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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 1): Zeus im Gigantenkampf — Halle, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.5987#0008
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steht der bärtige Vater der Götter und der Menschen und schwingt, sich zurückbeugend, in der
hochgehobenen Rechten den Blitz: über der linken Schulter und um den Unterkörper liegt die
Chlamys; das in langen Locken herabfallende Haupthaar trägt einen kranzartigen Schmuck, dem
überladenen apulischen Styl gemäss, der gern überall verzierenden Schmuck anbringt. Mit der
linken Hand hält Zeus sich an der Brüstung des Wagens fest, eine Bewegung, welche die Schnellig-
keit des dahineilenden Gespanns veranschaulicht. Neben dem Kroniden steht als Lenker des
Wagens (?^/o^oc)6) der jugendliche Hermes, weit vornüber gebeugt, in den Händen die Zügel
und den spitzen Stachelstab (xtvtQor); seine Chlamys, die nach hinten emporflattert, wird am
Halse durch einen Knopf zusammengehalten; der breitkrempige Petasos ist unter dem Kinn fest-
gebunden. Vor und zum Theil unter den Pferden liegt der Feind der Gottheiten, ein erdgebonier
Gigant, auf der Flucht über die Wellen des Meeres hin eingeholt und hinsinkend: das Grausige
seiner Erscheinung, vor Allem hervorgebracht durch die mächtigen Schlangenfiisze, auf denen der
Unhold sich fortbewegt, wird noch vermehrt durch das Thiorfell, welches statt einer Chlamys um
den Hals geknotet ist; Bart und Kopfhaare (in denen gleichfalls Schmuck angebracht ist) sind
struppig und roh. In den Händen hält er über dem Kopf einen gewaltigen Felsblock, den er als
Angriffswaffe benutzen wollte — aber die Bosse sind im Begriff ihn niederzufahren und der
Blitzstrahl des Zeus wird ihn vernichtend ereilen. Umsonst ist die Hilfe, die ihm«) ein gewal-
tiger Windgott leistet, dessen übergrosser Kopf, oben in der Ecke (zwischen dem Felsstück und
der Arabeske) sichtbar, aus vollen Backen den olympischen Rossen entgegenbläst, so dass zwei
von ihnen vor dem Sturmwinde sich wegwenden. Zwischen und über den Köpfen der Rosse sind
Sterne gemalt, schwerlich zur Bezeichnung dos gestirnten Firmaments, sondern dem jeden leeren
Raum hassenden Styl gemäss wol nur zur Ausfüllung bestimmt; dies gilt auch von den weissen
Punkten unter dem Wagenkasten und den Pferden — oder sollen dieselben etwa den hochspritzen-
den Meeresschaum andeuten, der wenigstens an einer Stelle über der weissen Wogenfläche
sicher dargestellt scheint?

Die Zeichnung des Gefässes ist sehr grob und flüchtig, zum Theil sogar entsetzlich roh
(man betrachte nur z. B. die Wiedergabe der Hände); durch die Verwendung rothbrauner Farbe
(z. B. im Innern des Thierfells) und der allzu reichen Anwendung von Weiss macht das Bild
einen bunten unruhigen Eindruck. Das Ornament, das z. B. den hinteren Theil des Bauchs unter-
halb des Henkels ausfüllt, ist schwerfällig und unschön; die Form der Oenochoe ist nicht so an-
muthig und stylvoll als gewöhnlich. Die Vase gehört eben der Vcrfallzeit der apulischen Vasen-
malerei an und werden wir nicht irren, wenn wir sie ungefähr in dem letzten Viertel des dritten
Jahrhunderts oder in dem ersten des zweiten vor unserer Zeitrechnung, vielleicht auch noch später

und mehrfach, in einen stehenden Büschel empoi-gebunden; vgl. auch z.B. Berl. Vas. 10Ö0; Neap. Vas. 2914; Bull.
Nap. Arch. IV 3, l; u.a.m. Die Sitte ist möglicherweise zu Griechen und Körnern von den Persern gekommen;
vgl. Flandin et Coste Perse anc. II 105 ss.

5) Nicht als naQaßärnc, wie Schöne 1. c. wähnt; das ist hier vielmehr Zeus.

ti) Wenn Schöne 1. e. sagt: il vento nemico all' avversario di Giove, so ist dies sicher ein Irrthum.
 
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