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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 29.1881

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Zllustrirte Melt.

567

zu tragen haben, indessen seine Unschuld, er sei dessen ge-
wiß, würde an den Tag kommen, man würde den wahren
Thäter über kurz oder lang entdecken.
Wir waren natürlich sehr bestürzt über das Alles, wir
bedauerten den kleinen Ehrgeizigen, am meisten aber den
armen Onkel. Seine Vermuthungen bestätigten sich nur
zu bald, die ganze Gegend bezeichnete ihn als den Mörder
des Steuerraths, — Etliche gaben ihm Recht, Viele brachen
über ihn den Stab.
Zuerst, in übertriebenem Eifer, kam der Herr Pastor
in's Haus, geeilt und hielt dem Onkel eine lange und ein-
dringliche Rede, welche Jener mit großer Geduld anhörte.
Als er aber dann seine gänzliche Unschuld versicherte und
der Geistliche trotzdem fortfuhr, auf ihn einzusprechen, bat
er ihn höflich, aber bestimmt, entweder in aller Ruhe eine
Tasse Kaffee mit ihm zu trinken oder später einmal wieder-
zukommen.
Gleich darauf erschien das Gericht — der Staats-
anwalt, Gendarmen und Polizisten. Der Onkel mußte
noch einmal mit hinauf zu der Leiche. Sie suchten die
ganzen Büsche ab, ohne anfangs etwas zu finden, was den
Verdacht auf jemand Anderes lenken konnte. Man sah im
dürren Laube neben dem Wege Spuren von Menschen-
füßen, konnte aber nicht erkennen, ob dieselben von den
Schuhen des Onkels oder denen eines Andern herrührten.
Dagegen entdeckte man einen angebrannten Papierpfropfen
mitten im Wege liegend, der offenbar von jenem mörderischen
Schüsse herrührte. Derselbe spielte hernach in der Unter-
suchung eine große Rolle.
Man nahm zuletzt dem Onkel die Büchse fort und setzte
ihn, nachdem er vierzehn Tage in Untersuchung gewesen
war, gegen hohe Kaution vorläufig wiederauf freien Fuß.
Der Verdacht gegen ihn begann sich abzuschwächen: sein
ruhiges Benehmen sprach für ihn, einige andere Thatsachen
noch, — die Wunde zum Beispiel rührte von Rehposten
her, wie die Obduktion ergeben hatte, und der Onkel führte
eine Kugelbüchse, welche noch geladen war, auch hatten
Leute, kurz nachdem der Schuß gefallen war, den Onkel
ziemlich weit entfernt von dem Orte der That durch den
Wald schreiten sehen, auf jene Stelle zu . . . Kurz und
gut, man setzte ihn zuerst auf freien Fuß und zuletzt wurde,
hauptsächlich durch jenen Papierpfropfen, der wahre Thäter
ausgefunden.
Jener Mord war ein Akt der Rache. Der Pfropf
rührte von einer österreichischen Zeitung her, der Mörder
war ein Weber aus einem Dörfchen dicht an der Grenze,
welcher neun Monate Gefängniß erhalten hatte durch die
Bemühungen des Steuerraths . . . Während jener Zeit
hatte sich dessen Frau, von Roth gedrungen, etliche Male
an diesen gewendet mit der naiven Bitte, ihren Mann doch
frei zu machen, als ob das von ihm abgehangen hätte. Der
kleine Ehrgeizige, in seiner heftigen und absprechenden
Weise, hatte die Frau einige Male kurz abgewiesen, sich
zuletzt aber im Zorn an ihr vergriffen. — Ihr Mann kam
aus dem Gefängniß und schritt alsbald zu jenem Akt der
Rache. Er gestand und wurde verurtheilt. Der Onkel
stand somit gereinigt da und der Herr Pastor kam, um sich
zu entschuldigen, aber diese ganze traurige Angelegenheit
hatte diesen außerordentlich mitgenommen. Sein,Haar war
beinahe ganz ergraut und es war etwas Gebrochenes in
ihm, was uns Beide sehr beunruhigte, er wurde alt und
kränkelte.
Das war das Eine — das trübe Ereigniß. Das

