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Hupp, Otto
Scheltbriefe und Schandbilder: ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 16. Jahrhundert — Schleißheim: Selbstverl. des Verf., 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.65844#0011
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I

Vorbemerkungen.

Der Anatom lehrt, das empfindlichste Organ des menschlichen Körpers
sei der Geldbeutel, bei dessen bloßer Erwähnung schon das Wohlbefinden
gestört werde und die Gemütlichkeit aufhöre. Die tägliche Erfahrung gibt
dem Gelehrten recht. Wenigstens für die Gegenwart. — Wenn wir aber in
die Vergangenheit zurückblicken, wenn wir im alten Schlosse, im träumerischen
Nachdufte längst verglühten Lebens uns in die dunkeln Ahnenbilder versenken,
wenn wir im Kreuzgang vor den steinernen Gestalten mit den langen Titeln
ihrer Herrschaften und Güter, ihrer Würden und Ehren stehen, dann könnten
wir meinen, diese feudalen Grafen und Herren hätten eines Geldbeutels
ebensowenig bedurft, als sie unseres auch fast schon zum Leibesglied gewor-
denen, ebenso nervösen und ebenso unaufhaltsam abrieselnden Zcitweisers
bedurften. Und doch wäre die Annahme, jene hochvermögenden Herren hätten,
wie sie keine Taschenuhr kannten, auch keinen Geldbeutel gekannt, durchaus
irrig: ebenso irrig, als wenn wir aus dem Stil ihrer Briefe schließen wollten,
die Durchlauchtigen, Hochgeborenen, Edlen und Vesten hätten sich nicht anders
auszudrücken gewußt als in den höfisch gewundenen Formeln ihrer Briefe.
Das wäre ein großer Irrtum. Auch sie hatten ihren Beutel, so gut wie wir,
und wenn ihm einer zu nahe trat, dann schlug die gedrechselte Schablone gleich
in eine ganz natürliche, frische und flüssige Sprache um.
Herzog Ludwig der Bärtige von Ingolstadt machte 1418 eine Forderung
von 23 000 Goldgulden, die er beim Konstanzer Konzil dem Kaiser Siegmund
auf des Burggrafen Friedrich von Nürnberg Bürgschaft hin geliehen hatte,
gegen letztern geltend. Dieser bestritt die Gültigkeit des Schuldbriefs unter
dem Vorwande, sein Siegel sei während seiner Abwesenheit von Konstanz
ohne sein Wissen angehängt worden. Das hatte einen lebendigen Briefwechsel
zur Folge. „Du lügenhafter, schändlicher Mensch" begann der Hohenzoller
und wies auf Ludwigs Bereicherungen am Hofe seines Schwagers, des geistes-
kranken Königs Karl VI. von Frankreich hin. „Du neulich hochgemachter
Edelmann, du lügenhafter Markgraf, du schäbiger Hund" antwortete der
Wittelsbacher, „der Ehre an deinem ganzen Leibe ist nicht soviel, daß man
einen Bolz damit füttern*) könnte", womit er an die eben erfolgte Erhebung
*) Gemeint ist: fiedern „du hast nicht ere, damit man einen Polz gesiedern macht",
heiht es in einer Urkunde v. 1420. (Grimm W. B.)

Friedrichs zum Markgrafen von Brandenburg anspielte. Als letzterer des
Herzogs Herausforderung zum Zweikampf abwies, gab es einen langen Krieg,
in dem kein Greuel gespart wurde (O. Denk und I. Weiß, Unser Bayer-
land, 1906 S. 227). Nach und nach wurde man klüger, schlug nicht mehr
um einer Geldforderung willen viele Menschen tot und unterließ es, Unschul-
digen unabsehbaren Schaden zuzufügen, ohne selbst etwas anderes als Verluste
und die Verrohung der eigenen Untertanen davon zu haben. Man focht nun
mit der Feder. Den häufigsten Anlaß dazu gab aber immer noch das Geld.
— Hier haben wir es nur mit dem Gelds zu tun, das verliehen und nicht
zurückgegeben wurde; genauer: nur mit den aus diesem Vorgang er-
wachsenen Folgen, nur mit der Form, in der sich der Arger des enttäuschten
Gläubigers Luft gemacht hat.
* *
*
Pictura samofa, Schelt- oder Schmähschriften, Schandgemälde und
Famoslibelle waren durch Reichsgesetz verboten. Cs sollte: nicht allein derver-
käuffer oder feilhaber, sondern auch der käuffer und andere, bep denen solche Bücher,
5chmach-5chrifsten oder pastguills stemaehlde, sie sepen geschrieben, gemahlet oder getruckt,
gefunden, gefaenglich angenommen, gütlich, oder wo es die Uothdurst erfordert, peinlich
gefragt und je nach Selegenheit und bestatt der Zachen, andern zum abscheulichen Exempel
mit besonderm Ernst gestrafet werden.
Schon in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hatte der Rat
zu Nürnberg ein scharfes Auge auf die Buchführer, die schendtliche gedruckte
Brief und ungeschickte gemel feil boten, wozu übrigens 1524 auch Lutters
pildnust und 1578 ein Famoßliedlein wieder Jörgen Fugkers Mutter und
Schwestern namhaft gemacht werden (Hampe, Nürnberger Ratsverlässe).
Ebenso verboten die Reichsabschiede von 1530 und 1548 die gemalten
Beschimpfungen.
In Kaiser Karls V. Gerichtsordnung, die 1532 zum Reichsgesetz erhoben
wurde, lautet der 110. Abschnitt: Ztraffschrifftlicher vnrechtlicher peinlicher schmehung.
Rem welcher jemandt durch schmachschrifft, ru latein libell famost genannt, die er aust-
breptet, und sich nach Ordnung der stecht mit seinem rechten ^auff un Manien nit under-
schreibt, unrechtlicher unschuldiger weist läster und übel jumistt, wo die mit warhept
 
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