Illu strikte Mett.
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.II.'« T.
Rückkehr von der Alpe.
Aus dem Hirtenlebcn der Tiroler Alpen.
andere will schon Rufe der Hirten,
spitzigen Reden, die aber in der allgemeinen Munterkeit ver-
hallen. Der Ankunft der Karawane, welche, mit ihren Kraxen
beladen, die Käselaibe und Butterballen zu Thal bringt, wird
unten mit Ungeduld entgcgengesehen. Besonders warten die
Kinder gespannt darauf, weil sie bei dieser festlichen Gelegenheit
Butter auf ihr Brot gestrichen bekommen.
Mittlerweile geht der Sommer allgemach dahin. Die Tage
folgen sich, aber sie gleichen sich noch weniger, als tief unten im
Thale. Einmal strahlt
die Sonne, daß am
fernsten Gesichtskreis
die Gletscher, die in
fremden Ländern ra-
gen, herübersunkeln.
Manchmal aber steckt
der Nebel über der
Alpe, daß der alte
Zirbenbaum, der am
Brunnen neben der
Hütte steht, nicht mehr
zu sehen ist, und die
Tiere, welche sich ge-
gen die Holzwand Her-
drängen, ungeheuer-
liche Umrisse anneh-
men. Dann blaut nur
manchmal, wenn rasch
ein Windstoß durch
die Dunsthaufen fährt,
ein Stück naher oder
ferner Welt flüchtig
durch einen Ausschnitt
im Nebel, um als-
bald wieder zu ver-
schwinden. Stumm
und taub ist die Um-
gebung ; man hört
nichts, als das Sum-
men der Wasserstürze
in der Tiefe, die
Hirten, wie sie den
Rindern zurufen oder
sie mit Peitschen-
ichnalzen von gefähr-
lichen Stellen zurück-
scheuchen. Sonntags
kommt wohl auch aller-
lei Gesellschaft herauf,
mitunter nicht die
sauberste, denn die
Alphütten sind eine
Zufluchtsstätte für
mancherlei Dinge, für
welche es auch in den
schlechtesten Schenken
der Dörfer keine Dul-
dung gibt. Hie und
La, insbesondere in
Südtirol, wird bei
solchen Gelegenheiten
dem roten Landwein
zugesprochen, meist
aber ist es der
Schnaps, aus welchem
die almcrische Stim-
mung gesogen wird.
Endlich fällt der
Reif zeitweilig des
Morgens aus die
Grasböden, em paar-
mal ist auch das Vieh
schon tief im Schnee
gestanden, die Tage
werden kürzer, die
Zeit der Abfahrt ist da.
Jetzt sagt man un-
ten im Thale: „Bald
werden die Kühe kom-
men!" Manredetso
lange von der Kirch-
weih, bis sie da ist,
und ebenso geht es
mit dem Abfahren
von der Alpe. Endlich
heißt es: „Morgen!"
Die Kinder sind so
freudig erregt, wie in
der Stadt am Tage
vor der Christbesche-
rung, sie können kaum
Las Grauen des Tages
erwarten.
Ist derselbe end-
lich da, so wird schon
um Mittag Feier-
abend gemacht, die
Jugend zieht ihr Fest-
gewand an und ver-
sammelt sich auf dem
Kirchplatz. Von Zeit
zu Zeit vernimmt
man einen kräftigen Hirten,
Jauchzer. Der eine oder andere w'll Mn R> d
der dritte emen verwehten Ton der KUMM
^S^'nM L d^ ^n-
sieht die Preiskuh, die größte der Herde, d-e selbstbewußt
Jllustr. Welt. IS88. 2.
schreitet. Sie hat die schönste, aus Alpenblumen, Gewinden von
Fichtcnzweigen und Flittergold verfertigte Krone und trägt die
größte Schelle, die oft bis zu einem Fuß im Durchmesser
hat. Diese Schelle hängt an einem mit Stickereien verzierten
Ledergurt. Ihr folgen die anderen, in ähnlicher Weise gezierten
Tiere, der mit Bändern geschmückte Hirt und schließlich das
gemeine Volk der Ziegen, Schafe und Schweine. An allem dem
haben die Kinder die größte Freude.