Andere war freudigerer Natur; die Kunde von demselben
erhielt meine Cousine während der traurigen Wochen, als
ihr Vater im Gefängniß saß. Räuden, das heißt Graf
Rübezahl, war kaum abzuhalten gewesen, sie der Geliebten
selbst zu überbringen. Als die Roth am größten war,
war auch hier die Hülfe nah gewesen. — Zum Aeußersten
gebracht durch jene Wucherer, war der Graf schon im Be-
griff gewesen (nachdem ein größeres Loosanlehen gescheitert
war), auf den Vorschlag seiner Gläubiger einzugehen, sich
mit zweitausendfünfhundert Thalern Jahrgeld auf zwölf
Jahre hinaus zu begnügen, als in der letzten Stunde noch
der Rentmeister ihm telegraphirte, er solle die Sache noch
ein wenig hinausziehen. Gleich darauf kam dieser selbst
und stattete Bericht ab. Auf dem Nebengute Schorndorf
hatte man einen Brunnen gegraben und war dabei auf
Kohlen gestoßen, dicht unter der Oberfläche der Erde. Die
Kohlen waren von guter Qualität und der Ort lag in un-
mittelbarster Nähe der neuerbauten Eisenbahn.
Das war allerdings ein Ereigniß von großer Trag-
weite. In aller Stille war der Graf selbst nach Schorn-
dorf gereist und hatte Leute von Fach mitgenommen. —
Es war eine wahre Goldgrube, welche man hier plötzlich
entdeckt hatte, die Verlegenheiten des Besitzers derselben
hatten ein Ende, mit einem Schlage war er wieder reich.
Der Kontrakt wurde zerrissen und ein Schuldentilgungs-
plan vereinigt, wonach der Graf die volle Verfügung über
seine Güter behielt. Ein Anlehen ward erhoben und so-
gleich an die Ausbeute jenes Kohlenlagers gegangen.
Das war einmal eine freudige Nachricht in jener
schweren Zeit. Kurz darauf gab man ihren Vater frei,
der Verdacht lenkte sich von ihm ab. Grete athmete auf,
als erblickte sie die Morgenröthe einer bessern Zukunft,
viel schwere Sorge war von ihrem Herzen herunterge-
nommen, die Schande war abgewendet von dem Haupte
des Geliebten und des Vaters. Um so früher nun konnte
dieses Heimlichthun ein Ende finden. Leider war jener
goldene Schein nicht das milde Frühroth besserer Tage,
sondern ein Aufglänzen am düstern Himmel, ein letzter
Aonnenblick, ehe es ganz dunkel wurde.
Die Katastrophe folgte unmittelbar darauf, — ein Blitz
zerriß das Dunkel — Alles wurde klar mit einem Male,
die ganze Elektrizität in der schwülen Atmosphäre, welche
auf unseren Gemüthern gelastet hatte, entlud sich in dem
einen Schlage. — Er zuckte hernieder und traf uns Alle!..."
(Fortsetzung folgt.)

Dertmutierarkeiter m MsMem.
' (Bill, T. 565.»
Palästina übt noch heute, im Jahrzehnt der Elektrizität und
der Dampfkraft, des rastlosen Jagens und Strebens nach mate-
riellem Gewinn, einen so seltsamen Zauber aus wie vor zwei
Jahrtausenden. Noch heute werden Wallsahrten nach dem wunder-
baren Lande unternommen, und wer dort gewesen, bringt ein Ge-
fühl in der Brust zurück, eine Fülle von Anschauungen und Er-
innerungen, die so mächtig und werthvoll sind, daß sie ihm für
das ganze Leben als kostbare Güter gelten. Nicht Vielen ist es
aber vergönnt, das heilige Land mit eigenen Augen zu schauen
— den Wunsch und die Sehnsucht hat wohl Jeder, und diesem
Sehnen und Träumen kommt jetzt ein neues illustrirtes Werk in
Prachtausstattung, „Palästina", Text von Georg Ebers und Pro-
fessor Guthe in Jerusalem (Stuttgart, Hallberger), entgegen. Wir

