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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 2.1854

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Nr. 34
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https://doi.org/10.11588/diglit.62065#0276
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268

Die Illustrirte Welt.

Johann stand wie versteinert da; endlich wirst er
eine» einzigen langen Blick zum Himmel auf, aber in die-
sem Blick lag ein Himmel von Glück und Dankbarkeit.
„Geh zu deiner Braut!" rief er nach einer langen,
warmen Umarmung. „Ich habe ihn nicht ermordet! er
lebt! Du guter Gott im Himmel, er lebt, du hast ihn
erlöst!" Und er küßte die Blumen, umarmte die Bäume
und wälzte sich vor Freude im Gras.
Es sind mehre Tage verflossen; der Hochzeitstag ist
da; die Kirche ist mit Blumen und grünen Zweigen ge-
schmückt und die Orgeltöne dringen auf den Kirchhof
heraus. Da kommt der Hochzeitszug, wie festlich, wie
geputzt! Die Braut geht zwischen zwei jungen Män-
nern, von denen sie der Eine führt. Lange haben die
Brüder in Liebe gestritten, wer dem Andern das große
Opfer bringen dürfe; aber der Eine hat eine schwere
Schuld zu sühnen, und er hat den Sieg davongetragen.
Seht, wie seine Augen funkeln, wie sei» Gang leicht,
sein ganzes Wesen gehoben ist. Wie er betet aus voller
Brust; es ist, als ob sich seine Seele in Freude und Dank-
sagung auflöste.
Nun ist Abend im Thal. Der Wind ist zur Ruhe
gegangen und jedes Laub mit ihm; es ist so stille, daß der

kleine Bach im Walde sein Brausen hören lasten kann.
Die Thürc des festlichen Hauses ist geschlossen: nur der
Mond darf durch die kleinen Fenster blicken, denn nicht
mal der Abendwind wagt es, die rothen Rosen zu bewe-
gen, die sich an der Mauer hinaufschlingen. Aber wer
ist der Wandrer mit dein Ranzen auf dem Rücken und
dem Stock in der Hand, der auf der Höhe unter dem
Eichbaum steht? Er streckt die Hand zum Abschied nach
dem kleinen Hause aus, denn er geht in die Welt hinaus.
Warum kniet er nieder? Er dankt Gott, daß Alles so
gegangen. Ist es möglich, daß Einer mitFreudenthräncn in
den Augen Alles verlassen kann, was ihm theuer, um in
ein fremdes Land zu wandern? Ja, es ist, denn ein
freies Gewissen erleichtert die Bürde und verwandelt jeden
Seufzer in Dank und Segen.

Mrembnrg.
Die Stadt Luxemburg, Hauptstadt des Großherzogthums
gleichen Namens, welches unter holländischer Hoheit steht,
theilt sich in die obere und untere Stadt. Die obere Stadt


Ansicht von Luxemburg.

ist die beträchtlichere; sie erhebt sich am Fuße einer Felsen-
kette, deren Spitzen ein großes Plateau bilden, das sich
nur nach Westen fortsetzt, nach den drei andern Set-
ten über 200 Fuß steil abfällt, dann aber auch eben
so weit wieder aufsteigt. In diesem eng eingeschnittenen
Thal fließt die Alzig; sie bildet einen natürlichen Festungs-
graben, in welchem mancherlei Gewerbe, besonders
Gerbereien betrieben werden. Berg und Thal, auf diese

Weise sehr belebt, in Verbindung mit den zackigen, Ausge-
wachsenen Sandsteinfelsen, den Gartenanlagen, den zahl-
reichen Baumgruppen, stattlichen Militärgebäuden, gewähren,
namentlich von der Trierer Straße gesehen, ein Bild
wunderbarer, überraschender Schönheit.
Die Festungswerke vereinigen die großartigsten Ver-
hältnisse neuer Festungsbanten mit der Kühnheit alter
Bergschlösser; sie sind zum Theil in den Fels gehauen,
 
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