Für dieses Jahr ist es jedoch zu Ende mit der Herrlich-
keit der Alpe, kein Mensch redet mehr davon. Die Hütten aber
werden bald vom Schnee begraben, und das einzige Leben, das
sich in ihnen regt, rührt von Feldmäusen her, die hier in
großer Menge vor dem Schnee Zuflucht suchen.
Wozu nützt der Klapperschlange die Klapper?
Die Frommen des vorigen Jahrhunderts sahen in der
Schwanzrassel der Klapperschlange einen überzeugenden Beweis
der Güte und Weisheit Gottes, welcher die giftige Schlange
zwang, den nahenden Menschen zu warnen, ehe sie ihn angriff.
Seit Darwin sind dergleichen Erklärungen in Mißkredit ge-
kommen, wir wissen,
daß solche besondere
Einrichtungen sich nur
dann ausbilden und
vererben können, wenn
sie dem betreffenden
Tiere in irgend einer
Weise von Vorteil sind,
und seitdem hat die
Klapperschlange den
Forschern viel zu den-
ken gegeben. Darwin
glaubte, daß das Klap-
pern den Zweck habe,
die natürlichen Feinde
der Schlange, also die
größeren Raubvögel,
Schweine und der-
gleichen zu erschrecken.
Dazu ist es aber doch
wohl zu schwach, und
es ist auch nicht anzu-
nehmen, daß solche
Tiere, welche die Klap-
perschlange förmlich
jagen, sich durch das
Klappern abschrecken
lassen; im Gegenteil
verrat ihnen dasselbe
den Ort, wo sich ihre
Beute aufhält, und
wird der Schlange ent-
schieden zum Nachteil.
Andere Beobachter
suchten darum den Vor-
teil für die Schlange
darin, daß ihr Klap-
pern den Ton von
Grillen und Gras-
hüpfern nachahme und
dadurch insektenfres-
sende Vögel in ihren
Bereich locke Der Ton
der Klapper ist aber
offenbar ein War-
nungszeichen, den die
Schlange nur hören
läßt, wenn sie sich zum
Angriff fertig macht.
Die wahrscheinlichste
Erklärung für ihren
Gebrauch ist darum
die neuerdings von
Hay gegebene. Weder
der Giftvorrat noch
die Anzahl der Reserve-
giftzähnc sind bei der
Klapperschlange unbe-
grenzt und sie hat so-
nnt ein Interesse da-
ran , ihre tätliche
Waffe nicht ohne Not
und ohne Nutzen für
sich in Anwendung zu
bringen Nun sind in
den offenen Prärien
des Westens die Büffel-
herden, m den sumpfi-
gen Waldungen des
Ostens die Hirscharten
der Schlange insofern
gefährlich, als sie das
träge Tier durch ihren
Tritt beschädigen kön-
nen, der Biß der
L-chlange wird ihnen
zwar auch gefährlich,
aber die Schlange hat
dadurch keinen Nutzen,
und cs ist für sie da-
rum ein entschiedener
Vorteil, wenn sie ein
ihr zu nahe kommen-
des Tier durch die
Klapper zur Vorsicht
mahnen kann. Daß
der Vorteil nicht so
ganz unerheblich ist,
geht daraus hervor,
daß keine andere Gift-
schlangengruppe eine
so ausgedehnte geo-
graphische Verbreitung
hat, wie die Klapper-
schlangen, welche in zahlreichen Arten über die ganze westliche
Halbkugel von der nördlichen bis zur südlichen gemäßigten
Zone Vorkommen. Auf bebautem Boden verschwindet übrigens
die Klapperschlange rasch, auch wenn keine Schweine gezüchtet
werden; in Illinois war sie beim Beginne der Besiedelung
überall gemein, seit zwanzig Jahren ist kaum ein Exemplar
mehr gesehen worden.