entnehmen dem Werk unser Bild: „Perlmutterarbeiter in Bethle-
hem". Es ist ein eigenartiger Industriezweig, der dort an der
geweihten Stätte der Wallfahrer blüht. Perlmutter wird dort zu
Kügelchen für Rosenkränze und zu kleinem Muschelschmuck für die
Pilger verarbeitet, welche dieß als Erinnerung an ihre Wallfahrt
zum gelobten Lande mitbringen. Das Arbeitslokal ist eine Höhle
im Felsen. Das Material für diese Industrie ist eine Riesen-
auster, die von Suez aus in großen Massen hergeschafft wird.
Die Geräthjchaften bei dieser Fabrikation sind außerordentlich
primitiv und die Herstellung geschieht von Frauen und Männern,
in deren Familien diese Beschäftigung, dieser Beruf sich forterbt.
Trotzdem das heilige Land zum Orient gehört, wo die Beschau-
lichkeit ja zu Hause ist, wird an den berühmten geweihten Stätten
wenigstens recht fleißig gearbeitet. Die Tracht der Frauen ist
sehr eigenthümlich; wir wollen hier das Werk selbst sprechen lassen.
„Die Frauen von Bethlehem sind heutzutage nicht nur die an-
muthigsten, sondern auch die am besten gekleideten Frauen in
ganz Palästina. Vielleicht verdanken sie ihre Schönheit dem nor-
mannischen Blut, das in ihren Adern fließt, denn es ist mehr als
wahrscheinlich, daß die christliche Bevölkerung in der Geburtsstadt
Christi von Kreuzfahrern und ihren Nachkommen abstammt. Den-
noch ist ihre Kleidung nicht abendländisch, sondern die ihrer mus-
limischen Landsleute, die sich übrigens nicht überall gleich bleibt,
denn in vielen Stäbten und Dörfern Palästinas findet man, wie
in den verschiedenen Kantonen der Schweiz, besonders für die
Frauen eigenthümliche Trachten. Der Kopfputz einer Bethle-
hemiterin besteht aus einer ca. sieben Centimeter hohen Mütze mit
flachem Deckel, die über und über mit Münzen übersät ist und
von der zu beiden Seiten Schnüre mit größeren Silber- und
Goldstücken herabhängen. Dieser Kopfputz ist fest genug, um den
großen weißen Leinenschleier zu tragen, welcher so über ihn hin-
gedeckt wird, daß man nichts von ihm zu sehen bekommt als die
unterste Reihe der Münzen, welche auf die Stirne der Frauen zu
liegen kommt. Der Schleier pflegt etwa zwei Meter lang, nicht
ganz einen Meter breit und an seinen Enden häufig mit bunter
Seide gestickt zu sein. Er fällt in malerischen Falten über Schul-
tern und Rücken und wird in Gegenwart von Muslimen oder
Fremden benützt, um einen Theil des Gesichts zu verbergen. Das
Hauptkleidungsstück, welches gewöhnlich auch das einzige ist, be-
steht aus einem langen blauen oder gestreiften Gewand mit
langen, spitz zulaufenden Aermeln, welches durch einen Gürtel
über den Hüften zusammengefaßt wird. Das Bruststück des
Kleides ist stets bestickt oder mit aufgenähten rothen, gelben oder
grünen Tuchstückchen verziert. Jede Frau, deren Mittel ihr dieß
erlauben, trägt über dem Gewände noch eine grellrothe Jacke mit
kurzen Aermeln, die entweder bis auf den Gürtel oder bis zu den
Knieen reicht. Bei der Arbeit im Hause binden die Frauen ge-
wöhnlich ihre langen Aermel zurück und tragen statt des großen
Schleiers einen kleineren."
Wie man sieht, beschäftigt sich das Werk auch mit dem
heutigen Palästina, mit Land und Volk, Gewerbe und Landbau.
Es bringt Volks- und Reiseleben, Landschaft und Geschichte,
Städte und Ruinen, Klöster und Kirchen; in den Bereich der
Darstellung ist auch die Sinaihalbinsel und das Land Gosen
hineinbezogen.
Das Werk, ursprünglich in englischer Sprache erschienen, für
das deutsche Volk jedoch von Georg Ebers, dem berühmten Ver-
fasser der ägyptischen Romane, und von Hermann Guthe, der in
Jerusalem weilt, bearbeitet, gibt ein Gesammtbild des heiligen
Landes, wie es bisher noch nicht in der Art existirt hat. Das
schöne Werk, auf feinem, getöntem Papier sorgfältig gedruckt, mit
vierzig feinen Stahlstichen und sechshundert Holzschnittillustrationen
ausgestattet, die fast jämmtlich auch künstlerisch originell und
wirksam sind, wird ein Geschenkbuch für jene Abschnitte des Lebens
werden, die eine ernste Erinnerung für uns bleiben. Ein solches
Werk hat bisher gefehlt, und wir wollen besonders Eltern von
Konfirmanden auf diese Erscheinung aufmerksam machen. Bis
jetzt sind drei Lieferungen dieses Prachtwerkes herausgekommen.

