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Posse, Hans
Der römische Maler Andrea Sacchi: ein Beitrag zur Geschichte der klassizistischen Bewegung im Barock — Italienische Forschungen, Neue Folge, Band 1: Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.34605#0170
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138

RAFFAEL

wie ein italienischer Parteigänger Poussins in seiner Malerei aus der Legende
Josephs im Quirinal.
Aus diesen Kreisen, deren Mittelpunkt das carracceske Element in Rom
bildet, denen Passeri und später Bellori nahestehen und aus denen sich
eine lebhafte, wenn auch oft unsachliche Opposition gegen Bernini erhebt,
erklingt vernehmlicher als sonst begeistertes Lob von Künstlern der älteren
Generation, Annibale Carraccis und noch mehr Domenichinos. Man be-
gegnet hier vor allem einer uneingeschränkten Verehrung Raffaels. Gio.
Pietro Bellori, der freund Poussins und des Sacchischülers Maratti, hat
allerhand Beispiele zu erzählen gewußt von Annibale Carraccis warmer
Schätzung des großen Raffael. Sein Gewährsmann war Sacchis Lehrer Albani
gewesen, der Raffaels Namen nicht ohne das „divino" auszusprechen pflegte.
Der Begründer des modernen Stils im Gefolge des Urbinaten! Raffael und
die Antike erkannte Bellori als die Grundlagen der Kunst Poussins. So
schloß sich dem gelehrten römischen Patrioten die Kette, die Roms antike
Herrlichkeit mit den Modernsten verband. Und Passeri berichtet von Sacchi
selbst, daß er immer ein großer Anhänger Raffaels gewesen sei. „Da er
Scharfsinn und Urteil besaß, erkannte er die seltenen Eigenschaften dieses
großen Mannes. Wenn ihm einer seiner Schüler eine Zeichnung nach
Raffaels Werken zeigte, dann pflegte er, nachdem er sie sehr genau be-
trachtet hatte, unter großer Bewegung zu dem jungen Menschen, der sie
gemacht hatte, zu sagen (gleich als wäre es die Zeichnung eines bedeuten-
den Meisters und nicht eines Anfängers): Che ne dici? (dabei hob er die
Augen nicht vom Blatt). Man redet mir immer, Raffael sei ein Mensch ge-
wesen; nein, er war ein Engel! Und solche Worte brachte er mit so leb-
hafter und tiefinnerer Bewegung hervor, daß der Schüler verwundert zu-
gleich und erschrocken dastand. Ed egli ne restava per qualche spazio di
tempo soprafatto di malinconia, infiammato nel volto e quasi stordito''^).
Trotz der wachsenden Hinneigung zu den malerischen Bestrebungen der
Kunst Oberitaliens ist Raffael auch im 17. Jahrhundert als einer der Heroen
einer großen künstlerischen Tradition, sein Werk als einer der Grundpfeiler
des modernen Schaffens anerkannt worden. Einer der berufensten Sprecher
des Seicento, Bernini, rühmt trotz seiner großen Begeisterung für Michel-
angelo als Bildhauer und vor allem als Architekten Raffael als den einzigen
Meister, der wahre Zeichnung, vorzügliche Komposition, Grazie (im Gegen-
satz zu Michelangelo), klassischen Gewandstil und fehlerlose perspektivische
i) Passeri, 325. — Beiiori, Vita di Carlo Maratti (Ritratti di alcuni celebri pittori
del secoloXVH, Rom 1731), 203.
 
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