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Rückkehr von der Alpe.
Aus dem Hirtenlebcn der Tiroler Alpen.
andere will schon Rufe der Hirten,
spitzigen Reden, die aber in der allgemeinen Munterkeit ver-
hallen. Der Ankunft der Karawane, welche, mit ihren Kraxen
beladen, die Käselaibe und Butterballen zu Thal bringt, wird
unten mit Ungeduld entgcgengesehen. Besonders warten die
Kinder gespannt darauf, weil sie bei dieser festlichen Gelegenheit
Butter auf ihr Brot gestrichen bekommen.
Mittlerweile geht der Sommer allgemach dahin. Die Tage
folgen sich, aber sie gleichen sich noch weniger, als tief unten im
Thale. Einmal strahlt
die Sonne, daß am
fernsten Gesichtskreis
die Gletscher, die in
fremden Ländern ra-
gen, herübersunkeln.
Manchmal aber steckt
der Nebel über der
Alpe, daß der alte
Zirbenbaum, der am
Brunnen neben der
Hütte steht, nicht mehr
zu sehen ist, und die
Tiere, welche sich ge-
gen die Holzwand Her-
drängen, ungeheuer-
liche Umrisse anneh-
men. Dann blaut nur
manchmal, wenn rasch
ein Windstoß durch
die Dunsthaufen fährt,
ein Stück naher oder
ferner Welt flüchtig
durch einen Ausschnitt
im Nebel, um als-
bald wieder zu ver-
schwinden. Stumm
und taub ist die Um-
gebung ; man hört
nichts, als das Sum-
men der Wasserstürze
in der Tiefe, die
Hirten, wie sie den
Rindern zurufen oder
sie mit Peitschen-
ichnalzen von gefähr-
lichen Stellen zurück-
scheuchen. Sonntags
kommt wohl auch aller-
lei Gesellschaft herauf,
mitunter nicht die
sauberste, denn die
Alphütten sind eine
Zufluchtsstätte für
mancherlei Dinge, für
welche es auch in den
schlechtesten Schenken
der Dörfer keine Dul-
dung gibt. Hie und
La, insbesondere in
Südtirol, wird bei
solchen Gelegenheiten
dem roten Landwein
zugesprochen, meist
aber ist es der
Schnaps, aus welchem
die almcrische Stim-
mung gesogen wird.
Endlich fällt der
Reif zeitweilig des
Morgens aus die
Grasböden, em paar-
mal ist auch das Vieh
schon tief im Schnee
gestanden, die Tage
werden kürzer, die
Zeit der Abfahrt ist da.
Jetzt sagt man un-
ten im Thale: „Bald
werden die Kühe kom-
men!" Manredetso
lange von der Kirch-
weih, bis sie da ist,
und ebenso geht es
mit dem Abfahren
von der Alpe. Endlich
heißt es: „Morgen!"
Die Kinder sind so
freudig erregt, wie in
der Stadt am Tage
vor der Christbesche-
rung, sie können kaum
Las Grauen des Tages
erwarten.
Ist derselbe end-
lich da, so wird schon
um Mittag Feier-
abend gemacht, die
Jugend zieht ihr Fest-
gewand an und ver-
sammelt sich auf dem
Kirchplatz. Von Zeit
zu Zeit vernimmt
man einen kräftigen Hirten,
Jauchzer. Der eine oder andere w'll Mn R> d
der dritte emen verwehten Ton der KUMM
^S^'nM L d^ ^n-
sieht die Preiskuh, die größte der Herde, d-e selbstbewußt
Jllustr. Welt. IS88. 2.
schreitet. Sie hat die schönste, aus Alpenblumen, Gewinden von
Fichtcnzweigen und Flittergold verfertigte Krone und trägt die
größte Schelle, die oft bis zu einem Fuß im Durchmesser
hat. Diese Schelle hängt an einem mit Stickereien verzierten
Ledergurt. Ihr folgen die anderen, in ähnlicher Weise gezierten
Tiere, der mit Bändern geschmückte Hirt und schließlich das
gemeine Volk der Ziegen, Schafe und Schweine. An allem dem
haben die Kinder die größte Freude.
