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Posse, Hans
Der römische Maler Andrea Sacchi: ein Beitrag zur Geschichte der klassizistischen Bewegung im Barock — Italienische Forschungen, Neue Folge, Band 1: Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.34605#0166
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ALESSANDROALGARDt

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Auch zu Berninis ernsthaftestem Rivalen, zum Bildhauer Alessandro
Algardi, der Bernini sogar eine Zeit lang von den großen römischen Unter-
nehmungen zu verdrängen vermocht hat, steht Sacchi in Beziehungen.
Algardi und Duquesnoy hat Bellori für die beiden bedeutendsten neueren
Bildhauer erklärt, „nelle cui mani fü restituito lo spirito ai marmi". Wie
er an des Fiammingo Susannenstatue den glücklichen Wetteifer mit der
Antike bewundert, so rühmt er an den Werken Algardis außer der tech-
nischen Meisterschaft jene Objektivität und Genauigkeit in der Wiedergabe
des Hatureindrucks, die Strenge der Form und den Sinn für Maß und
Symmetrie. Passeri wieder, der beim Einzelwerk uneingeschränkten Lobes
voll ist, kritisiert Algardi bei einem großen und im Sinne der Zeit auf deko-
rative Effekte berechneten Projekt wie der Ausschmückung der Villa
Pamfilj als „schwächlich und trocken". Denn er vermißt die barocke Groß-
zügigkeit, die Künstler wie Bernini oder Borromini bei solchen Anlässen
entfaltet haben, während Bellori den Reichtum des Details (nach antiken
Vorbildern) und die k!as$izierende Regelmäßigkeit der Anlage und ihres
Schmuckes rühmend hervorhebt. Mit dem gleichaltrigen Bolognesen haben
Andrea Sacchi die Bande carraccesker Schulgemeinschaft, aber mehr noch
Gemeinsamkeiten des künstlerischen Standpunkts verknüpft, ln der pla-
stischen Klarheit seiner Schöpfungen, in der Würde und Feierlichkeit seiner
Gestalten, in der Behandlung der nackten Figur, als Porträtisten von der
ernsten sachlichen Auffassung und der scheinbar aufs Flaar getreuen Charak-
teristik der Bildnisbüsten in S. Marcello, S. Maria de! Popolo und anderswo
muß ihm Algardi als Gesinnungsverwandter erschienen sein. Algardis große
Marmorgruppe der Enthauptung des Apostels Paulus (1641), die sich in einem
von Säulen getragenen Absidenbau über dem Flochaltar von S. Paolo zu
Bologna erhebt, „so daß man sie von jeder Seite sehen kann" (Bellori), ist
durch Sacchis „Martyrium des hl. Longinus" mit dem unter einer dünnen Dra-
perie sich enthüllenden Körper des Heiligen angeregt. Hoch in der un-
gewöhnlich nüchternen Kapellendekoration des Bildhauers in S. Carlo zu
Genua erinnern einige Bronzebüsten von Heiligen an Sacchis Romuald und
die hl. Susanna Fiammingos, den Algardi nach Sandrart, besonders in den
Kindern, „über alle andern ästimiert" hat. Und in zwei fast gleichzeitig ent-
standenen Hauptschöpfungen bringen beide Künstler ihre Sympathien für
Raffaels Stanzenfresken zum Ausdruck: Sacchi in S. Giovanni in Fonte (um
1645), Algardi in seinem Attila-Relief für S. Pietro (1646—50).
So beginnt sich eine Gruppe von angesehenen römischen Künstlern
zusammenzuschließen, die in einem mehr oder minder ausgesprochenen
 
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