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Posse, Hans
Der römische Maler Andrea Sacchi: ein Beitrag zur Geschichte der klassizistischen Bewegung im Barock — Italienische Forschungen, Neue Folge, Band 1: Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.34605#0183
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SACCHIS SCHÜLER CARLO HARATTt

auch diese modernsten Tendenzen hat er in ihrer Konsequenz gemildert
und sie im Sinne der Schultradition seinem Wollen, einem nun ganz be-
wußten kühlen Eklektizismus angeglichen. Er hat sich selbst als Erben der
Kunst Raffaels und Annibale Carraccis gefühlt und sich seinem Panegyristen
Beilori gegenüber in solchen Fragen auf den Vorgang seines Lehrers und
des Nicolas Poussin berufen. Das Bekenntnis zu Raffael als dem Muster
künstlerischer Vollkommenheit und Gesetzmäßigkeit tritt bei Maratti jetzt
mit propagandistischer Schärfe auf, wie aus seinen von Bellori überlieferten
Äußerungen oder aus jenem kunsttheoretischen von N. Dorigny gestochenen
Thesenblatthervorgeht, dessen ,,tanto che basti" nicht nur die Verehrung
Raffaels zu ungunsten Michelangelos zum Ausdruck bringt, sondern sich
in diesem Zusammenhang auch gegen alles Übermaß, sei es Anatomie im
Sinne Michelangelos oder Perspektive im illusionistischen Sinne der modernen
Dekorationskünstler, wendet und eine ,,von den Grazien geleitete" gefällige
Bildung der Formen, harmonischen Zusammenklang der Komposition, Maß-
halten in Ausdruck, Farbe und Vortrag zur Forderung erhebt. Maratti ist der
Restaurator der vernachlässigten vatikanischen Stanzen und der Farnesina
Raffaels. Gio. Pietro Bellori, der bedeutendste Wortführer der klassizistischen
Theorie, ist der begeisterte Berichterstatter über diese aktive Betätigung
einer neuerstarkten Raffaelverehrung. Drei jahre nach Andrea Sacchis Tod
(1664), unter Marattis Akademieprinzipat, hat Bellori jene Vorlesung über
die ,,!dea della pittura, scultura ed architettura" vor der versammelten
Akademie von S. Luca gehalten, die als die wichtigste Kundgebung des
klassizistischen Programms anzusehen ist.
Andrea Sacchi wiederum gehört zu denjenigen zeitgenössischen Künst-
lern, deren Lebensbeschreibung Bellori neben denen Albanis, Guido Renis,
Marattis und anderer der Aufnahme in den nicht zum Druck gelangten
zweiten Band seines Vitenwerks für würdig erachtet hat'-). Daß Sacchi ein
Maler nach dem Geschmacke des Kunsthistorikers Bellori gewesen ist,
dem Raffael der Wiedererwecker der Antike war, der Künstlern wie Ba-
rocci, Annibale Carracci, Domenichino, Algardi, dem Fiammingo schon im
ersten Bande seines Werkes Kritiken voll wärmster Anerkennung gewid-
met und in ihrem Schaffen eine Bestätigung seiner Theorie gefunden hat,
bezeugen die Äußerungen in der Lebensbeschreibung Carlo Marattis, in der
h Mitteilungen der Gesellschaft f. vervielfältigende Kunst, 1919, Nr. 2/3, 9f.: O. Kut-
schera-Woborsky, Ein kunsttheoretisches Thesenbiatt Cario Marattas und seine ästhetischen
Anschauungen. — Beüori, Vita di Carlo Maratti, 204f.
Richardson H!, 706.
 
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