Für dieses Jahr ist es jedoch zu Ende mit der Herrlich-
keit der Alpe, kein Mensch redet mehr davon. Die Hütten aber
werden bald vom Schnee begraben, und das einzige Leben, das
sich in ihnen regt, rührt von Feldmäusen her, die hier in
großer Menge vor dem Schnee Zuflucht suchen.
Wozu nützt der Klapperschlange die Klapper?
Die Frommen des vorigen Jahrhunderts sahen in der
Schwanzrassel der Klapperschlange einen überzeugenden Beweis
der Güte und Weisheit Gottes, welcher die giftige Schlange
zwang, den nahenden Menschen zu warnen, ehe sie ihn angriff.
Seit Darwin sind dergleichen Erklärungen in Mißkredit ge-
kommen, wir wissen,
daß solche besondere
Einrichtungen sich nur
dann ausbilden und
vererben können, wenn
sie dem betreffenden
Tiere in irgend einer
Weise von Vorteil sind,
und seitdem hat die
Klapperschlange den
Forschern viel zu den-
ken gegeben. Darwin
glaubte, daß das Klap-
pern den Zweck habe,
die natürlichen Feinde
der Schlange, also die
größeren Raubvögel,
Schweine und der-
gleichen zu erschrecken.
Dazu ist es aber doch
wohl zu schwach, und
es ist auch nicht anzu-
nehmen, daß solche
Tiere, welche die Klap-
perschlange förmlich
jagen, sich durch das
Klappern abschrecken
lassen; im Gegenteil
verrat ihnen dasselbe
den Ort, wo sich ihre
Beute aufhält, und
wird der Schlange ent-
schieden zum Nachteil.
Andere Beobachter
suchten darum den Vor-
teil für die Schlange
darin, daß ihr Klap-
pern den Ton von
Grillen und Gras-
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dadurch insektenfres-
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Bereich locke Der Ton
der Klapper ist aber
offenbar ein War-
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Schlange nur hören
läßt, wenn sie sich zum
Angriff fertig macht.
Die wahrscheinlichste
Erklärung für ihren
Gebrauch ist darum
die neuerdings von
Hay gegebene. Weder
der Giftvorrat noch
die Anzahl der Reserve-
giftzähnc sind bei der
Klapperschlange unbe-
grenzt und sie hat so-
nnt ein Interesse da-
ran , ihre tätliche
Waffe nicht ohne Not
und ohne Nutzen für
sich in Anwendung zu
bringen Nun sind in
den offenen Prärien
des Westens die Büffel-
herden, m den sumpfi-
gen Waldungen des
Ostens die Hirscharten
der Schlange insofern
gefährlich, als sie das
träge Tier durch ihren
Tritt beschädigen kön-
nen, der Biß der
L-chlange wird ihnen
zwar auch gefährlich,
aber die Schlange hat
dadurch keinen Nutzen,
und cs ist für sie da-
rum ein entschiedener
Vorteil, wenn sie ein
ihr zu nahe kommen-
des Tier durch die
Klapper zur Vorsicht
mahnen kann. Daß
der Vorteil nicht so
ganz unerheblich ist,
geht daraus hervor,
daß keine andere Gift-
schlangengruppe eine
so ausgedehnte geo-
graphische Verbreitung
hat, wie die Klapper-
schlangen, welche in zahlreichen Arten über die ganze westliche
Halbkugel von der nördlichen bis zur südlichen gemäßigten
Zone Vorkommen. Auf bebautem Boden verschwindet übrigens
die Klapperschlange rasch, auch wenn keine Schweine gezüchtet
werden; in Illinois war sie beim Beginne der Besiedelung
überall gemein, seit zwanzig Jahren ist kaum ein Exemplar
mehr gesehen worden.
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