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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 34.1886

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Illustrirte Welt.


verneinen und legte ihm nun das Fremden-
buch vor. Anfangs wollte er seinen Na-
men nicht einschreiben, er meinte, das sei
unnötig, da er vielleicht an diesem Tage
schon wieder abreise, und als ich ihm nun
sagte, es werde verlangt, erklärte er, seine
Hand zittere so sehr, daß er mich ersuchen
müsse, den Namen zu schreiben. Na, ich
erfuhr nun, daß er der Freiherr Franz von
Feldern aus Brasilien war; er nannte mir
auch den Namen seines Begleiters: Theo-
dor Wundermann aus London, und später
erfuhren wir, daß dieser Herr ein Neffe
seines Schwiegervaters war, der ebenfalls
Theodor Wundermann heißt. Ich sollte
nun den Herrn Wundermann wecken, oder
vielmehr der Baron übernahm es, indem
er auf die Verbindungsthüre klopfte. Nichts
regte sich in dem Zimmer nebenan, ein
Schlüssel steckte nicht in der Verbindungs-
thür und auch die Thüre zum Korridor
war von innen verschlossen. Unser Chef
Ivar in Verzweiflung, wir alle dachten
sofort an einen Selbstmord, der Baron
bestritt das, er behauptete, Wundermann
habe am Roulette nur eine kleine Summe
verloren, übrigens kenne er ihn weiter
nicht, er sei erst gestern mit ihm in Frank-
furt bekannt geworden. Na, der Haupt-
schlüssel wurde geholt und das Zimmer
geöffnet; Theodor Wnndermann lag tot
in seinem Bette. Der Hausarzt des Hotels
und ein Polizeirat kamen bald nachher;
der Doktor sagte, eine Herzschlag sei die
Ursache des Todes; man fand im Zimmer
auch keine verdächtige Spuren, alles stand
und lag in der schönsten Ordnung; das
Gesicht der Leiche war nicht verzerrt, kurz,
cs lag keine Veranlassung zu einer gericht-
lichen Untersuchung vor. Der Baron trat
jetzt ganz anders auf, er war herrisch und
kurz angebunden, er bezeichnete den Ver-
storbenen als einen armen Verwandten,
aber er erklärte dabei doch, daß er aus
Rücksicht auf die Gefühle seines Schwie-
gervaters die Kosten der Beerdigung übernehmen wolle,
und er hat auch wirklich am nächsten Tage, gleich nach
dem Begräbnis, alle Rechnungen bezahlt, ohne ein Wort
zu verlieren."

Milan I., König von Serbien. (S. 238.)
„Und wo blieb der Nachlaß des Toten?" fragte Karl,
dessen Bleistift emsig über das Papier glitt.
„Den hat die Polizei nach London geschickt, dort sollte
er der Witwe Wundermanus ausgchändigt werden."

„Also ein Neffe seines Schwieger-
vaters? Dann kann er doch so alt noch
nicht gewesen sein?"
„Der Baron behauptete, der Verstor-
bene sei drei- oder vierundzwanzig Jahre
alt, der Polizeirat erwiderte darauf, er sehe
mindestens zehn Jahre älter aus, und
was mich betrifft, so hatte ich diesen Theo-
dor Wundermaun auf etwa achtundvierzig
Jahre geschätzt. Aber der Baron meinte,
die einzelnen grauen Haare im Bart ließen
sich schon erklären, der Verstorbene habe
Nahrungssorgen gehabt und dabei auch
noch leichtfertig gelebt, und damit beruhigte
der Polizeirat sich. Ich aber erinnerte
mich des Schattenspiels, und es stieg nun
ein Verdacht in mir auf, den ich nicht
wieder los werden konnte."
„Dann hättest Du diesen Verdacht so-
gleich dem Polizeirat berichten müssen!"
„Das that ich auch, aber da kam ich
schön an," erwiderte Rudolf, während er
die erloschene Cigarre wieder anzündctc.
„Der Herr Rat lachte mich aus und
fragte nach Beweisen, dann wurde er auch
noch unhöflich, er gab mir den Rat, meine
Weisheit für mich zu behalten und keinen
Verdacht auf einen Ehrenmann zu werfen.
Beweisen konnte ich allerdings nichts, aber
wenn man gründlich nachgeforscht hätte,
so wären die Beweise vielleicht gefunden
worden."
„Du glaubst an einen Mord?" fragte
sein Bruder, der mit nachdenklichem Blick
die Zeichnungen wieder betrachtete.
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll.
Mir kam der Gedanke, daß ich aus meinen
Entdeckungen vielleicht Nutzen ziehen könne.
Daß in jener Nacht etwas vorgefallen ist,
was nicht ans Tageslicht kommen darf,
das unterliegt für mich keinem Zweifel, ich
habe dafür meine Beweise. Vor seiner
Abreise bot ich dem Baron meine Dienste
an, er antwortete grob und ablehnend.
Ich spielte darauf an, daß ich mehr wisse,
wie er vermute, nun wurde er noch gröber, aber gesessen
hatte der Hieb, das erkannte ich an der Angst, die aus
der Grobheit herausklang. Er gab mir kein Trinkgeld, er
sagte dem Wirt in meiner Gegenwart, ich horche an den

Vom bulgarischen Kriegsschauplatz. Religiöse Ccremonie beim Ausmarfch der serbischen Truppen. (S. 238.)
Zeichnung ron A. Schönberg.
 
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