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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 18): Die Marathonschlacht in der Poikile: und weiteres über Polygnot — Halle a. S., 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.6004#0086
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III.

Wie sah. ein Polygnotisches Gemälde aus?

Den Fragen nach dem Format, dem Kolorit, der Technik der Polygnotischcn Gemälde ein
besonderes Kapitel zu widmen ist von Anfang an meine Absiebt gewesen. Ich glaubte dies aber
erst thun zu sollen, nachdem sämtliche Gemälde des Meisters und seiner Schule, von denen wir
Kunde haben, im einzelnen durchgesprochen waren. Deshalb sind diese Fragen, ausser der prin-
zipiellen nach der Komposition, bisher nur flüchtig gestreift worden. Unterdessen hat K. Schöne in
seiner Recension meiner Nekyia, die in dem Jahrbuch des Kaiserlich deutschen Archäologischen
Instituts VJJi 1893 S. 187 ff. unter dem Titel „Zu Polygnots delphischen Bildern" erschienen ist,
gerade auf diese Punkte vornehmlich sein Augenmerk gerichtet. "Wir wollen zunächst auf der von
ihm betretenen Bahn die Untersuchung beginnen und sehen, wie weit wir uns seiner Führung an-
vertrauen können.

Schöne beginnt mit der Frage nach dem Format und der Grösse der Bilder. Hinsichtlich
des ersteren scheint er mir zuzustimmen; denn er spricht von „friesartigen Kompositionen, bei denen
die Länge stark die Höhe überwog", nur meint er, dass Winter, der ein Verhältnis von 1 : 5 an-
genommen hat, der "Wahrheit noch näher gekommen sei, als meine Rekonstruktionsversuche, die
das auf experimentellem Wege gewonnene Verhältnis von 1 : 41/; zeigen. Woher Schöne das weiss,
sagt er nicht; die Sache ist aber für die Hauptfrage ziemlich irrelevant.

Für die Grösse der Bilder bietet nach Schöne die Ueberlieferung keinen Anhalt; er macht sie
also — und daran thut er Recht — von der Frage nach der Figurengrösso abhängig. Er meint nun
und sucht es ausführlich zu beweisen, dass sich lebensgrosse Figuren für Polygnot nicht nachweisen
lassen. Aber den Gegenbeweis, dass Polygnots Figuren nicht lebensgross gewesen sein können, ist
er schuldig geblieben. „Polygnot", das ist das Endergebnis seiner ausführlichen Besprechung, „be-
wegte sich vermutlich freier (als Panainos bei den Schrankenbildern, wo dieser durch die Rücksicht
auf das Zeusbild gebunden war) oder musste sich doch über den Masstab seiner Figuren nach völlig-
anderen Gesichtspunkten entscheiden." Welcher Art diese Gesichtspunkte waren, darüber lässt sich
Schöne nicht näher aus. Aber einer, und wie mich dünkt ein sehr wesentlicher, war doch die Höhe
der Wand. Setzen wir einmal den Fall, Polygnot habe eine Bihlfläehe von G m Höhe zu bemalen
gehabt, war er da nicht geradezu gezwungen, sich für einen grossen Massstab seiner Figuren zu ent-
scheiden? Wir hätten also gerade nach Schönes Argumentation völlige Freiheit, uns die Polygnotischen
 
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