; t. x. neben dem
Büschel des Schwanzes, die zwei inö rö oiijftos im Felde neben den Vorderbeinen, der inl lov
dt^iov nodos auf der rechten Tatze, der inl /xiaijs xoilias und der vnb tijv xoMciv beide auf dem
Bauch, der inl rov laylov vorn auf dem rechten Schulterblatt, der inl tov omalrlov yovmos genau
an der Stelle des Knies am rechten Hinterfufs, endlich der inl nodös cixgov (in pede posteriore
Hygin, in propoda schob German.) auf dem Unterschenkel des linken Hinterbeines.

Das Zeichen des Löwen, freilich ohne die Sterne auf seinem Körper, erscheint auch auf der
Amsterdamer Münze des Antiochos (Imhoof-Blumer Taf. VI, n), häufig auch auf älteren Münzen
von Samosata, und zwar ebenfalls, wie es in Darstellungen des ganzen Zodiakos die Regel ist, nach
 
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