Die erste Pastagier-Eisenbahn von Stockton nach Darlington in England (1825).


Der üunckerijliürlge GelleMag Georg Uepkensm's,
des Begründer» unserer Eisenbahnen.
«Porträt S. Sc8.)
Am 9. Juni 1781 erblickte ein Mann das Licht der Welt,
°er für alle Zeiten seinen Namen in die Geschichte der Kultur der
neuen, Zeit eingeschrieben Der Vater des jetzt über die ganze
eunlifirte Welt verbreiteten Eisenbahnsystems, Georg Stephenson,
ward an diesem Tage in dem Orte Wylam an der Tyne, einem
ikohlenwerke bei Newcastle in England, geboren. G. Stephenson
war der Sohn eines armen Arbeiters, sein erstes Geschäft war die
ienung einer Dampfmaschine an der Mündung der Kohlengrube,
^wr rref er zuerst Verwunderung hervor durch Verbesserungen,
der von ihm gehandhabten Maschine und dem Pumpwerk
"»rächte, dann Lurch Reparaturen, die gelernte Ingenieure nicht

ausführen konnten. Er rückte dadurch zum Aufseher vor und ward !
bald darauf Leiter der großen Kohlenwerke bei Darlington. Für einen
bei diesen Gruben angelegten Schienenweg baute er die erste Loko-
motive Dann erfand der merkwürdige Mann mit Davy zusammen
die berühmte Sicherhcitslampe für Grubenarbeiter, was ihm einen
Ehrenpreis von 1000 Guineen einbrachte. Diese Summe bestimmte
er für die Erziehung seines 1803 geborenen Sohnes Robert, der
durch wissenschaftliche Ausbildung das Genie seines Vaters unter-
stützte und später selbst einer der berühmtesten Ingenieure der !
Welt wurde Unter der Leitung Georg's, Les Vaters, wurde
1825 die erste, für den allgemeinen Verkehr bestimmte Eisenbahn
von Stockton nach Darlington eröffnet.
Unsere Illustrationen zeigen neben dem Porträt des genialen
Mannes diesen merkwürdigen ersten Zug, welcher auf dieser
Linie ging. Als Stephenson sich erbot, einen Dampfwagen
herzustellen, der zehn englische Meilen, zwei und eine halbe
deutsche Meile, in der Stunde zurücklegen werde und einem l

Parlamentsausschuß seinen Plan vorlegte, erklärte man ihn für
einen Phantasten Seine Probefahrt übertraf jedoch noch die im
Plan festgesetzte Schnelligkeit; die von ihm gebaute Lokomotive
legte fünfzehn englische Meilen in der Stunde zurück. Stephenson
gewann den für die Lösung dieser Frage ausgesetzten Preis und
bewirkte durch diesen Dampfwagen die größte Revolution in der
Mechanik seit der Erfindung der Dampfmaschine. In der Folge
ward Stephenson eine Berühmtheit in der ganzen Welt. In
Verbindung mit seinem Sohne baute er verbesserte Dampfwagen
für die neu entstehenden Bahnen in England und Amerika, ebenso
lieferte er für den europäischen Kontinent die ersten Lokomotiven.
Georg Stephenson starb als sehr reicher Mann und von der
ganzen Welt verehrt am 12. August 1848. Er hat es wohl ver-
dient, daß sich die Welt seiner bei der hundertjährigen Wieder-
kehr seines Geburtstages erinnerte und seiner ehrend Erwäh-
nung that.
 
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