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entwickeln, bereichert durch den Formenschatz der Renaissance, ein eigenwertiges Dekorationssystem. Damit ge-
winnt unser Thema den über das Technische und Konservatorische hinausgehenden kunstgeschichtlichen Aspekt^.
27- 2^, Die neue Idee vom Wesen der Dekoration tritt innerhalb unseres Themas zuerst am Palazzo Gerini, einem ursprüng-
lieh nur sechsachsigen Bau des frühen i $. Jahrhunderts mit etwa gleichhohem Erd- und Hauptgeschoß und gedrück-
tem Obergeschoß, hervor; seine Fassade wurde in der Jahrhundertmitte durch eine klassische Pilasterordnung in
Sgrafüto neu proportioniert, die das Hauptgeschoß in ganzer Breite und Höhe zusammenfaßt und reiche ornamen-
tale Details von hoher Qualität aufweist. Hauptmotive sind die zwischen den Pilastern (mit sechs Kanneluren und
korinthischen Kapitellen) in umrahmte Gevierte eingebetteten tondoförmigen Muscheln und die von den vielfälti-
gen Zierleisten des Architravs gesäumten, zwischen Girlanden aufgereihten Engelsköpfe mit Flügeln; im Ober-
geschoß sind es Doppelpilaster (mit je fünf Kanneluren), die die Rundbogenfenster tabernakelartig rahmen und zwi-
schen sich Doppelhenkelvasen mit hochrankenden Blütenzweigen einschließen. Diese Motive sind in ihrer Auffas-
sung und Anordnung so eng mit dem Werk der Hauptmeister der Florentiner Frührenaissance: Donatello, Miche-
lozzo und Luca della Robbia verbunden, daß der Entwerfer dieser heute völlig einzigartigen Fassade aus ihrem
Kreis stammen muß - wie etwa Maso di Bartolomeo, der 1432 für Entwürfe zur Ausschmückung der Hofwände
des Palazzo Medici bezahlt wurde (Zitat siehe dort). Nachdem L'Yriarte (1881) und Fabriczy (1904) die ersten Ur-
kunden über Maso (1406 bis etwa 1436) publiziert hatten, bestätigen Marchinis Forschungen (1932) erneut seine
wiederholte enge Zusammenarbeit mit den drei genannten Künstlern.
Die Fassade des Palazzo Gerini darf als hervorragendes Beispiel einer durchentwickelten der Mitte
des Quattrocento gelten. Bisher hat man in der Literatur dafür nur zwei Beispiele in Toskana gekannt: Bernardo
Rossellinos SgrafHtofassade des Palazzo Ammanati in Pienza, mit deren »System der rhythmischen Travee« sich
schon Stegmann (111a, 1906) auseinandersetzte, und Albertis »durchkomponierte Schaufläche« des Palazzo Rucellai,
die H. Kaufffnann in dem Aufsatz »Über ,rinascere', ,Rinascitä' und einige Stilmerkmale der Quattrocentobaukunst«
einer eingehenden Analyse unterzog. Jedoch bedingt die Fassadendekoration des Palazzo Gerini eine Erwei-
terung seiner Feststellung: »Hauptsächlich durch Alberti ist die Fassade in Form einer durchkomponierten Schau-
fläche für Renaissance und Barock bestimmend gewesen.« Denn der Anstoß zu dem »Schaubild architektonischer
Ordnungen« am Palazzo Gerini kommt von den plastischen Werken des Donatello, Michelozzo und Luca della
Robbia. Eine ihrer gestaltenden Grundformen an Predigt- und Sängerkanzeln, an Antependien und Türen ist das
umrahmte Geviert, das Quadro, das sich u. W. an keiner Außenarchitektur so beherrschend und so reich ausgestal-
tet findet wie im Hauptgeschoß des Palazzo Gerini. »Es gab der Wand ihr Gesicht; es erweist sich als ein Ordnungs-
prinzip und als stilbildender Faktor, durch den sich die Renaissance-Architektur besonders sinnfällig von älteren
Stilarten unterscheidet« (H. Kauffmann).
;?<f Mit Fassade des Palazzo Ammanati (1460-1462) und der anspruchsloseren Fassade des Palazzo Pretorio in
Pienza setzt eine weniger tektonisch als dekorativ gesinnte Richtung ein; sie ersetzt die Pilaster durch Lisenen, die
Architrave durch Girlanden und Palmettenfriese, sie verringert die klassischen Bauglieder zugunsten des Flächen-
schmucks, des Dekors. Im ganzen bleibt die durchkomponierte Schaufläche während des Quattrocento bestim-
mend, doch wird ihre klassische Strenge in der zweiten Jahrhunderthälfte durch die Vielteiligkeit des Formen-
gerüstes und die Feingliedrigkeit des reichen Dekors überspielt; exemplarisch dafür ist die Pilasterfassade des
/0-/2 Palazzo Nasi in Florenz, die in enger Beziehung zu den Intarsien des Giuliano da Maiano in der Florentiner Dom-
sakristei steht.
An Friesen sind Putten mit Girlanden das Hauptmotiv der toskanischen Renaissancedekoration von Quercia bis
del Sarto. Soweit plastische Vorbilder der Antike nachwirken, sieht man die Putti in Aktion: sie tragen die Girlan-
den stehend oder haben sie in Laufstellung geschultert, z. B. in Pienza an der fast völlig ruinierten Dekoration der
 
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